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Inklusion ist ein Konzept, bei dem es grob gesagt um gleichberechtigte Teilhabe aller an allen gesellschaftlichen Bereichen geht. Als “Schlagwort” ist es in den letzten Jahren auch im Zusammenhang mit Chancen der Digitalisierung populär geworden. Was aber ist Inklusion eigentlich genau? Welche Konzepte verbergen sich dahinter und welche Veränderungen ergeben sich seit Aufkommen des “Digitalen”? Diese Fragen sind der Anlass für eine Artikelreihe, in der wir uns verschiedenen Dimensionen von digitaler und nicht digitaler “Inklusion” anschauen, um einem zeitgemäßen Inklusionsbegriff näher zu kommen.

Wenn man von einer intuitiven Beschreibung hin zu einer treffenden Definition will, merkt man schnell, dass “Inklusion” sehr Verschiedenes und teils Widersprüchliches meint. Allgemein betrachtet zielt Inklusion darauf ab, alle möglichen Dimensionen menschlicher Vielfalt wie Gender, Alter, Kultur, sozialer Status oder körperlich-geistige Verfassung anzunehmen und dabei aufkommende Hürden zu bewältigen. Inklusions-Konzepte möchten anerkennen, dass für verschiedene Gruppen verschiedene Herausforderungen bestehen. Dabei wird “Inklusion” oft normativ als ein Ziel verstanden, an das es anzukommen gilt. Diese Konzeption limitiert den Begriff aber auf einen erreichbaren Idealzustand und lässt außer Acht, dass es sich bei Inklusion letztlich vielmehr um einen dynamischen Prozess handelt. Versteht man Inklusion als gesellschaftlichen Prozess, geht es dabei um eine kontinuierliche Aushandlung von Einstellungen und Handlungen einer Gesellschaft, einschließlich ihrer politischen Institutionen, gegenüber bestimmten Gruppen.

Inklusion und das Digitale

Durch die digitale Revolution sind neue Formen der Teilhabe entstanden, doch haben haben nicht alle gesellschaftliche Gruppen gleich davon profitiert. Die digitale Inklusion ist ein relativ neuer Begriff, der in diesem Kontext entstanden ist. Der Kommunikationswissenschaftler und Bildungsforscher Bastian Pelka differenziert in seinem Vortrag zwischen Inklusion mit digitalen Medien und Inklusion in die digitale Gesellschaft. Dabei unterscheidet er zwei Ebenen. Zum einen die Möglichkeiten zur Gestaltung von Inklusion, die sich durch die digitale Medien geöffnet haben, zum anderen aber die gesamtgesellschaftliche Veränderung, die die digitale Revolution hervorgebracht hat. Die Fragen, die aufkommen, sind: welchen Missständen hat sie entgegengewirkt, welche verschärft und wie können neue technologische Errungenschaften inklusiv genutzt werden?

Inklusion, Integration, Partizipation – was nun?

Oft wird “Barrierefreiheit“ als zentraler Bestandteil von Inklusion angebracht. Barrierefreiheit bedeutet die Gestaltung der Umwelt, sodass sie von allen Menschen ohne zusätzliche Hilfen genutzt werden kann. Der Begriff der digitalen Barrierefreiheit überträgt das Prinzip auf den digitalen Raum. Barrierefreiheit meint nicht nur bauliche Maßnahmen, sondern kann auch der Auftritt einer Webseite in leichter Sprache sein. Oft wird der Begriff Inklusion als Gegenentwurf verwendet, wenn von Exklusion im Sinne von mangelnder Teilhabe am gesellschaftlichen Leben oder fehlender politischer Partizipation die Rede ist. Bei der Antwort auf exkludierende Ausgangssituationen muss zwischen Inklusion und Integration unterschieden werden. Während es bei Integration darum geht, dass Menschen in eine vermeintlich homogene Gruppe integriert werden, versteht sich Inklusion als Schritt hin zu einer Gesellschaft, die Vielfalt anerkennt und lebt. Die Betonung liegt immer auf der Abkehr von der normativen Vorstellung eines einheitlichen Ideals, hin zu einer Vorstellung, die menschliche Vielfalt akzeptiert. Dieses Prinzip gilt erstmal für alle Gruppen, die von der Norm abweichen, doch erfahren manche Gruppen mehr gesellschaftliche Barrieren als andere. Deshalb wird der Begriff vermehrt in Bezug auf Menschen mit Behinderungen verwendet.

Rechtliche Lage für Menschen mit Behinderungen

In den letzten Jahren gab es einige rechtliche Meilensteine, die das Leben von Menschen mit Behinderungen stark beeinflusst haben. Auch medial ist das Thema präsenter geworden. Das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) wurde 2002 erlassen und soll die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am gesellschaftlichen Leben ermöglichen. Die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) ergänzt das BGG: seit 2006 müssen alle Internetauftritte des Bundes barrierefrei sein. Doch gelten beide Gesetze nur für staatliche Institutionen wie Behörden und Ämter, der verbleibende öffentliche und private Raum ist nicht reguliert.

Auf internationaler Ebene gibt es die UN-Behindertenrechtskonvention, die Ende 2006 von den Vereinten Nationen (UN) verabschiedet wurde. 2009 trat sie in Deutschland in Kraft. Inklusion ist seitdem ein Menschenrecht. Das bedeutet, dass jede/r das Recht auf gesellschaftliche Teilhabe in allen Bereichen hat. Die Konvention sieht vor, dass Kinder mit und ohne Behinderungen nach Möglichkeit nicht mehr in separaten Institutionen unterrichtet werden. Seitdem wird das Thema häufiger öffentlich thematisiert und ist zu einem entscheidenden Wahlkampfthema geworden. Im Fokus steht dabei meist die Überforderung der Schulen und eine nicht ausreichende Finanzierung. Sind solche strukturelle Veränderungen, das was es braucht um inklusive Prozesse zu fördern? Oder geht es am Ende nicht auch um eine Frage der Haltung?

Die digitale Revolution hat die Gesellschaft verändert. Wenn zeitgemäße Inklusion nicht etwas ist, an dem eine Gesellschaft ‚ankommen‘ kann, sondern ein kontinuierlicher Prozess,  steht nun zwingend die Frage im Raum, wie dieser digitale Wandel für verschiedene Gruppen gestaltet werden kann. Diese Artikelreihe versucht verschiedene Dimensionen und deren Gestaltungsmöglichkeiten von zeitgemäßer Inklusion zu greifen. Wie können inklusive Räume heutzutage aussehen? Kann man überhaupt von ‚digitaler Inklusion’ reden? Welches inklusive Potential haben digitale Medien in und außerhalb der Schule? Und welche Rolle spielen Staat und Gesellschaft bei der Inklusion?

Im zweiten Teil haben wir uns über barrierefreie Kommunikation unterhalten. Im dritten Teil haben wir das PIKSL-Projekt vorgestellt.

Titelbild, by geralt on pixabay.com // CC0 Public Domain, Eigene Bearbeitung

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