Quelle: flickr.com | Barack Obama | CC BY-NC-SA 2.0Wurde in den vergangenen Jahren über Innovationen im amerikanischen Wahlkampf gesprochen, war damit meist die kreative Nutzung des Internet gemeint. Neben den viel diskutierten und immer wieder enthusiastisch diagnostizierten Internet-Grassrooots, Facebook-, Twitter- und App-Revolutionen kam es gleichzeitig auch offline zu interessanten Veränderung in der Kampagnenführung. Als Folge dieser Veränderungen erhält die Arbeit von Freiwilligen eine immer gewichtigere Rolle in der Umsetzung politischer Kampagnen in den USA.

In den vergangenen zehn Jahren kam es in den USA zu einer von Deutschland weitgehend unbeobachteten Veränderung in der praktischen Umsetzung von Wahlkämpfen. Neben den bekannten Wettkämpfen um Nachrichtenzyklen und Fernsehspots begannen die Kampagnenmacher, den potentiellen Wählern mithilfe von Telefonanrufen oder Hausbesuchen von Freiwilligen aus der Zielgruppe den Wahlkampf nahe zu bringen. In seiner Studie “Ground Wars: Personalized Communication in Political Campaigns” benutzt der dänische Kommunikationswissenschaftler Rasmus Kleis Nielsen hierfür den Begriff “personalisierte politische Kommunikation”.

Wachsende Bedeutung von personalisierter Kommunikation

“Get-Out-the-Vote” (GOTV), also der gezielte Kontakt zu potentiellen Wählern durch Freiwillige oder bezahlte Kampagnenhelfer, war zwar schon immer ein Element amerikanischer Wahlkämpfe – aber drei Entwicklungen führten zu der kontinuierlich steigenden Bedeutung von GOTV-Elementen in den Kampagnen. Einerseits müssen Wahlkämpfe in den USA in einem stark fragmentierten Medienumfeld kommunizieren. Seit den 1980er Jahren sehen sich Amerikaner einem vielfältigen und stetig wachsendem Medienangebot gegenüber. Dies führt zwangsläufig zu einer Aufsplitterung des Publikums, was es für Kampagnen immer schwieriger macht, potentielle Wähler über klassische Medienkanäle zu erreichen. Der amerikanische Politologe Markus Prior zeigte 2007 in seinem Buch “Post Broadcast Democracy” eindrucksvoll, welche gesellschaftlichen Folgen diese Aufsplitterung des Publikums hat. Die von Prior aufgezeigten Prozesse werden durch die zunehmende Nutzung des Internet noch weiter verstärkt.

Parallel zu dieser Entwicklung zeigten Feldexperimente der Politologen Donald P. Green und Alan S. Gerber, dass die persönliche Ansprache potentieller Wähler durch Kampagnenmitarbeiter eine deutlich höhere Mobilisierungswirkung hatte als der Kampagnenkontakt über automatisierte Anrufe wie “Robocalls” oder Postsendungen. Seit der Veröffentlichung der Ergebnisse ihrer Experimente in ihrem Buch “Get Out the Vote! How to Increase Voter Turnout” gehören Gerbers und Greens Erkenntnisse zu Grundelementen amerikanischer Wahlkämpfe.

Kampagnen-Optimierung durch Online-offline-Verzahnung

    
In den USA finden am 6. November 2012 Wahlen statt. Lesen Sie weitere Beiträge zum US-Wahlkampf in unserer Reihe #US2012
Zusätzlich zu der wachsenden Zersplitterung der Mediennutzung und dem in amerikanischen Kampagnen steigenden Bewusstsein für die Bedeutung des persönlichen Kontakts mit potentiellen Wählern trugen auch das Internet und die zunehmende Digitalisierung zu einer neuen “personalisierten” Form der politischen Kommunikation bei. Die bereits auf politik-digital.de beschriebene ansteigende Nutzung von Datenbanken und des “predictive modelling” ermöglicht US-Kampagnen eine immer präzisiere Auswahl potentieller Wähler, die erst den relativ ressourcenintensiven persönlichen Kontakt durch Freiwillige möglich macht. Die Rolle des Internet bei der Organisation dieser Offline-Kampagnenelemente darf also nicht unterschätzt werden. Allerdings liegt die Bedeutung des Netzes hierbei nicht im bunten, journalisten- und beraterfreundlichen Facebooken oder Twittern, sondern in der Stärkung und Optimierung der Infrastruktur politischer Kampagnen.

Einen detaillierteren Blick auf die Entwicklung des personalisierten GOTV bieten der Kommunikationswissenschaftler Rasmus Kleis Nielsen in seinem Buch “Ground Wars: Personalized Communication in Political Campaigns” und der Journalist Sasha Issenberg in seinem Buch “The Victory Lab: The Secret Science of Winning Campaigns” sowie in seinen verschiedenen Artikeln für die Webseite Slate.