Fragen Sie noch Ihren Arzt oder Apotheker? Lesen Sie sich diese Packungsbeilage zu eHealth sorgfältig durch. Sie enthält einen Überblick rund um Chancen und Risiken des digitalen Gesundheitswesens für Sie. Aktuelle digitale Produkte aus der Reihe eHealth sind ohne ärztliche Verschreibung erhältlich. Um einen bestmöglichen Behandlungserfolg zu erzielen, muss eHealth jedoch vorschriftsmäßig angewendet werden.
1. Was ist eHealth und wofür wird es angewendet?
Zur mehr oder minder akuten medizinischen Versorgung und allgemeinen Hilfe im Gesundheitswesen kann die Anwendung elektronischer Geräte dienen– kurz: eHealth. Mobile eHealth Lösungen, wie Gesundheitsapps, werden auch unter dem digitalen Tochterpräparat mHealth (Mobile Health) vermarktet. Die Angebotspalette eHealth ist unglaublich groß: die pure Informationssuche online zu Gesundheitsthemen, die Nutzung von Gesundheitsportalen sowie der Erfahrungsaustausch mit anderen und der gesundheitsbezogene E-Commerce spielen darin zentrale Rollen. Über elektronische Patientenakten, medizinische Vermessungen per App und Sensoren, Wearables (bspw. Fitnessarmbänder oder Smart Watches) sowie gesundheitlich- therapeutische Coaching-Apps bis zur schnellen online Bestellung bei der Apotheke und der Videosprechstunde mit dem Hausarzt reicht die Vorteilswelt des eHealth.
Eine verstärkte Wirkung von eHealth ist zu erwarten, wenn Sie zu den Leuten gehören, die immer eine gefühlte Ewigkeit in Wartezimmern von Ärzten verbringen. Ressourceneinsparung bei Zeit und Geld: die Digitalisierung des Gesundheitssektors kann helfen, analoge Probleme zu lösen. Den Mangel an Beratungs- und Gesprächszeit bei Ihrem Arzt können Sie nun durch Eigenrecherche und verbesserter Mitwirkung in Form von Selbstvermessung oder des Führens eines digitalen Schmerztagebuchs kompensieren. Digital Health erreicht aber auch eine zwischenmenschliche Ebene: vielleicht reicht eine kurze Online-Kommunikation mit Ihrem Arzt oder digital übermittelte Daten ihrerseits, um eine Ferndiagnose zu stellen oder im Notfall einen Termin mit Ihnen zu vereinbaren. Kosteneinsparungen und Effizienz auf Seiten der Medizin sind vor allem im Bereich der Forschung, aber auch durch die Vermeidung von Doppeluntersuchungen denkbar. Big Data bieten das große Potenzial, Betrugsfälle systematisch zu identifizieren, neue medizinische Erkenntnisse zu erlangen und diagnostisch präziser zu arbeiten. Denn: gesellschaftliche Krankheitsentwicklungen können durch eHealth in einer höheren Quantität verfolgt und verglichen werden.
2. Was müssen Sie vor der Einnahme von eHealth beachten?
Besondere Vorsicht bei der Einnahme von eHealth ist bei technischen Sicherheitslücken und der Weitergabe von Daten an Dritte erforderlich. Das mögliche Missbrauchspotenzial, dem Sie sich durch die Anwendung von eHealth-Produkten aussetzen, ist jedoch nicht klar erkennbar. Prozesse laufen hinter verschlossenen Türen ab und lassen die Stärke der Nebenwirkungen in der Welt der Big Data nicht genau bestimmen. Verschiedene eHealth-Präparate zeigen unterschiedlich starke Risiken: per App Blutzucker messen in Eigenregie, elektronisch die täglichen Kalorien und Schritte zählen sowie Erinnerungen für Medikamente und regelmäßige Workouts. Warum wollen manche Apps dafür Zugriff auf Ihren Standort, Medien, Kamera, Geräte-ID und und und?
Die Datensammlung geht meistens an die Urheber der Anwendungen zurück und wird dort gespeichert. Nicht selten landen Big Data aber auch bei Dritten, da Daten weiterverkauft werden. Zu diesem Zeitpunkt verlieren Sie als VerbraucherIn nun endgültig den Überblick über die Nutzung Ihrer eigenen Informationen in der großen weiten Datenökonomie. Fest steht: Um überhaupt theoretisch von eHealth profitieren zu können, müssen Ihre Messwerte zuverlässig erhoben werden. Auch die Aussagekraft dahinter muss im entsprechenden Kontext verstanden werden. Denn nur zu oft führt präventives Verhalten oder die Recherche der eigenen Symptome zu unnötiger Angst und Fehldiagnosen.
3. Wie ist eHealth einzunehmen?
Eine vorschriftsmäßige Nutzung von – was das genau bedeutet, hat auch der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen (SVRV) in einer diesjährigen Veröffentlichung diskutiert und gibt dafür zwei Handlungsratschläge: Die volle Wirkkraft von eHealth komme demnach nur zur Geltung, sobald einerseits transparente und verlässliche (evidenzbasierte) Verbraucherinformationen und andererseits, eine Stärkung der Alltagskompetenzen der VerbraucherInnen vorliegen. Die Einnahme von eHealth ist also je nach angemessenem Level an Transparenz auf Angebots- sowie Kompetenz auf Nachfrageseite zu dosieren. Falls Sie zu viel kommerzielles eHealth eingenommen haben, ist ein rückwirkender Entzug Ihrer Daten leider nicht möglich.
Bei der Einnahme von eHealth mit analog eingeholten Gesundheitstipps können Wechselwirkungen entstehen: Viel öfter müssen heutzutage Ärzte ihre eigenen Entscheidungen und Handlungen vor Patienten rechtfertigen. Digitale Patienten werden gerne mal selbst zum Arzt und haben sich vorab schon eine eigene Meinung über Diagnose und Zusammenstellung der Medikamente gemacht. So konstatiert der SVRV-Bericht, dass im EPatient Survey 2015 bereits 10% der Befragten angaben, die Dosis oder Zusammenstellung ihrer Medikamente selbst verändert zu haben. Die gesundheitlichen Risiken bei einer Selbstdiagnose sind bedenklich hoch.
4. Zukunftsdiagnose eHealth?
Zukünftige Aufbewahrungsbedingungen von eHealth korrelieren mit vielen gesellschaftlichen Entwicklungen: die Land-Stadt-Migration, der demographische Wandel, damit einhergehende steigende Kosten im Gesundheitssektor und Ärztemangel sowie geplante Gütesiegel auf Seiten der Wissenschaft und Politik. All diese Facetten beeinflussen die Chancen und Risiken des digitalen Gesundheitssystems. Für Menschen aus ländlichen Gegenden mit aufwändiger Anreise zum Arzt könnte eHealth zukünftig großes Potenzial bieten. Auch führen steigende Lebenserwartungen und die gesellschaftliche Alterung kurz- oder langfristig zu medizinischen Engpässen: Während aktuell schon jede fünfte Person mindestens 65 Jahre alt ist, prognostiziert das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) im diesjährigen Bevölkerungsentwicklungsbericht einen Anstieg auf jede dritte Person in Deutschland bis 2060.
Dennoch gilt es vor allem aus ethischer Perspektive den wissenschaftlichen Nutzen des eHealth-Angebots zu bezweifeln. Denn wir befinden uns in einer rechtlichen Grauzone des eHealth – einem ungeschützten Markt, in dem Sie zwischen spielerischen digitalen Gesundheitsangeboten und der kommerziellen Datenverwertung abwägen müssen. Mit dem Ziel, sich selbst besser unter Kontrolle zu haben, wird man eventuell umso mehr von außen kontrolliert. Der Bereich des Gesundheitssektors hat sich ausgedehnt: auch Themen aus Ernährung und Fitness finden großen Anklang in digitalen Gesundheitsangeboten. Die große Empfehlung zum Präparat eHealth heißt daher: keine unüberlegten Einnahmen und im Zweifel fragen Sie lieber Ihren analogen Arzt oder Apotheker – zumindest per E-Mail, Chat oder Videoanruf.
Titelbild: eHealth von Jana Donat / politik-digital.de, licenced CC BY SA 3.0