Wer auf die Welt kommt baut ein neues Haus, sagte einst Goethe. Häuser haben Fenster, mit denen wir die Welt da draußen wahrnehmen und auf sie blicken. Das Internet ist eines davon, doch jeder hat sein eigenes Fenster in diese virtuelle Welt. Alter, Bildung und soziale Herkunft bestimmen den Blick hinaus. Johann (97), Anni (91) und Rosa (15) erklären uns ihre Perspektive.

Internet ist…

„Internet ist schnelle Kommunikation.“ „Internet, es ist überall frei zugänglich, man kann alles Mögliche damit machen.“ Zwischen diesen beiden Aussagen liegen über 80 Jahre Lebenserfahrung. In den 1930er Jahren, als Johann (97) und Anni (91) im Alter von Rosa (15) waren, chattete man noch durch Briefe. Wer „skypen“ wollte, der musste sich auf der Post zum Telefongespräch verabreden. Snapchat waren Postkarten aus aller Welt, die häufig gesammelt wurden.

Zeitsprung ins Jahr 2016. Wie selbstverständlich kommuniziert Rosa mit vielen Freunden gleichzeitig in der ganzen Welt. Innerhalb von Sekunden werden Bilder und persönliche Mitteilungen um den Globus geschickt. Das ganz nebenbei, während die neusten Nachrichten, Trends und Ereignisse im Freundeskreis verfolgt werden. Rosa organisiert ihr ganzes Leben über das Netz.

Deutschland und sein Internet

Heute nutzen fast 80 Prozent der Deutschen das Internet. Im Schnitt verbringen sie täglich 108 Minuten im Netz. Das Internet ist zum treuen Alltagsbegleiter geworden. „Zum Internet bin ich durch Verwandte und Freunde gekommen, die mir Emails schicken wollten. Da bin ich selber neugierig geworden“, erinnert sich Johann. Auch Rosa ist durch die Familie mit dem Internet Berührung gekommen: „Als vor sieben Jahren meine älteren Schwestern auszogen, wollten wir Kontakt halten. Dafür haben wir einen Familienchat eingerichtet. So habe ich das Internet und seine Möglichkeiten zum ersten Mal wirklich kennengelernt.“

Bereits Zweijährige sind heute in der Lage, intuitiv mit dem Smartphone ihrer Eltern umzugehen, füttern virtuelle Hunde, lernen lesen und schreiben, entdecken die Welt. Bereits 20 Prozent aller 6-7 Jährigen haben ein eigenes Smartphone. Sie gehören zur Generation der „Digital Natives“, all denjenigen, die nach 1980 geboren sind und das Internet von klein auf kennen.

Aber auch die Generation der „Silver Surfer“ entdeckt das Netz immer mehr für sich. Bereits etwa 11 Millionen User in Deutschland sind über 60 Jahre, das ist mehr als die Hälfte. „Ich nutze mein Tablet um regelmäßig Angebote der Discounter zu vergleichen“, erzählt Johann. Rentner sind eine neue Zielgruppe. Doch nicht nur das Alter unterscheidet die Nutzer, viele verschiedene Faktoren spielen eine Rolle.

Verschiedene Welten zwischen Bits und Bytes

Eine Studie der DIVSI teilt die digitale Gesellschaft in „Digital Outsiders“ (37 Prozent) „Digital Immigrants“ (19 Prozent) und „Digital Natives“ (44 Prozent) ein. Dabei zeigt sich: Mit sinkendem Alter und steigender Bildung, nimmt die digitale Kompetenz zu, weshalb sich die Spannbreite von „Internetfernen Verunsicherten“ bis zu „Digital Souveränen“ erstreckt. Dieses Muster findet sich bei den jeweiligen Nutzertypen innerhalb der verschiedenen Altersklassen wieder.

„Ich nutze das Internet nicht, da ich es nicht brauche“, meint Anni, die zur Gruppe der Internetfernen zählt. Unter den Silver Surfern ist sie damit der „Häusliche“ Typ. Häusliche sind meist um die 62 Jahre, heimatverbunden und haben einen kleineren Freundeskreis. Traditionelle Medien wie Radio und Fernsehen stellen für sie immer noch die wichtigste Informationsquelle dar.

„Digitale Kommunikation spielt für Menschen meines Alters keine so große Rolle mehr. Persönlicher Kontakt und persönliche Gespräche sind mir wichtiger“, findet Johann. „Ich brauche nicht immer die schnelle Lösung, sondern bin froh, wenn ich Zeit habe, mich mit etwas zu beschäftigen. Trotzdem finde ich das Internet eine interessante Errungenschaft, die ich gerne für meine Hobbys wie Ahnenforschung und Kunst nutze.“ „Digital Immigrants“ wie er sind vielseitig interessiert an neuen Technologien und den Möglichkeiten, die sie bieten. „Mein Tablet ist sehr selbsterklärend. Wenn ich nicht weiter weiß, hole ich mir einfach Hilfe“, beschreibt er sein Surfverhalten.

„Man ist halt viel im Internet“, meint Rosa. Bis zu vier Stunden täglich verbringt sie nach eigenen Einschätzungen online mit Chat, Recherche, Hausaufgaben und sozialen Aktivitäten. Mit ihren 15 Jahren gehört zu den „Digital Natives“. Auf dem Weg zur Schule, beim Lernen, in der Freizeit: das Internet gehört zum Alltag dazu. Unzählige Chatgruppen informieren über Schule, Freizeit, Freunde. Wer nicht über Smartphone und Co. verfügt, hat Schwierigkeiten, diesem Informationsfluss zu folgen. Als „Verantwortungsbedachte Etablierte“ sieht Rosa die technischen Möglichkeiten als hilfreiches Mittel für Schule, Hausaufgaben und schnelle Kommunikation. Trotzdem sieht sie Gefahren und möchte sich von neuen Technologien nicht dominieren lassen. „Es ist jetzt nicht so, dass ich mein ganzes Leben im Internet teilen würde. Ich möchte eigentlich schon noch Privatsphäre haben, abgesehen vom Internet.“

Internet 2030 – Das Netz zieht sich zu

„Wir haben viele Entwicklungen mitgemacht aber heute geht es immer schneller. Man kann die Dinge kaum mehr begreifen“, blickt Anni nach vorne. „Was da online passiert ist unheimlich“, findet Rosa. Alles was man schreibt und ins Internet stellt, bleibt schließlich für immer da. Was mit diesen Daten passiert ist ungewiss. Diese Sorge teilt auch Johann: „Jede Kommunikation kann mitgelesen werden, die neuen Techniken eröffnen neue Wege für Kriminelle“, befürchtet er.

Früher traf man sich in Vereinen, heute kommt man in sozialen Netzwerken von überall auf der Welt zusammen. Schon heute „gehen“ wir nicht mehr in das Internet, wir leben bereits mit und in ihm. Die allumfassende Vernetzung schreitet kontinuierlich fort. „Immer früher verfangen wir uns im Netz des Internet“, findet Rosa.

Das Netz fängt nahezu alles ein, doch vieles geht auch verloren. Die Menschen kommen zwar einander näher, aber entfernen sich persönlich auch voneinander. „Es scheint, als habe niemand mehr Zeit für den anderen“, bemängelt Anni. „Ich glaube, dass die Menschen dadurch einsamer werden“, pflichtet ihr Johann bei.

Die Technologie breitet sich immer weiter aus und lässt die Grenzen zwischen Realität und Virtualität verschwinden. So erfasst das „Internet der Dinge“ alle Bereiche unseres Lebens, vernetzt sie und speichert sie ab. Darum erscheint das Internet 2030 kaum vorstellbar.

„Früher eigneten wir uns ein solides Grundwissen an. Heute findet sich auf jede Frage eine schnelle Antwort im Netz. Die Leute wissen nicht mehr wer sie sind, sie brauchen darüber auch nicht mehr nachzudenken“, bedauert Johann.

Das Internet hat jetzt schon eine wahnsinnige Entwicklung hinter sich und eine solche steht ihr noch bevor. Als Johann 1938 Abitur machte, lernte er erstmals Sender und Empfänger für Radios kennen. Heute bereitet sich jeder Abiturient selbstverständlich im Internet auf die Prüfungen vor. Das Internet erleichtert viele Aufgaben, macht vieles einfacher. Kommunikation und Wissensaustauch über die ganze Welt wird befördert. Das bietet viele Chancen.

Das Netz zieht sich immer weiter zu, alle Aspekte des Lebens finden online statt. Digitale Geräte übernehmen immer mehr Aufgaben für uns. Doch wir müssen digital souverän werden, über unsere Daten selbst bestimmen, damit uns das Internet nicht selbst bestimmt. Dazu brauchen wir einen gesunden, kritischen Umgang mit dieser Technologie. Denn sobald der Mensch sich nicht mehr als Mensch begreift, alles den Algorithmen überlässt, macht er sich letztlich selber überflüssig.

Dieser Artikel ist eine Gemeinschaftsarbeit von Stephan Raab und Oliver Wolff.

Titelbild: politik-digital.de licenced under CC BY SA 3.0

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