a_b_reliefAm 13. Februar 2014 entscheidet der Bundestag über die Einsetzung eines Ausschusses, der netzpolitische Fragen beraten soll. Damit reagiert das Parlament auf Forderungen nach einer stärkeren institutionellen Verankerung des Themas. Was das Gremium leisten kann, hängt jedoch von vielen Faktoren ab.
Die Diskussion um die angemessene institutionelle Repräsentation netzpolitischer Fragestellungen in Bundestag und -regierung wird spätestens seit der Enquete-Kommission “Internet und digitale Gesellschaft” intensiv geführt. Daraus ging bei den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD nach der Bundestagswahl 2013 zunächst die Unterarbeitsgruppe “Digitale Agenda” als Verhandlungsforum hervor. Die Frage, ob die zunehmende Profilierung des Politikfelds am Ende durch ein eigenes Ressort oder einen Staatsminister im Bundeskanzleramt gewissermaßen gekrönt wird, wurde dort allerdings nicht entschieden.
Wie es die Logik des politischen Verhandelns verlangt, waren dabei Ansprüche der an der Großen Koalition beteiligten Parteien zu berücksichtigen. Am Ende blieben die Kompetenzen bei bislang zuständigen Ministerien und wurden sogar auf ein weiteres (das CSU-geführte Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur) aufgeteilt. Das Ergebnis ist eine zersplitterte Matrix von netzpolitischen Kompetenzzuschreibungen insbesondere auf der Ebene der Staatssekretärspositionen, die mit Dorothee Bär (CSU, Parlamentarische Staatssekretärin für die Digitale Infrastruktur im Verkehrsministerium) und Ulrich Kelber (SPD, Staatssekretär im Justiz- und Verbraucherschutzministerium und für den Bereich Verbraucherschutz zuständig) sowie Brigitte Zypries (SPD, Parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsressort) prominent besetzt wurden. Diese Konstellation spiegelt sich in der parlamentarischen Zuständigkeit der verschiedenen Fachausschüsse in den betreffenden Ressorts wider.
Auf einen netzpolitischen Querschnitts-Ausschuss wollten die Koalitionspartner trotzdem nicht verzichten. Dessen Konstruktion war umstritten, so dass er als einziger nicht mit den anderen 22 Bundestagsausschüssen eingesetzt wurde. Und dessen Konstruktion bleibt umstritten, denn der 16-köpfige Ausschuss “Digitale Agenda” wird “in der Regel mitberatend tätig werden” (Bundestags-Drucksache 18/482 vom 11.2.2014).
Was dies für die parlamentarische Praxis der Durchsetzung von Interessen im Detail bedeutet, ist die spannende Frage. Auf jeden Fall steht der Netzpolitik-Ausschuss in einem hierarchischen Abhängigkeitsverhältnis zu den federführenden Fachausschüssen, was den Informationsfluss im Gesetzgebungsprozess betrifft: Ob und wie der jeweils federführende Ausschuss die Stellungnahme eines mitberatenden Ausschusses berücksichtigt, bleibt dem federführenden Ausschuss überlassen. Ob dieser Verfahrensweg den Ausschuss “Digitale Agenda” ins Abseits führt, hängt jedoch von weiteren, eher informellen Faktoren ab.
Zunächst kann der Ausschuss durch Expertise überzeugen. Er wird nämlich die in der Tat kompetenten Netzpolitiker der verschiedenen Fraktionen versammeln, die sich auch in der Enquete-Kommission “Internet und digitale Gesellschaft” schon gelegentlich gegenüber dem Rest des Parlaments fraktionsübergreifend einig waren. Und es bei der Einsetzung des Internetausschusses zumindest in soweit sind, dass ein gemeinsamer Antrag zustande kam. Um aus dieser Konstellation einen Vorteil bei der Einflussnahme auf Entscheidungen zu machen, bedarf es aber der Ressource “Macht”. Auch in diesem Feld sind die Voraussetzungen nicht ganz schlecht: Mit der Konstituierung des 18. Deutschen Bundestages sind die bislang eher randständigen Netzpolitiker näher an die Entscheidungszentren in der Regierung, den Fraktionen sowie den Parteien gerückt. Mitglieder der Unterarbeitsgruppe “Digitale Agenda” der schwarz-roten Koalitionsverhandlungen sind als Staatssekretärinnen (Bär und Zypries), im Fraktionsvorstand (Nadine Schön von der CDU) sowie als Generalsekretär der CDU (Peter Tauber) tätig. Und bei der Opposition ist beispielsweise der netzpolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Konstantin von Notz, zum stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden gewählt worden. Schließlich hat wohl auch die öffentliche Aufmerksamkeit für den NSA-Skandal den Stellenwert der Netzpolitiker im fraktionsinternen Ranking insgesamt verbessert. Nun kommt es darauf an, was die Beteiligten daraus machen.
Bild: (bearbeitet, Originalbilder) Jürg Stuker (CC BY-NC-SA 2.0), nagell (CC BY-NC-SA 2.0)
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