In sozialen Netzwerken tauchen vermehrt falsche Accounts und Profile auf. Diese zu erkennen, wird zunehmend schwieriger, denn dahinter stecken immer seltener Menschen und immer häufiger Software-Programme: sogenannte Social Bots. Was ist das, was können sie und welche Folgen wird diese Automatisierung haben?

Plötzlich blinkt es auf bei Facebook. Christiane möchte mit dir befreundet sein. Das Profilbild zeigt eine gutaussehende junge Frau mit freundlichem Gesichtsausdruck. Soweit alles in Ordnung. Doch bei genauerem Betrachten fällt auf: Das Profil ist lückenhaft, ihr habt keine gemeinsamen Freunde. Wer ist diese Person, woher kennt sie dich?

Hinter dem Profil steht vermutlich keine Frau namens Christiane – ja, es liegt sogar die Vermutung nahe, dass es sich nicht einmal um einen echten Menschen handelt, sondern um einen sogenannten Social Bot. Hinter solchen Bots – das Wort kommt vom englischen „robot“ – steckt eine automatisierte Software. Social Bots kontrollieren Accounts in sozialen Netzwerken. Ein Programm wird dadurch zum Social Bot, dass es versucht, andere Menschen davon zu überzeugen, dass es eine echte Person ist. Die Verhaltensmuster unterscheiden sich abhängig vom sozialen Netzwerk, in dem sich der Bot bewegt. Grundlegend ist jeder Bot so programmiert, dass er beispielsweise auf bestimmte semantische Strukturen in gewisser Weise reagiert.

Fake-Profile wie bei Facebook werden auch auf anderen Seiten eingerichtet, beispielsweise bei der Dating-App Tinder. Ziel der Bots ist es, in Kontakt mit Menschen zu kommen, um diese im Chat über Links auf bestimmte Seiten zu schicken – zum Beispiel um arglose ChatteilnehmerInnen in Abofallen zu locken. Social Bots auf Facebook hingegen fangen direkt nach Annahme der Freundschaftsanfrage damit an, Informationen und Daten über die betreffenden Personen zu sammeln. Genau das macht Social Bots interessant für Unternehmen, die diese Informationen für ihre Arbeit nutzen.

Freunde kaufen für ein paar Cent

Die künstlichen Freunde, die sich einem ungefragt nähern, werden für ihre Freundschaft oder Wertschätzung in Form von Likes oder Retweets von Anderen teuer bezahlt. Im Netz gibt es verschiedene Anbieter entsprechender Dienste. Der Kunde kann dabei zwischen den verschiedenen sozialen Netzwerken und Angeboten wählen: Man kann Freunde für Facebook, Google+ und viele andere Netzwerke kaufen. Ebenfalls käuflich zu erwerben sind Likes oder Twitter-Retweets. 1.000 Facebook-Freunde sind schon für 30 Dollar zu haben, für 10.000 Retweets werden nur 15 Dollar fällig.

Zur US-Präsidentschaftswahl 2012 berichteten Medien darüber, dass einige republikanische Kandidaten wie Matt Romney sich Twitter-Follower gekauft hatten und teilweise nicht mehr als acht Prozent reale Fans hatten. Etwas zur selben Zeit wurde bekannt, dass der CDU Twitter-Account innerhalb von vier Tagen 5.000 neue Follower erhalten hatte. Die CDU bestritt den Kauf falscher Fans, konnte dies jedoch nicht beweisen. Denn der Käufer einer solchen Dienstleistung lässt sich nicht ermitteln. Der Kauf kann ebenso vom politischen Gegner genutzt werden, um den vermeintlichen Käufer in Verruf zu bringen. Längere Zeit wurden solche Dienste von Agenturen angeboten, die Menschen dafür bezahlten, die Fake-Accounts zu steuern. Doch längst wird diese Aufgabe zunehmend von Social Bots übernommen. Hinter diesen steckt eine immer komplexere Programmierung, die sich auf die Spam-Filter der Netzwerke einstellt, um so der Enttarnung zu entgehen.

Social Bots können weit mehr als nur Daten sammeln und sich als Freund oder Interessent ausgeben. Sie greifen auch aktiv in die sozialen Netzwerke und die dort stattfindende Kommunikation und Meinungsbildung ein. Besonders präsent als ferngesteuerte Meinungsmacher sind Social Bots auf Twitter. Abseits von simplen Spam-Posts, die zumeist von den Spam-Filtern und NutzerInnen der sozialen Netzwerke relativ schnell erkannt werden, agieren Social Bots komplexer. Um nicht aufzufallen, verhalten sie sich zu Beginn eher passiv: Sie posten selbst wenig und folgen anderen. Erst nach einiger Zeit in dem Netzwerk beginnen sie eigene Nachrichten zu versenden – und verhalten sich damit übrigens nicht andersals die meisten menschlichen Twitter-NutzerInnen.

Twitter ist bei Bot-ProgrammierInnen deshalb besonders beliebt, weil die Nutzung sehr niedrigschwellig ist. Ein Account ist schnell erstellt und es müssen nicht viele Daten eingespeist werden. Auf der anderen Seite nutzen viele PolitikerInnen und journalistische Medien den Dienst, um Meinungen zu verbreiten und Informationen zu sammeln. Das machte sich die südkoreanische Präsidentin Park Geun Hye im Wahlkampf zu Nutze: GeheimdienstmitarbeiterInnen legten eine Vielzahl von Twitter-Accounts an und verbreiteten mehr als 1,2 Millionen Tweets, in denen die Kandidatin gelobt und ihre KonkurrentInnen diffamiert wurden.

Social Bots als Meinungsmacher

Indem Social Bots Einfluss auf den Verlauf von Diskussionen nehmen, ist eine subtile Meinungsbeeinflussung möglich. Diese Möglichkeit steht nicht nur Regierungen offen, sondern allen Akteuren, die über genügend Ressourcen zur Erstellung eines entsprechend großen und gut programmierten Bot-Netzwerkes verfügen. Die Gefahr, dass Regierungen unliebsame Meinungen durch eine bloße Welle an gegenteiligen Informationen bis zur Bedeutungslosigkeit verschwinden lassen und somit Zensur betreiben, ist sehr real. Aktuell lässt sich das gut am Beispiel der russischen Außenpolitik verfolgen, die zwar noch eine Agentur mit menschlichen MitarbeiterInnen für solche Dienste bezahlt. Auf Facebook und Twitter werden jedoch vermehrt pro-russische Nachrichten veröffentlicht und Andersdenkende verbal angefeindet.

Die Linguisten Joachim Scharloth und Noah Bubenhofer von der Technischen Universität Dresden haben gezeigt, dass die Erstellung von Social Bots simpel und äußert erfolgreich für den Einsatz im Informationskrieg genutzt werden können. Diese erkennen auf Twitter bestimmte semantische Strukturen und können – entsprechend ihrer Programmierung – darauf reagieren. Auch die Wirtschaft kann diese Mittel nutzen, um positive Bewertungen und Kommentare über eigene Produkte oder diskreditierende über die der Konkurrenz zu verbreiten, was auf Plattformen wie Amazon oder Vergleichsportalen bereits geschehen ist.

In den sozialen Netzwerken entbrennt derzeit ein Wettlauf zwischen Plattform-BetreiberInnen und Bot-ProgrammierInnen. Auf Twitter sind aktuellen Schätzungen zufolge circa 8,5 Prozent der aktiven User Bots, Tendenz steigend. Weil Bots gegen die Nutzungsbedingungen von Facebook und Co. verstoßen, arbeiten die BetreiberInnen von sozialen Netzwerken stetig daran, ihren Spamschutz zu verbessern und Bots zu enttarnen und zu verbannen.

Wissenschaftler der Texas A&M University haben sich auf die Suche nach Social Bots im Netz gemacht und einen Algorithmus entwickelt, der die Erkennung von Bots erleichtern soll. Die Entwicklung von Bot-Erkennungssoftware steckt jedoch noch in den Kinderschuhen. Denn die sozialen Roboter sind extrem anpassungsfähig. Ein guter Weg, um Social Bots zu erkennen, bleiben daher zum Glück immer noch eine gewisse Skepsis und der gesunde Menschenverstand.

Bild: Christoph Aigner
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