Wieder geht ein Jahr zu Ende und manchmal waren wir geneigt, mit Homer Simpson zu fragen: “Das Internet, gibt’s den Blödsinn immer noch?“. Wir haben das Jahr Revue passieren lassen und daraufhin digitale Vorsätze für das neue Jahr gefasst.
Alles eine große Blase
Postfaktisch wurde zum Wort des Jahres 2016 gewählt. In diesem „postfaktischen Zeitalter“ stünden Gefühle und persönliche Wahrnehmungen über Fakten. Fakt ist jedoch, digitale Technologien haben in diesem Jahr wieder eine wichtige Rolle bei verschiedenen politischen Ereignissen gespielt.
Besonders im Gedächtnis werden dabei abseits des Anschlags in Berlin vor allem drei Ereignisse bleiben. Dies sind erstens die Ergebnisse des Brexit-Votums, zweitens die Wahl von Donald Trump sowie drittens die nach wie vor heftig diskutierte Migrationsthematik. Dabei wurde deutlich: Soziale Medien tragen nicht nur zur Meinungsbildung bei. Sie bestätigen, egal ob begründet oder nicht, die Meinung des Users. Die Netzwerke bergen die Gefahr, dass durch Algorithmen stets Gleichgesinnte auf Gleichgesinnte treffen, somit nur die eigene Position untermauert, gegensätzliche aber nicht oder nur zu einem geringen Maße einbezogen werden. Bots und Hassposts haben dabei sicherlich ihren Anteil an der kontrovers diskutierten Blasenbildung.
Wie dieses Jahr leider wieder am Beispiel der Fakenews deutlich wurde, werden die Datenmengen immer aufgeblähter. In einer Informationsgesellschaft mangelt es garantiert nicht an Informationen, aber es fehlt an Wissen, dieses richtig einzuordnen. Verschiedene Plattformen wie Let’s integrate oder Opin bieten hierzu die Möglichkeiten, Menschen verschiedener sozialer, ethnischer und politischer Herkunft miteinander zum gegenseitigen Austausch zusammen zu bringen. Nur müssen sich diese Projekte an der Lebenswirklichkeit der User orientieren. Dies schließt auch das Leben offline der digitalen Welt mit ein. Denn eine demokratische digitale Gesellschaft lebt von ihren wissenden, richtig informierten und teilnehmenden Mitgliedern.
Ein digitaler Vorsatz für das neue Jahr lautet daher:
Wir wollen besser wissen, worüber wir uns informieren
Fortschritt oder Fehltritt?
In diesem Jahr ist die Zahl der User weltweit wieder gestiegen. Wäre die Welt ein Dorf mit 100 repräsentativen Bewohnern, so würden 25 regelmäßig das Internet nutzen. Schon heute besitzen mehr als 650 Millionen Afrikaner ein Smartphone. Dies bietet neue Wege in der Entwicklungshilfe. Beispielsweise werden soziale Medien in brasilianischen Favelas aktiv für die Gewaltprävention eingesetzt. Andere Beispiele sind der Einsatz bei Wahlbeobachtungen oder dem Anzeigen von Gewalt und Korruption.
Aber nicht nur die Lebensumstände der Menschen lassen sich mit digitalen Methoden verbessern, nein, letztlich sogar der Mensch selbst. Schon heute finden viele dieser Technologien Anwendung im E-Health. „Human Enhancement“ verspricht nicht nur Krankheiten zu heilen oder Behinderungen zu beseitigen, sondern den Menschen konzentrierter, leistungsfähiger, schlicht besser zu machen. Technologien werden immer mehr Bestandteils unseres Alltags, ob in der Arbeit und der Freizeit. Als solche sind Roboter möglicherweise bald mehr als nur Helfer, vielleicht Kollegen oder Freunde, gar ein Teil unserer Gesellschaft.
Unser Video-Rückblick
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Im Rahmen der ARD Themenwoche „Zukunft der Arbeit“ wurde deutlich, dass immer mehr Aufgaben durch technische Lösungen übernommen werden. Ein Problem? Die Digitalisierung scheint die Antwort darauf schon zu kennen. Diese ist nicht immer leicht. Wer bin ich? Datenbrillen wissen Bescheid, wie der Film „Operation Naked“ thematisierte. Digitale Helfer nehmen uns viel Arbeit ab, lösen Probleme, schaffen aber neue. Wie werden wir in Zukunft arbeiten? Welche Rolle werden Gewerkschaften und Arbeitnehmerrechte in einer digitalen Arbeitswelt spielen, die von Spezialisierung und Flexibilisierung geprägt ist?
Vielleicht ist in der immer wieder beschriebenen schönen neuen Welt nicht alles gut, was digital ist. Blockchain oder PNR versprechen eine sicherere Welt, doch ist die Macht der Algorithmen wirklich so groß, alles berechnen zu können oder zu wollen? Die Schattenseiten sind unter anderem Sicherheitslücken und das Geschäft mit diesen, aber auch eine immer komplexere Welt.
Es steht zur Debatte, ob alles was machbar ist, auch möglich sein muss. Wer hat also Recht, Technik oder Gesellschaft, Mensch oder Maschine und welche Rechte haben wir? Bereits heute werden Ansätze für digitale Menschenrechte diskutiert. Diese Debatte ist wichtig, denn die Zukunft kommt früh genug.
Daher lautet der zweite digitale Vorsatz nach dem Titellied der ARD-Themenwoche:
Ich bin doch keine Maschine, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut
Mein Internet, dein Internet
„Internet ist schnelle Kommunikation.“ „Internet, es ist überall frei zugänglich, man kann alles Mögliche damit machen.“ Zwischen diesen beiden Aussagen liegen über 80 Jahre Lebenserfahrung. Die modernen Technologien bieten viele neue soziale, politische und ökonomische Möglichkeiten für Menschen auf der ganzen Welt. Aber Digitalisierung kann nur dann wirklich als Fortschritt gelten, wenn sie allen Menschen zum Fortschritt gereicht, alle an diesem teilhaben können.
Digitale Technologien haben eine Brücke von Mensch zu Mensch geschaffen, aber worauf ist diese gebaut? Welchen Wert die Digitalisierungsdebatte nicht nur finanziell hatte, zeigte die Verabschiedung der Datenschutzgrundverordnung. Sind wir auf dem Weg von der Datenunion zur Werteunion in Europa?
Datenschutz per se kann dabei schon zur Glaubensfrage werden. So viele Daten, ich glaub´s ja nicht, liebes Internet. Wie hältst du es mit den Religionen? Jeder Mensch betrachtet die Welt auf seine Weise. Gleiches gilt auch für die digitale Welt. Von den großen Weltreligionen bis hin zum Glaube an die Technik: alles ist dem Wandel der Digitalisierung mit all ihren Konsequenzen unterworfen. „Keiner hat mehr Zeit für einander. Ich glaube, dass die Menschen einsamer werden“, meinen Anni (91) und Johann Raab (97). „Was da online passiert, ist unheimlich“, findet Rosa (15).
Wichtig ist es daher, den Fortschritt nicht um seiner selbst willen voranzutreiben, sondern alle Menschen einzubeziehen. Digitale Technologien haben das Potenzial, eine globale Gemeinschaft zu schaffen. Ob wir unser Leben dabei nach religiösen, säkulären oder technologischen Vorstellungen gestalten wollen, diese Gemeinschaft ist es, in der wir leben, die uns gut tut. Trauen wir uns, finden wir andere Menschen, mit denen wir uns verbinden können, seien wir zusammen kreativ.
Der letzte digitale Vorsatz lautet daher:
Edel sei der Mensch, hilfreich und gut und vor allem stets gemeinsam online.
Neues Jahr, neues Netz?
Abschließend bleibt zu fragen. Was ist das Internet? Das Internet ist im wahrsten Sinne des Wortes eine unfassbare Errungenschaft unserer Zeit. So unfassbar, dass wir diese Erfindung immer wieder neu begreifen müssen, ob im digitalen Klassenzimmer oder im analogen Leben.
Auch im Jahre 2017 werden wir versuchen, Antworten auf die Frage zu finden: „Internet, gibt´s den Blödsinn immer noch?“
Die Autoren und Autorinnen von politik-digital wünschen allen Leserinnen und Lesern einen guten Start ins neue digitale und analoge Jahr.
Nun bleibt nur noch mit dem dieses Jahr leider verstorbenen Peter Lustig zu sagen „Ihr könnt jetzt abschalten“, oder wem es erst mal zu viel wird: „Lösch das Internet“
Titelbild: 2016 von politik-digital.de, licenced CC-BY-SA 3.0