Titelbild: Data und Politics von Initiative D21/Schnittstelle Berlin  CC by 3.0Kann Big Data so benutzt werden, dass es eine Wahl entscheidet? Auf der von der Initiative D21 und Deloitte organisierten Veranstaltung „Data und Politics“ ging es genau um dieses heiß debattierte Thema. Denn im Hinblick auf die Bundestagswahl in diesem September blieben einige Fragen zum Wahlkampf bislang offen. Würde es diesmal wirklich digital werden?

Big Data. Ein Wort in aller Munde. Spätestens nach Trumps Wahlsieg auch mit Unsicherheit behaftet. Ein Versuch dieses Wahlergebnis in irgendeiner Form zu rechtfertigen. Da allein Unzufriedenheit und das Verlangen nach irgendeiner Art von Wandel bei BürgerInnen ja nun diesen Ausgang wirklich nicht erklären vermag, oder vielleicht doch? Aber wie kann man Big Data wirklich nutzen?

In den USA werden neben dem Nutzen von sozialen Medien auch Abermillionen von Emails geschrieben, in denen auch auf nicht so saubere Art für Stimmen geworben werden. Zwar werden dabei Daten genutzt, um die BürgerInnen persönlich zu kontaktieren. Dieses sind aber meist Kontaktdaten aus parteiinternen Datenbänken. Denn es scheint nach wie vor eine große Herausforderung zu sein, große Datenmengen effektiv zu nutzen.

Das Problem für die WahkämpferInnen ist, dass 80 % der Daten unstrukturiert sind. Nur 20 % seien daher vorerst brauchbar, aber diese müsse man erst einmal finden, meint Frank Pörschmann von Digital Analytics Association e.V. Das sei nicht einfach. Noch schwieriger sei es, sie dann zu analysieren, um sie beispielweise für einen Wahlkampf zu nutzen. Dabei spielen die richtigen Algorithmen eine entscheidende Rolle. Doch auch Algorithmen können keine Wunder vollbringen, schlussendlich sind sie immer noch vom Menschen konzipiert und aus einem Modell entstanden. Daher auch fehlerhaft und voreingenommen. Da Algorithmen bis dato nur nach Korrelationen suchen, aber die Kausalität und den Kontext nicht erkennen können, ist ihre Wirksamkeit derzeit noch fragwürdig.

Ausblick auf den deutschen Wahlkampf

Spielt Big Data für den Wahlkampf im September dann überhaupt eine Rolle? Deutsche Parteien unterstehen zum einen dem deutschen Datenschutzgesetz. An das muss sich gehalten werden. Im Wahlkampf gibt es dann nochmal spezielle Regeln. Beispielsweise können Parteien einige Wochen vor der Wahl die Melderegister der Wahlberechtigten einsehen. Aber mehr als Name, Alter oder gegebenenfalls Todestag steht da nicht drin. Daher eher nicht so nützlich.

Die Post Direkt bietet hingegen detaillierte Datensätze an. Die Reaktion der auf dem Podium vertretenen Parteien (CDU, SPD, Grüne, Die Linke) war einstimmig. Alle Wahlkampf-Manager erklärten, dass sie diese Daten nicht kaufen würden. Zum einen stellten sie die Nutzung und Effektivität der Daten in Frage. Zum anderen wiesen sie aber auch darauf, dass dies bei den deutschen WählerInnen nicht gut ankäme.

Einig waren die anwesenden parteiinternen Wahlkampfleiter oder Auftragnehmer von Agenturen der großen etablierten Parteien darin, dass der Wahlkampf hart geführt werden könne, dabei aber fair bleiben müsse. Ein schmutziger Wahlkampf sei unbedingt zu vermeiden. Die umfangreichste Selbstverpflichtung zur Fairness präsentierte Robert Heinrich von den Grünen: Dark Campaigning oder Posts, also die zielgruppenspezifische Ansprache, seien erlaubt, aber hier müsse klar erkennbar sein, welche Partei dahinter steckt. Zudem wollen die Grünen auf einer Seite alle Dark Posts einsehbar machen, damit auch die WählerInnen außerhalb der Zielgruppen einen Einblick haben. Außerdem solle man sich an deutschen Datenschutz halten, keine Social Bots benutzen oder Lügen verbreiten. Diese selbst auferlegten Regeln seien für die Grünen zwingend, wenn man glaubhaft als datenschutzsensible Partei agieren wolle, erklärte Heinrich, der die anderen Parteien aufrief, sich diesem Kodex anzuschließen.

Wie wird der Wahlkampf also aussehen, wo schmutzig schon mal ausgeschlossen ist? Der Wahlkampf der etablierten Parteien bleibe sauber, behaupten zumindest die Wahlkampf-Manager. Von anderen Parteien, aber auch aus dem Ausland erwarten jedoch alle Podiumsteilnemer, dass etwas passieren wird, nur was wisse man noch nicht.

Dennoch mit was können wir von den Parteien rechnen? Da der Wahlkampf seit Jahren immer professioneller wird, können wir einiges erwarten. Vor allem werden Soziale Medien stärker bespielt. Whatsapp, InstagramSnapchat, Tinder und Facebook und so weiter. Außerdem setzen gerade die größeren Parteien auf den Tür-zu-Tür-Wahlkampf. Online und vielleicht auch mit App organisiert, wie von der CDU bei der Saarländischen Wahl. Durch das föderale Prinzip der Parteien sei ein zentral durchgeplanter Wahlkampf nicht effektiv, meinte Dr. Stefan Hennewig, die Verbände vor Ort wüssten am besten, wo und wie man WählerInnen gewinnt.

Außerdem gibt es gute Gründe, die gegen einen reinen Online-Wahlkampf sprechen. Der sogenannte Straßenkampf, in dem man Plakate anderer Parteien verunstaltet, ist ein wahres Happening, das einfach dazu gehört, meint Pörschmann. Auch der Häuserkampf, wo Freiwillige von Tür zu Tür gehen und Brötchen verteilen ist bei weitem billiger und effektiver als Daten zu kaufen. Bei dem im Vergleich zu den USA kleinen Budget der Parteien sieht es also nicht danach aus, dass dieser Wandel so schnell vollzogen wird. Allerdings werden Online- und Offline-Wahlkämpfe immer enger verzahnt werden.

Durch den Online-Wahlkampf können die Parteien beispielsweise kreative Memes etc. schneller verbreiten. Daher müssen WahlkämpferInnen Trends in den sozialen Medien beobachten und schnell nutzen. Das Unternehmen Dataswarm, welches soziale Medien für Wahlprognosen analysiert, hatte in dem Zusammenhang angemerkt, dass vor allem emotional geladene Tweets und Memes immer noch am besten ankommen.

Ein schwieriges Thema für alle Parteien ist der Umgang mit Fake News. Die Grünen haben eine „grüne Netzfeuerwehr“ ins Leben gerufen, bei der Freiwillige gegen Falschnachrichten vorgehen, Ähnliches gibt es bei den andern Parteien. Allerdings ist das oft nutztlos, merkt Prof. Martin Grothe von der Complexium GmbH an: Die Richtigstellungen erreichen nur diejenigen, die sie auch sehen wollen – und damit viel weniger Menschen.

Den großen Wandel werden wir also auch diesmal nicht sehen. Da der klassische Wahlkampf auch ein soziales Happening ist, wird der Online-Wahlkampf mit der Nutzung von sozialen Medien den klassischen Wahlkampf ergänzen, ihn aber nicht ersetzen.

 

Titelbild: Data und Politics von Initiative D21/Schnittstelle Berlin CC by 3.0

v.l.n.r: Julius van de Laar, Mark Seibert (Wahlkampfleiter DIE LINKE), Robert Heinrich (Wahlkampfmanager Bundesgeschäftsstelle BÜNDNIS 90/DIE GRÜN), Mathias Richel (verantwortlich u. a. für Onlinewahlkampf SPD) und Dr. Stefan Hennewig (Leiter Bereich Kampagne und Marketing CDU).

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