Das Sesamstraßen-Prinzip “Wer nicht fragt, bleibt dumm” und der Peter-Lustig-Leitsatz “Ausschalten und selbermachen” finden seit geraumer Zeit auch Fürsprecher im Umfeld der Internetwirtschaft. Vom 24. bis 26. September 2008 fand dazu in Amsterdam die Picnic-Konferenz statt. Eine Positionsbestimmung.

 

Foto: Björn Ognibeni

Foto: Björn Ognibeni

Eine Eingrenzung auf ein Thema ist angesichts der vielen Referenten, Themen und Ausstellungen nur schwer möglich – vielleicht sogar von den Veranstaltern des Zukunftkongresses nicht beabsichtigt. Einige Schlagwörter zur Einordnung: Social Software, Web 2.0, Creativity, Collaboration, Innovation Crowdsourcing… Mit diesen Begriffen wird zum einen versucht, Wandel in Medien und Gesellschaft zu beschreiben. Zum anderen werden diese Begriffe als Zielmarken einer besseren Zukunft propagiert.

Prominente Autoren

In Amsterdam waren zwei prominente Buchautoren und Vertreter dieser Denkrichtung anwesend:
Charles Leadbeater, Autor des Buchs “We-think: The Power of Mass Creativity,” and Clay Shirky, Autor von “Here Comes Everybody: The Power of Organizing Without Organizations.”

Leadbeater, der auch schon Berater des britischen Ex-Premiers Tony Blair war, sagte während seiner Keynote, die die Konferenz eröffnete: “For most of my life, we have worked and being served by organizations that should do things for you but often actually do things to you. The logic of the Web is “with”, how to work with people, how to learn together. If you want a very simple way to think of the current shift, it’s that difference: from the world of “to” and “for” to the world of “with” and “by”.”

Leadbeater proklamierte das Ende der Massenproduktion, das Ende des passiven Konsumierens, das Ende bürokratischer Institutionen. Die Zukunft sei das gemeinschaftliche Teilen und Zusammenarbeiten. Beispiele sind Wikipedia und die Open Source Bewegung: “If you want a simple way to describe the difference in the industrial organization of before, and what is difficult to pin down that we have now is: Think With”, so Leadbeater.

Evangelist und kritischer Wissenschaftler

Da Leadbeater die Rolle des Evangelisten eines neuen Zeitalters bereits übernommen hatte, konnte sich Shirky auf die Rolle des kritischen Wissenschaftlers konzentrieren. Ausgehend von den Kernthesen seines Buches “Here Comes Everybody” legte er in seiner Rede den Schwerpunkt auf die Herausforderungen und Schwierigkeiten dieses neuen Ansatzes. In seinem Buch beschreibt Shirky, wie Teilen und Zusammenarbeiten durch neue Software gemeinsame Produkte und gemeinsames Handeln ermöglicht: “The dilemmas of how to design social software that empowers users and at the same time stops them from abusing them haven’t been solved yet.”

Neue Regeln für Zusammenarbeit

Die Copyright-Copyleft Debatte zeige, wie schwierig bereits das Teilen von Daten (z.B. Fotos, Videos, Musik) ist bzw. das neue Regelungen in Form von Lizenzmodellen notwendig waren. Geht es aber nicht nur um das Teilen von Daten, sondern um komplexere Formen der gemeinsamen Produktion und Organisation von sozialem oder politischem Handeln, fehlen solche Regelungen. Oder sie sind erst in der Betaphase der Erprobung. “We need for collective action a new form of incorporation which works in front of the state in the same way the GPL License works for software.”

Die frühen Visionen von grenzenloser eDemokratie / ePartizipation (z.B. virtuelle Parteiversammlungen oder virtuelle Ortsgruppen) sind genau an diesem Problem fehlender Regelungen gescheitert. Hier gibt es in der Tat noch viel zu tun. Antworten oder Lösungen gab es dazu weder von Shirky noch von Leadbeater. Immerhin hat Shirky auf die politischen Probleme der neuen Mitmachwelt hingewiesen. Im April 2008 sagte er dazu auf einer anderen Konferenz: “The physics of participation is much more like the physics of weather than it is like the physics of gravity.”