1953 Illustrated Coffee Ad, AP Coffee by Classic Film, CC-BY-NC 2.0Sie nennen sich Bibisbeautypalace, Herr Tutorial oder Vreni Frost und bewerben auf ihren YouTube- und Instagram-Kanälen Beauty- und Modeprodukte. Immer öfter erhalten Personen Geld von den Herstellern dafür, dass sie Produkte auf ihren sozialen Kanälen bewerben. Doch was passiert, wenn anstelle der Marken politische Positionen beworben werden?

Dass man mit sozialen Medien Geld verdienen und sogar davon leben kann, ist ein neues Phänomen, das sich erst in den letzten Jahren entwickelt hat. Dass sich über die und mit den Kanälen von Personen mit großer Followerschaft und damit großer Reichweite gut werben lässt, ist ebenfalls ein vergleichsweise neues Phänomen. Immer mehr Marken und Firmen setzen auf das sogenannte „Influencer-Marketing“. Grundsätzlich gilt für diese sogenannten „Influencer“ im PR-Bereich, dass es sich dabei um Menschen handelt, die Glaubwürdigkeit gegenüber ihren Fans generieren, indem sie diese unter anderem scheinbar an ihrem Leben „teilhaben“ lassen. Das auf dieser Grundlage aufgebaute Vertrauen nutzen Firmen und Kunden, um die Wertigkeit und Glaubwürdigkeit der eigenen Markenbotschaft zu steigern. Der Fall des Youtubers Uwe „Flying Uwe“ Schüder, der für unerlaubte Werbung zur Zahlung eines Bußgeldes verdonnert wurde, zeigt deutlich, dass bei vielen Inhaltsproduzenten mit Produktplatzierungen bisher kaum Problembewusstsein herrscht und die Regulation dieses neuen (Werbe-)Marktes noch am Anfang steht. Die Wächter über die (digitalen) Medien, die Medienanstalten der Bundesländer, beginnen durchzugreifen und legen geltendes Werberecht auch Online-Kanälen an.

Dass die Anzahl an Followern, Likes und Kommentaren in den sozialen Netzwerken zum Teil überhöht ist, legte die Mode-Bloggerin, Instagramerin und selbsternannte „Influencerin“ Vreni Frost vor einigen Wochen offen und verkündete, selbst Bots und Programme genutzt zu haben, um ihre eigenen Werte zu steigern. Die zum Teil sehr mangelhafte Kennzeichnung von Werbeinhalten oder Produktplatzierungen in Videos, Posts und Bildern von sogenannten Influencern werden zunehmend von den Medienanstalten kritisch betrachtet, begleitet und gegebenenfalls abgemahnt und sanktioniert. Das ist begrüßenswert, doch es bahnt sich ein größeres Problem an: Was passiert, wenn aus diesen Medienpersonen bewusst oder unbewusst Meinungsführer im politischen Sinne werden, die nicht mehr nur für käufliche Produkte werben, sondern politische oder gesellschaftliche Positionen ihren Anhängern anpreisen?

Werben für Parteien statt Produkte

Bei den eingangs genannten Instagramern und Youtubern handelt es sich um Personen, die sich überwiegend mit Lifestyle und Fitness auseinandersetzen. Was geschieht aber, wenn solche Personen sich politisch festlegen und für eine Person oder Partei, oder auch Gesetzesvorhaben offen oder unterschwellig werben. Anfang Oktober sorgte die Sängerin Lena Meyer-Landrut mit einem Bild auf Instagram für einen Aufschrei der Empörung im politisch interessierten Teil des Internets. Was hatte sie gemacht? Sie hatte ein Bild von sich selbst gepostet, Kopfhörer im Ohr und Smartphone in der Hand. Im Text, den sie dazu veröffentlichte, bewarb sie den neuen Telekom-Tarif “StreamOn”. Dabei handelt es sich um ein sogenanntes Zero-Rating-Angebot, bei denen das Datenvolumen für bestimmte Dienste – in diesem Fall vor allem Spotify und Netflix – nicht auf das Gesamtdatenvolumen angerechnet wird. Der Vorwurf einiger Fans und Kritiker: Mit solchen Angeboten wird die Netzneutralität abgeschafft. Es erfolgt eine Ungleichbehandlung von Angeboten im Internet. Auch wenn Lena Meyer-Landrut in diesem Fall einen Aufschrei auslöste, ist es keine Seltenheit mehr im Internet, dass prominente Personen oder solche, die es gerne wären, Werbung für politische Positionen machen und Geld dafür bekommen.

Noch deutlicher wurde dies bei einer CDU-Kampagne im Bundestagswahlkampf 2017. Die Partei präsentierte offline auf Plakaten und online über die Plattform „Ich unterstütze Merkel“ „Prominente“, die offen und mit einem individuellen Satz Werbung und positive Stimmung für die CDU-Spitzenkandidatin Angela Merkel machten. Bei den dort abgebildeten Personen handelt es sich um Personen aus Medien, Sport und Kultur – so wie Uschi Glas, Heiner Lauterbach oder auch Sophia Thomalla.

Prominente sollen auch politische Bürger sein

Nun hört man immer öfter die Forderung, dass „Prominente“ oder Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, sich in den Diskurs um politische Entscheidungen oder gesellschaftliche Konflikte einmischen. Dank ihrer Vorbildfunktion hätten sie die Möglichkeit, ihre Fans auf Probleme hinzuweisen, sie zum Nachdenken anzuregen und für konstruktive Positionen zu werben. Eine öffentliche Äußerung sei deshalb auch nicht zu verbieten, weil die „Prominenten“ dieses Recht auch als Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik innehaben. Die Kehrseite der Medaille ist, dass diese Einladung zur politischen Meinungsbekundung natürlich nicht nur für reflektierte Influencer gelten darf, sondern ebenso für die Influencer gilt, die abweichende, abseitige oder gar absurde Ansichten hegen. So geschehen im Fall von Felix von der Laden, im Internet besser bekannt als „Dner“. Dieser wurde von der „Bild“-Zeitung gefragt, wen er 2013 als Erstwähler wählen würde und antwortete am 21. September – einen Tag vor der Bundestagswahl: „Ich wähle die Alternative für Deutschland. Die etablierten Parteien haben sich von den Bürgern entfernt.“ Der Youtuber produzierte zu diesem Zeitpunkt Gaming-Inhalte für mehrere hunderttausende Zuschauer auf der Videoplattform, die vermeintlich überwiegend Jugendliche waren. Auch wenn er sich später damit verteidigte, die AfD sei damals eine andere Partei gewesen und er nichts mit rechter Gesinnung zu tun habe.

An letzterem Beispiel zeigt sich nicht nur, dass die Gesellschaft auch solche Meinungsäußerungen erlauben, aber keinesfalls akzeptieren muss. Denn grundsätzlich gilt auch bei Influencern: Nur weil sie eine große Anzahl an Fans und Öffentlichkeit haben, und für diese als Autorität auf ihrem Gebiet gelten, besitzen sie diese nicht zwangsläufig bei anderen (politischen) Themen. Es ist deshalb zu begrüßen, wenn auch Medien- und Werbeschaffende durch ihre Äußerungen, welcher Art auch immer, ihr Publikum an politische Themen heranführen. Deutlich muss nur werden, dass diese keine Expertise für die Fachgebiete ausweisen. Denn große Kenntnisse des Beauty-Business machen niemandem zum Impf- oder Klimaschutz-Experten!

 

Titelbild: 1953 Illustrated Ad, A&P Coffee by Classic Film via FlickrCC-BY-NC 2.0, bearbeitet

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