Digitale SpracheIn Zeiten der allumfassenden Konnektivität durch digitale soziale Netzwerke und der damit gesteigerten Kommunikations- und Interaktionsmöglichkeiten stellt sich die Frage, wie dies die Sprache und Kommunikation zwischen Empfänger und Sender im Allgemeinen beeinflusst hat. Zweifelsohne kommt es durch die hohe Dichte an virtuellen Interaktionen auch zu veränderten sprachlichen Formen. Das ist nicht zuletzt deshalb spannend, weil die Art und Weise, wie wir miteinander kommunizieren, unsere Welt konstituiert.

Sprachliche Charakteristiken

Die Sprache in den sozialen Netzwerken ist auffallend von Verkürzungen und Auslassungen geprägt und das Geschriebene wird immer informeller. So hat die Umgangssprache nicht nur in der mündlichen Interaktion ihren festen Platz, sondern vermehrt auch in der schriftlichen Kommunikation. Zu diesem Wandel haben besonders WhatsApp und ähnliche Kommunikationsdienste beigetragen, wo es auf schnelle Antworten ankommt. Charakteristisch für solch digitale Kommunikationsformen ist daher eine einfache, aber prägnante Ausdrucksweise. Die Kommunikation verläuft so oftmals eher in Fragmenten als in ganzen Sätzen, damit das Intendierte kurz und bündig auf den Punkt gebracht werden kann. Die dabei vorkommenden Ellipsen – also das Auslassen von Wörtern in Sätzen – seien nicht als Anzeichen für grammatikalisch falsche oder unvollständige Sätze zu bewerten, sondern als Ausdruck einer „ökonomischen Produktionsstrategie“, meint Prof. Dr. Beißwenger von der Universität Duisburg-Essen. Die Germanistik-Professorin Angelika Storrer spricht hier von einer „interaktionsorientierten Schreibhaltung“: Die laufende Interaktion ist zumal wichtiger als das geschriebene Produkt selbst.

Augenfällig ist die Verwendung von Anglizismen – besonders unter Jugendlichen. Auch die Zeichensetzung hat teilweise ihre ursprüngliche hochdeutsche Verwendungsweise eingebüßt: Der Punkt am Ende eines Satzes wird beispielsweise nur noch sporadisch verwendet. Stattdessen schmücken wir das Ende unserer schriftlichen Botschaften mit einem oder gleich mehreren Smileys. Wenn dann doch einmal der Punkt zum Einsatz kommt, nimmt er nun eine andere pragmatische Bedeutung an: „Der Schlusspunkt wird nicht mehr grammatikalisch verstanden, sondern als Signal für Aggression, schlechte Laune, Überdruss. Einen Punkt machen heißt: Mich nervt der Gesprächsverlauf, ich will das Thema hiermit beenden. Diese Verwendungsweise ist hochsprachlich weder erfasst noch vorgesehen”, erläutert Prof. Dr. Janis Androutsopoulos von der Universität Hamburg.

Kommunikation mit Bildern

Nun stellt sich die Frage, ob der Wandel der Sprache durch die digitale Kommunikation zu einer Simplifizierung führt. Der Sprachwissenschaftler Michael Beißwenger nimmt dabei eine optimistische Sichtweise auf die kommunikativen Veränderungen ein: Sprache stehe immer im Dienst der Sprecher. Dass die Sprache sich so verändere, dass sie weniger leiste als vorher, sei also nicht anzunehmen. Beispielsweise würde die Verwendung von Smileys eine digitale Unterhaltung bereichern, indem sie einen geschriebenen Text dialogischer macht –  quasi zur Kompensierung der ausbleibenden Mimik, Gestik oder Stimme.

Denn die digital geführte Kommunikation ist im Vergleich zum direkten Gespräch eingeschränkt. Eine Reduktion der Kommunikationsmöglichkeiten kann eine Kommunikation erleichtern, aber auch verkomplizieren, weil nonverbale Botschaften wie Tonlage, Mimik und andere wichtige Gefühlsregungen, die im persönlichen Gespräch mitausgetauscht werden würden, fehlen. Daher gehören heute GIFs, Videos, Bilder und Grafiken zum festen Repertoire aller sozialen Netzwerke. Die visuelle Kommunikation funktioniert auch deshalb so gut, weil sie direkt unsere Gefühle anspricht. Manche Bilder bringen uns zum Lachen und verfügen so über ein großes Emotionalisierungspotenzial. Das erkennen wir zum Beispiel beim Umblättern eines Magazins: Unser Blick fällt immer erst auf die Bilder in einem Artikel und dann auf den Text. Das erleichtert uns das Verstehen der zugrundeliegenden Botschaft. Während unserer digitalen Kommunikation können wir zum Beispiel anhand der verwendeten Emojis schnell zwischen positiven und negativen Nachrichten unterscheiden.

Insgesamt betrachtet bringen wir also die befreienden Aspekte der mündlichen Kommunikation wie die Umgangssprache in die mediale Schriftlichkeit ein und kombinieren diese miteinander. Auf diese Weise würden sich Online-Unterhaltungen immer mehr dem mündlichen Dialog annähern, erklärt Beißwenger.

Verändertes Format – Veränderte Beziehungen?

Auch das Format der Unterhaltungen hat sich verändert. Denn bei den unzähligen Instant-Messengern haben wir es mit Konversationsfäden zu tun. Sie können immer wieder aufgenommen und fortgesetzt werden und verfügen – im Gegensatz zum herkömmlichen Gespräch – über keinen klar bestimmbaren Anfang oder ein Ende. So lösen sich die Grenzen zwischen Kontakt und Nichtkontakt immer mehr auf und die Konversation verläuft gefühlt in einem latenten Dauerzustand. Diese Besonderheit kann im Alltag das Gefühl von Verbundenheit verstärken. Das digitale Gespräch verliert dann aber möglicherweise an Geschlossenheit, Kohärenz und auch an Effizienz.

Das Format der digitalen Kommunikationsform macht es uns – im Gegensatz zur Face-to-Face-Kommunikation – zudem einfacher, auf Anfragen unverbindlicher zu reagieren. So halten wir uns die Möglichkeit offen, nebenbei noch andere Pläne zu verfolgen, weil online getätigte Zusagen zu Verabredungen jederzeit mit einem Klick zurückgenommen werden können. Verlust an Zuverlässigkeit oder neu gewonnene Flexibilität? Wie dem auch sei: Die Online-Kommunikation verändert auf diese Weise gewiss Beziehungen und auch die Art und Weise, wie wir sie künftig führen werden. Die (Dauer-)Erreichbarkeit hilft aus, wenn die räumliche Nähe zum Kommunikationspartner fehlt. Dieser Aspekt der digitalen Kommunikation könnte bald unser Verständnis von Privatsphäre und Intimität verändern.

Aber auch wenn wir uns in räumlicher Nähe mit unserem Kommunikationspartner aufhalten, schauen wir dennoch hin und wieder ganz selbstverständlich auf das Smartphone. Und das obwohl wir merken, dass wir uns nur schwer auf das Gespräch mit dem Gegenüber konzentrieren können, wenn wir zugleich Nachrichten auf dem Smartphone lesen. Jordan Grafman, Neurologieprofessor an der Northwestern University in Illinois kritisiert: „Multitasking ist ein Mythos. Es scheint in mancher Hinsicht effizienter zu sein, aber es macht uns nicht intelligenter.“ So belegen Studien, dass diese Art der Vernetzung und des Multitaskings mit der zunehmenden Schwierigkeit einhergeht, sich über einen längeren Zeitpunkt hinaus konzentrieren zu können.

Sprache konstituiert unsere Welt

Die Reflexion über die eigene – auch digitale – Kommunikationsweise ist insofern sinnvoll, als dass die Art, wie wir Sprache gebrauchen, in beachtlicher Weise auch unsere Orientierung und das Denken beeinflusst: Die Sapir-Whorf-Hypothese – genannt nach den beiden Sprachwissenschaftlern Benjamin Whorf und Edward Sapir – führt beispielsweise zum radikalen Ergebnis, dass die Grenzen unserer Sprache letztendlich auch die Grenzen unserer Welt bedeuten würden. Angesichts dieser Betrachtungsweise erscheint die Beobachtung der eigenen Verwendungsweise der Sprache sinnvoll, um letzten Endes nicht den eigens gesetzten Grenzen zu unterliegen.

Was heißt das nun für unsere digitale Kommunikation? Ein erster Schritt wäre schon einmal getan, wenn der eigene Blick für die tägliche kommunikative Verkürzung in den digitalen Kanälen geschärft werden würde. Da einige Merkmale der digitalen Kommunikation der Geschwindigkeit geschuldet sind, wäre ein möglicher Ansatz, dem Geschriebenen wieder mehr Zeit zu schenken – etwa so wie beim Schreiben eines Briefes. Das mag auf den ersten Blick vielleicht übertrieben erscheinen – aber die bewusste Wahl der Wörter hilft uns bei der Erfassung und Sortierung der Gedanken. Und haben wir einmal einen analogen Gesprächspartner vor uns, wäre es sinnvoller – und sicherlich auch in dessen Interesse –, die digitalen Kommunikationskanäle einfach ganz beiseite zu legen.

 

Titelbild: “Microphone” von Free-Photos via pixabay, CC0 Creative Commons, bearbeitet.

CC-BY-NC 2.0

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