In Zeiten von Corona schlägt die Stunde der Verschwörungstheoretiker_innen. Und wo Verschwörungen, dunkle Mächte und existenzielle Bedrohungen vermutet werden, sind Hass, Hetze und persönliche Attacken oft nicht weit.

Welche Strategien gibt es für den Umgang mit dem Hass im Netz? Wie schützt man sich? Was ist Hate Speech eigentlich, wo fängt der Hass an? Was muss man hinnehmen, wann sollte man sich wehren? Diese Punkte – und die grundsätzliche Frage, was wir als Gesellschaft tun müssen, um zu verhindern, dass der Hass im Netz demokratische Werte und Prozesse bedroht, standen im Mittelpunkt des zweiten Jour Fixes der Debate Academy @ Youtube.

Fest steht: Während die Täter meist anonym bleiben, hat der Hass im Netz für die Betroffenen reale und oft schwerwiegende Folgen. Die Bundestagsabgeordnete Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen), der Generalsekretär der SPD, Lars Klingbeil, die Youtuberin Diana zur Löwen, und der Journalist Richard Gutjahr – alle wurden sie bereits zu Opfern von Hate Speech und mussten dessen Auswirkungen hautnah erleben.

In seinem Impulsvortrag verwies Richard Gutjahr auf die gesellschaftliche Dimension auf der einen, und die Verantwortung der Plattformen auf der anderen Seite. Die Ereignisse der letzten Corona-Wochen hätten deutlich gezeigt, dass die Pandemie ein “Stresstest” für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft sei. Gutjahrs These: Corona und seine Folgen haben den gesellschaftlichen Wandel um fünf bis zehn Jahre beschleunigt. Die Menschen könnten nun deutlich spüren, dass wir am Anfang einer neuen Epoche stehen. Und wenn alte Lebensentwürfe und Wahrheiten plötzlich nichts mehr wert sind, dann stelle sich schnell das Gefühl des Bedeutungsverlusts ein. Eine Gruppe, die mit diesem Bedeutungsverlust besonders schwer zu kämpfen habe, seien alte weiße Männer. Im Netz hätten sie einen Platz gefunden, ihren Frust kundzutun.

Gegen wen richtet sich nun der Hass im Netz? Renate Künast und Lars Klingbeil sind sich einig, dass vor allem Frauen auf massive Weise davon betroffen sind. Viele Analysen würden belegen, dass Frauenhass, neben rassistischen, antisemitischen und homophoben Ideologien, eine große Rolle bei Hate Speech spielt. Dennoch: auch Klingbeil geriet zuletzt in das Visier von Internet-Hetzern, weil er sich kritisch zu Xavier Naidoo, Atilla Hildmann und Ken Jebsen geäußert hatte. Derzeit sei es kaum möglich, seine Meinung im Netz kundzutun, ohne massiv dafür kritisiert zu werden, sagt er. Klingbeil glaubt aber: „Es hat sich lediglich die Betreffzeile geändert, die Absender sind die gleichen wie damals bei der Flüchtlingskrise oder bei den Klimaschutzmaßnahmen.“ Er ist sich sicher: „Die Vernünftigen im Netz sind in der Mehrzahl. Leider sind sie nicht die Lautesten.“

Auch Diana zur Löwen beobachtet bei ihren Followern eine besorgniserregende Tendenz. Sie bekomme immer öfter krude Verschwörungserzählungen weitergeleitet. Das Vertrauen in die klassischen Medien sei in der Corona-Krise gesunken. Trotzdem ist zur Löwen ihren Followern dankbar. Nachdem sie wegen ihres Afrika-Videos einen massiven Shitstorm erleben musste, hätten ihre Follower sie unterstützt: „Ich habe mich entschuldigt, daraus gelernt, und meine Community war extrem supportive.“

Wie also umgehen mit dem Hass im Netz? Künast findet: „Schon drei Tage ohne Social Media Aktivitäten ist doch wie Urlaub. Da muss man gar nicht mehr wegfahren.“ Und auch Klingbeil und Gutjahr lassen sich nicht einschüchtern, sie lesen einfach nicht mehr jede Nachricht, die sie bekommen. Eine Selbstzensur liegt Klingbeil aber fern. Er kenne zwar Fälle von Kolleg_innen, die irgendwann einfach keine Kraft mehr hätten – „zum Beispiel nach dem Galgen oder den Patronenhülsen im Briefkasten“ – aber er kämpfe weiter. Gutjahr rät außerdem: „Alles was strafrechtlich relevant ist, sollte man sofort zur Anzeige bringen.“

Doch was, wenn man als Privatperson von Hass im Netz betroffen ist? Diese Organisationen und Gruppen engagieren sich gegen Hate Speech und können weiterhelfen:

Am 22. Juni geht es mit der Debate Academy @ Youtube weiter. Dieses Mal mit dem spannenden Titel: „Gegen den Rest der Welt – Für eine bessere Welt”. Die Debate Academy @ Youtube lädt ihr Publikum zur digitalen Beteiligung ein. Im Youtube-Chat und auf der Plattform slido können parallel zum Livestream Fragen an die Teilnehmenden gestellt werden. Außerdem kann auf Twitter der hashtag #debateacademy verwendet werden.

Bilder: Mathias Vietmeier, Laurence Chaperon, Tobias Koch, Leah Smyra