Im Januar 2008 entscheiden die Hessen über ein neues Parlament in Wiesbaden, ihre Stimme können die Wähler dabei auf drei Wegen abgeben – wahrscheinlich. Am 27. Januar findet die hessische Landtagswahl in der klassischen Variante an der Urne statt, mancherorts hat das Briefwahlverfahren bereits begonnen und am 9. Januar fällt die Entscheidung, ob auch elektronische Wahlgeräte
genutzt werden können.

 

An jenem Mittwoch finden in einigen Kommunen
zwischen 8 und 18 Uhr Probewahlen statt, von deren Gelingen es abhängt,
ob die Wahlgeräte auch im Echtbetrieb am 27. Januar eingesetzt werden
dürfen.

Dieser “Probelauf” darf als Resultat der bundesweit und bisweilen leicht hysterisch geführten Diskussion um die Technologisierung von Wahlen gelten: im vergangenen Herbst hatte der Berliner Chaos Computer Club (CCC) im Auftrag des Bundesverfassungsgerichts einen Bericht
veröffentlicht, der die Manipulationsanfälligkeit von Wahlgeräten des
niederländischen Herstelles Nedap beschreibt. Geräte dieses Herstellers
sind auch in Deutschland zum Einsatz bei Bundestags-, Landtags- und
Kommunalwahlen zugelassen. Nach einem kurzen publizistischen
Wellenschlag beruhigte sich das Geschehen ein wenig, während die
Organisation der Landtagswahlen im Frühjahr 2008 seinen Lauf nahm und
Kommunen wie Langen, Bad Soden oder Obertshausen sich auf den Einsatz
der gemeindeeigenen oder angemieteten Wahlgeräte vorbereiteten. Dabei
könnte man eigentlich davon ausgehen, dass es sich hier eher um einen
Routinefall handelt und nicht um die Neuerfindung des Wählens:

“Mit Stand 2006 ist [in Deutschland] bereits mehr als 15 Millionen
Mal an elektronischen Wahlgeräten gewählt worden. In den Bundesländern
Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und
Sachsen-Anhalt sind bereits alle gesetzlichen Voraussetzungen zur Wahl
an elektronischen Wahlgeräten gegeben und – soweit dies notwendig war –
auch die Bauartzulassungen für Landtags- und Kommunalwahlen erteilt
worden. (…) So setzten zur Bundestagswahl 2002 bereits 29 Städte und
Gemeinden in insgesamt 1.400 Stimmbezirken elektronische Wahlgeräte
ein. Nach einer Statistik des Bundesinnenministeriums wurden bei der
Bundestagswahl 2005 dann schon 1.850 elektronische Wahlgeräte
eingesetzt, an denen 2,5 Millionen Wähler ihre Stimme abgegeben haben.
Bis zum Jahr 2006 hatten 65 Städte und Gemeinden elektronische
Wahlgeräte der Firma Nedap / HSG Wahlsysteme eingeführt. Zum Einsatz
kamen die Geräte im Jahr 2006 bei den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz
und Sachsen-Anhalt sowie bei der Kommunalwahl in Hessen und der
Oberbürgermeisterwahl in Cottbus.”

(aus: Christopher Harth: Die Diskussion um die Einführung von
elektronischen Wahlgeräten am Beispiel der Landtagswahl in Hessen.
Unveröff. Manuskript, 2007. S. 13; 22)

Dass das elektronische Wählen noch lange keinen Platz im
Standardrepertoire der demokratischen hat, zeigt auch ein Blick auf die
Informationsseiten zur hessischen Landtagswahl.
Das Innenministerium informiert zwar neben den obligatorischen
Hinweisen auf zugelassene Parteien, Wahlbewerber, Wahlkreise und
Wahlrecht auch über das Briefwahlverfahren und den Stimmzettel –
Möglichkeiten zur elektronischen Stimmabgabe werden jedoch nicht
erwähnt.

Erst ein genauerer Blick auf den Wahlerlass Nr. L 24
vom 6. Dezember (”Genehmigung der Verwendung von Wahlgeräten”) gibt
Aufschluss über die einzelnen Bestimmungen für den Wahltag und auch den
zuvor durchzuführenden Probelauf. Auch für Laien wird hier die
Komplexität des scheinbar so einfachen Prozesses der Wahl deutlich,
noch verstärkt durch die technologische Perspektive auf das Verfahren –
hier findet sich dann auch der Kern für die besondere
Kritikanfälligkeit gerade dieses Weges der Stimmabgabe.

Die Expertise zur Prüfung, ob das technische Setting nicht nur der
eigentlichen Aufgabe genügt, sondern auch fehler- und
fälschungsresistent ist, haben nur wenige, unter anderem die
Kabelsalatfreunde vom CCC. Die Vereinigung genießt inzwischen ein
solches Ansehen, dass sie den dringend notwendigen Diskurs um die
Technologisierung politischer Wahlen bis zur Beinahe-Erstickung
dominiert. Im Falle der hessischen Landtagswahl sind sämtliche
notwendigen gesetzlichen Bestimmungen zum Einsatz von Wahlgeräten
erfüllt, der Landeswahlleiter hat seine Zustimmung – wenngleich unter
Auflagen – erteilt und doch wird die modernste Form der Stimmabgabe von
einer enormen Skepsis umgeben. Man darf nicht nur, man muss gespannt
sein, inwiefern die Probeläufe und erst recht der Einsatz am Wahltag
als Plattform für eine technologische Fundamentalkritik genutzt werden,
die interessanter Weise aus der “Technik-Ecke” selbst kommt.

Im Falle des Hamburger Wahlstiftes
hat die Lobby-”Arbyte”
des CCC bereits dazu geführt, dass dieser Modernisierungsversuch so
kurz vor der Wahl zur Bürgerschaft abgebrochen wurde, dass der
öffentlichen Hand nicht unerhebliche finanzielle Verluste enstehen, das
Fehlen mehrerer Tausend Wahlhelfer droht und darüberhinaus ganz analoge
Sicherheitslücken bei der Stimmauszählung die Folge sein dürften.

Fortsetzung folgt.

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