Am 23. und 24. Juni fand im Berliner Congress Center der 3. Zukunftskongress Staat & Verwaltung statt. Unter Schirmherrschaft des Innenministers Thomas de Mazière diskutierten Vertreter aus Verwaltung, Wirtschaft und Politik frei nach dem diesjährigen Motto über „Staat & Gesellschaft in der Digitalen Revolution“. Dabei wurde schnell deutlich: Innerhalb des deutschen Verwaltungsapparats gibt es tolle Digitalisierungsprojekte. Die überwiegende Mehrheit ist aber thematisch und regional stark eingegrenzt. Nur am Rande kam zur Sprache, dass Digitalisierungsprozesse zunächst mit Ausgaben und erhöhtem Personalaufwand verbunden sind.
Eine gute Übersicht über richtungsweisende Projekte bei der Verwaltungsdigitalisierung bot die Preisverleihung des eGovernment-Wettbewerbs, zu dem auch Behörden aus Österreich und der Schweiz zugelassen sind. Wer sich hierzulande schon mit dem Ausfüllen eines Antrags für Kindergeld beschäftigt hat, wird das Projekt des Bundesfinanzministeriums Österreichs zu schätzen wissen. Die mit dem Kindergeld in Deutschland vergleichbare Familienbeihilfe wird antraglos bei Geburt eines Kindes gewährt. „Nicht mehr die Bürger sollen laufen, sondern die Daten.“ Ein kluger Gedanke, der sich allerdings noch nicht überall herumgesprochen hat.
Mit dem besten digitalen Gesamtangebot einer Kommune kann Hamburg aufwarten. Dass die Umstellung auf digitalisierte Prozesse langfristig Einsparungen mit sich bringen kann, beweist die Hansestadt eindrucksvoll. Trotz 15.000 Neu-Hamburgern und 1400 Unternehmensansiedlungen pro Jahr konnten 250 Stellen in der Verwaltung abgebaut werden. Das sollte für viele andere Städte beispielgebend sein, doch mangele es laut der Beauftragten des Bundes für Informationstechnik Rogall-Grothe häufig an der notwendigen Breitenwirkung dieser Projekte.
Verwaltungsdigitalisierung bedeutet zunächst Mehrinvestitionen
Die vom Hamburger Finanzsenator genannten Zahlen lassen Kämmerer und Finanzminister bundesweit vermutlich mit den Zungen schnalzen. Derlei Rechenexempel lassen laut Alexander Haas, politischer Referent für E-Government beim DGB, zu häufig ein großes Missverständnis entstehen. Die Transformation zu einer digitalisierten Verwaltung koste zuerst einmal Geld. Um beispielsweise Mitarbeiter für Weiterbildungen abstellen zu können, brauche es ausreichend Personal. Die während des Kongresses immer wieder zitierten Widerstände bei Verwaltungsbeschäftigten hält Haas für ein Symptom mangelhaften Projektmanagements: „Da wird oft nicht erkannt, welch zentrale Rolle der Mensch im Modernisierungsprozess spielt und wie mittels umfassender Beteiligung der Beschäftigten auch der Projekterfolg gesichert werden kann.“
Thomas Langkabel von Microsoft schlug auf politik-digital.de in die gleiche Kerbe. „Es ist zu wenig, was getan wird, um diesen Kompetenzträgern [den Verwaltungsmitarbeitern] das nötige Rüstzeug mit an die Hand zu geben.“ Schlecht geplante Modernisierungsprozesse hätten in der Vergangenheit das Vertrauen der Mitarbeiter beschädigt, weshalb es für Haas auch unabdingbar für weitere Modernisierungsprojekte ist, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Zwar verspricht die Bundesregierung im Regierungsprogramm „Digitale Verwaltung 2020“, „die Beschäftigten frühzeitig in den Kulturwandel ein[zu]beziehen, um ihn mitgestalten zu können“, doch ist das in der Realität selten zu sehen.
Der DGB fordert, in beratender Funktion in die Ressortarbeitsgruppe einbezogen zu werden, die die Umsetzung des Regierungsprogramms steuert. Noch ist dieser Bitte nicht entsprochen worden „Wir werden bisher zweimal im Jahr gesondert informiert und erfahrungsgemäß sind dann die wesentlichen Diskussionen gelaufen“, moniert Haas. In Hamburg sei man da schon ein ganzes Stück weiter. Dort handelt der DGB als Spitzenorganisation der Gewerkschaften mit der Landesregierung Vereinbarungen z. B. zu landesweiten IT-Modernisierungsprojekten aus. Nur durch Einbeziehung aller Beteiligten könne der von der Bundesregierung erstrebte Kulturwandel auch erreicht werden.
Trotz Digitalisierung: Der Mensch ist der Schlüssel
Der diesjährige Kongress war allerdings hauptsächlich von Vertretern aus Wirtschaft, Politik und Verwaltungsführung geprägt. Die Bedürfnisse der Bürger wurden nur am Rande angesprochen. So forderte der Institutsleiter im Frauenhofer FOKUS Manfred Hauswirth, nach Vorbild Österreichs „Digital by Default“ einzuführen. Bürger können dann z. B. nicht mehr zwischen einem klassischen Behördengang und dem elektronischen Antragsformular auswählen, sondern bekämen die Technik aufoktroyiert. Der Ansatz erscheint finanziell äußerst attraktiv, übergeht er doch die Übergangsphase mit zwei nebeneinander existierenden Verfahren. Dabei wird gerne übersehen, dass viele Bürger mit den Entwicklungen nicht mehr mithalten können. Der Zugang zu diversen Bürgerservices wird so für einige zu einem Buch mit sieben Siegeln.
Um solchen Entwicklungen entgegenzutreten, will sich der DGB auf dem Zukunftskongress weiterhin stark als institutioneller Partner präsentieren. Für Alexander Haas besteht die Hauptaufgabe darin, den anwesenden IT-Gestaltern in Erinnerung zu rufen, dass der Mensch im Mittelpunkt steht, nicht die Technik. Lösungen, die an einer Stelle funktionieren, tun das an anderer Stelle nicht zwangsläufig. Ein Beispiel: Mobile Endgeräte in Behörden führen in einigen Fällen zu flexiblerem Zeitmanagement und damit einer erhöhten Vereinbarkeit von Beruf und Familie. In anderen Fällen wird es dadurch unmöglich, die Arbeit nach Feierabend auszublenden. Was wie eine Selbstverständlichkeit klingt, geriet auf dem diesjährigen Kongress zu oft in den Hintergrund. Trotzdem erfüllte die Veranstaltung ihren Auftrag als Ideengeber für Verwaltungsmitarbeiter aus ganz Deutschland. Sollten neue Modernisierungsprojekte dann auch alle Beteiligten mitnehmen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass diese auch gelingen und das Leben von Verwaltung und Bürgern deutlich erleichtern. Und sparen vermutlich irgendwann auch Geld.
Bild: politik-digital.de