Sieben Finalteilnehmer gehen in die letzte Runde im Rennen um den mit 150.000 Euro dotierten Reinhard-Mohn-Preis der Bertelsmann-Stiftung. Der seit 1988 vergebene Preis für innovative Projekte steht dieses Mal unter dem Motto "Vitalizing Democracy through Participation". Nach dem Konzept der Best Practice werden vorbildhafte Lösungsmodelle aus aller Welt gesammelt, um damit Reformimpulse in Deutschland auszulösen.

Hauptkriterien für eine Nominierung von Projekten für den Preis sind u.a. die Förderung von Problemlösungskapazitäten und die nachhaltige Verbesserung des politischen Prozesses sowie die die Integration von sozial benachteiligten Gruppen und Minderheiten im politischen Prozess.

Jugendliche planen mit

Als einer der Favoriten in die Runde der letzten sieben Projekte geht die Einbeziehung von Jugendlichen in die Stadtplanung in Hampton. Unter dem Namen "Deliberative Governance" initiierte die 145.000-Einwohner-Stadt Hampton im US-Bundesstaat Virginia bereits 1990 das nominierte Projekt. Anlass waren sich abzeichnende soziale Probleme, die aus der großen Zahl einkommensschwacher Familien und dem hohem Anteil an Schülern aus Minderheitsgruppen herrührten.

Aus einem von der Stadtverwaltung eingeleiteten Beteiligungsprozess, an dem 5.000 Bewohner teilnahmen, wurde eine Strategie entwickelt, die Schüler und Jugendliche in die Entscheidungsprozesse der Stadtverwaltung einbezieht. So wurde eine Jugend-Kommission geschaffen, die als einflussreiches Gremium die Standverwaltung berät. Um die Mitglieder mit den bürokratischen und politischen Abläufen nicht zu überfordern, werden sie von professionellen Trainern unterstützt. Die Schulungen umfassen u.a. die Bereiche ehrenamtliches Engagement, die Beratung des Bürgermeisters und des Polizeichefs sowie eine bezahlte Mitarbeit im Rahmen der Stadtplanung. Als Effekte des Projekts wurden eine überdurchschnittliche Beteiligung von jungen Menschen an Wahlen sowie eine deutliche Leistungsverbesserung der Schüler festgestellt.

Bürgerhaushalt in La Plata

Drei der sieben finalen Projekte repräsentieren die Idee von Bürgerhaushaltsverfahren, so z.B. das Multi-Channel Participatory Budgeting von La Plata, Argentinien. Die Möglichkeit für die Bürger, sich an der Finanzplanung der Stadt zu beteiligen, besteht seit dem Jahr 2008. Seither können die Einwohner der Provinzhauptstadt über die Verwendung eines Drittels des Investitionsbudgets der Stadt entscheiden. Als Folge des Bürgerhaushaltsverfahrens wurde die Lebensqualität in den ärmeren Stadtteilen massiv verbessert. Die Beteiligung am Verfahren hat sich seit Bestehen stark erhöht und führte zu dem Plan, in Zukunft das gesamte Budget der Stadt per Bürgerhaushalt zu verteilen.

Die sieben finalen Projekte wurden in einem mehrstufigen Entscheidungsprozess aus mehreren Hundert Vorschlägen ausgewählt. Bis August 2010 konnte jedermann eine entsprechendes Projekt nominieren. Daraus wurden 20 Vorschläge in die engere Wahl genommen, aus denen nun ein Expertengremium die sieben Finalisten auswählte. Bis Dezember 2010 werden die Projekte von der Bertelsmann Stiftung besucht und evaluiert, bevor im Februar 2011 die Entscheidung über den Gewinner im Rahmen eines Bürgerforums durch 10.000 nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Bürger fällt. Während des gesamten Prozesses ist es möglich über die Projekte auf der Homepage http://www.vitalizing-democracy.org zu diskutieren. Die Preisverleihung findet im Juni 2011 in Gütersloh statt. Der ehemalige Carl Bertelsmann Preis wurde in Gedenken an den im vergangenen Jahr gestorbenen Bertelsmann-Gründer Reinhard Mohn umbenannt.

Hinweis: Der Geschäftsführer von pol-di.net e.V. / politik-digital.de, Stefan Gehrke, ist Mitglied des Expertengremiums für den Reinhard-Mohn-Preis.