Wahlplakate Sarkozy, HollandeNach intensiven Wahlkampf-Wochen in Frankreich ist es an der Zeit, Bilanz zu ziehen: Während das Internet als Kampagnen-Kanal an Bedeutung gewonnen hat, spielten auch klassische Wahlkampfinstrumente weiterhin eine wichtige Rolle.

Eines ist schon jetzt sicher: Kein Wahlkampf in Frankreich stand bislang so sehr im Zeichen des Internet wie jener des Jahres 2012. Seit der vorherigen Präsidentschaftswahl vor fünf Jahren hat sich die französische Online-Landschaft in der Tat grundlegend gewandelt – und mit ihr die Art und Weise, Wahlkampf zu führen. Während etwa der Microblogging-Dienst Twitter erst 2006 gegründet wurde und damit im vergangenen Wahlkampf keine Rolle spielte, ergibt sich fünf Jahre später ein völlig anderes Bild: Mit 5,2 Millionen Mitgliedern in Frankreich kann sich kein Kandidat mehr erlauben, in seiner Kampagne auf Twitter zu verzichten. Dies gilt in noch stärkerem Maße für Facebook, denn seit 2007 hat sich die Anzahl der französischen Nutzer von einer Million auf etwa 23 Millionen erhöht.

Deshalb erscheint es nur konsequent, dass alle Kandidaten auf die sozialen Netzwerke setzten und nicht mehr auf die „blogosphère“ wie noch 2007. Als amtierender Präsident hat Sarkozy die meisten Fans auf Facebook vorzuweisen und funktionierte seinen Auftritt kurzerhand in ein Wahlkampfinstrument mit vielen Abonnenten (625.000) um. Diese bekamen regelmäßig Informationen über den Verlauf der Kampagne und die Wahlkampftermine. Mit dem offiziellen Start von Sarkozys Wahlkampf kam schließlich auch ein Twitter-Konto hinzu, das sein Hauptkonkurrent François Hollande zu diesem Zeitpunkt bereits eingerichtet hatte. Insgesamt ging es dabei weniger um das Entwickeln neuer Argumente, als vielmehr um das Festigen und Verteidigen eingenommener Positionen.

Fernsehen als Informationskanal vorne, Webkampagnen  nicht wahlentscheidend

Wenngleich die französischen Präsidentschaftskandidaten versuchten, ihre Wähler verstärkt über Facebook und Co. anzusprechen, bleibt das Fernsehen laut einer Studie des Umfrageinstituts CSA trotzdem das bevorzugte Informationsmedium der Franzosen während dieser Wahl. Dies hat nicht zuletzt das gestrige TV-Duell zwischen Hollande und Sarkozy gezeigt, das über 17 Millionen Zuschauer verfolgten. Das Fernsehen diente insgesamt 74 Prozent der französischen Wähler als wichtigste Informationsquelle, während nur etwa 40 Prozent das Internet hierbei angeben. Die Newsseiten der großen Anbieter wie Yahoo, Google oder Orange sowie die Online-Auftritte etablierter Leitmedien wie Lemonde.fr oder Lefigaro.fr waren dabei mit Abstand die am meisten abgerufenen Adressen. Nur ein kleiner Teil der Wähler beschaffte sich dagegen vorwiegend via Facebook, Twitter und Co. (15 Prozent) oder über die Kandidaten-Webseiten (10 Prozent) die notwendigen Informationen. Somit dürfte auch die erhoffte Beeinflussung der Wahlabsichten gering bleiben, welche die Kandidaten hierdurch erreichen wollen. In jedem Falle war die Webkampagne damit nicht wahlentscheidend.

Dennoch wäre es ein Fehler, die Rolle des Internet und der Onlinemedien als unerheblich zu qualifizieren – schließlich findet das Teilen von Informationen vorwiegend im privaten Rahmen statt, was die Nutzer umso empfänglicher für die Standpunkte ihrer „Online-Freunde“ macht. Dies wissen auch die Macher der Kandidatenwebsites wie Manuel Diaz, Manuel Diaz, seines Zeichens Chef der Webagentur Emakina, die Sarkozys Online-Auftritte realisierte. Diaz stellte dabei das „Storytelling“ in den Mittelpunkt von Sarkozys Webauftritten. Dabei ging es in erster Linie darum, den Nutzern Eindrücke und Stimmungen von der Kampagne zu liefern und diese mit Zitaten, markanten Sprüchen, Videoausschnitten und Bildern anzureichern. Allein deshalb gehört das regelmäßige Posten von Informationen zur Pflicht für alle Bewerber um das Präsidentenamt. Doch die Online-Auftritte der Kandidaten dienten auch als effizientes Mittel, um interne Wahlkampfaktionen zu koordinieren.

François Hollande, der verstärkt auf klassische Wahlkampfmobilisierung wie das direkte Werben um Wählerstimmen an der Haustüre setzte, organisierte eben diese über das Internet und orientierte sich damit an Obamas erfolgreicher Strategie aus dem Jahr 2008. Hollande griff zudem mit Direkt-E-Mailing auf ein seit langem bewährtes Mittel zurück und hatte damit großen Erfolg: Etwa eine Million Abonnenten empfingen täglich E-Mails von Hollandes Wahlkampfteam, was dem Sozialist erlaubte, in ständigem und direkten Kontakt mit seinen Wahlkämpfern vor Ort zu stehen. Zwar ist das Sammeln von E-Mail-Adressen und das Verschicken von Newslettern alles andere als ein Novum, jedoch gelang es keinem anderen Kandidaten auch nur annähernd, an die Anzahl der direkten Kontakte von Hollande anzuknüpfen. Ein Beispiel: Nicolas Sarkozys Webteam verfügt über lediglich 200.000 Mailkontakte und bleibt damit weit hinter Hollande zurück. Der Verantwortliche von Sarkozys Webkampagne von 2007, Arnaud Dassier, sieht als Hauptgrund für dieses Problem die späte Ankündigung von Sarkozys Kandidatur Mitte Februar und fügt ironisch hinzu: „Das ist ein bisschen spät, um mit dem Sammeln von Adressen zu beginnen“. Hollande begann hiermit bereits im Sommer 2011.

Online- und Offline-Maßnahmen zusammen prägen das Bild der Kandidaten

Allerdings hat sich in diesem Wahlkampf auch gezeigt, dass das Internet den Kandidaten nicht nur in eigener Sache dient, sondern es auch zunehmend zur Disqualifizierung und zum „Fakten-Checking“ genutzt wird. Unvergessen bleibt etwa der Coup von jungen Sarkozy-Unterstützern, die sich frühzeitig eine Domain mit dem zentralen Wahlkampfslogan François Hollandes („lechangementcestmaintenant.fr“) sicherten, um hierauf das Wahlprogramm des Sozialisten zu diskreditieren. Zudem erfreuten sich Seiten wie „Vigie 2012.fr“ oder „itele.owni.fr“ großer Beliebtheit, auf denen die Nutzer den Wahrheitsgehalt der Aussagen aller Kandidaten zu bestimmten Themen (z.B. Europa) überprüfen konnten.

Als besonders effektiv erwiesen sich jedoch erst die parallele Nutzung mehrerer Wahlkampfkanäle: Zum einen spielten die klassischen „Meetings“ eine wichtige Rolle, welche die Kandidaten mit Hilfe ihrer Webteams online gekonnt in Szene setzten und damit – wie im Falle von Twitter – vor allem Journalisten ansprechen konnten. Dass das Internet alleine wenig, im Zusammenspiel mit klassischen Wahlkampfinstrumenten aber doch viel bewegen kann, bestätigte auch die bereits erwähnten CSA-Studie: so glauben etwa 58 Prozent der französischen Wähler, dass das Internet die Präsenz der Kandidaten nicht verbesserte, und 44 Prozent geben an, dass sich die Themen der Kampagne nicht über das Web beeinflussen lassen. Allerdings vermuten 38 Prozent der Franzosen, dass sich das Internet positiv auf die politischen Wahldebatten auswirkte.