Das war es also: Am vergangenen Montag fand die letzte Sitzung der Enquete-Kommission “Internet und Digitale Gesellschaft“ statt. Knapp drei Jahre Arbeit von 17 Abgeordneten und ebenso vielen Experten. Außerdem beteiligt: der sogenannte 18. Sachverständige, die Bürgerinnen und Bürger. Knapp drei Jahre Arbeit, das bedeutet 20 Arbeitssitzungen, das sind zwölf Projektgruppen mit über 30 Einzelthemen. Zu zählen gab es mehr als 160 Projektgruppentermine und rund 3.300 Bürger, die sich am Arbeitsprozess beteiligt haben. Am Ende stehen zwölf Zwischenberichte und über 2.000 Seiten Abschlussdokumente. Soviel zu den nackten Zahlen. Ob sich der Aufwand gelohnt hat, wird im Netz breit diskutiert. Unsere digitale Presseschau zeigt ausgewählte Kommentare und Reaktionen.

Wie die digitale Revolution die Demokratie belebt

Brachiale Kulturkämpfer treffen auf progressive Netzaktivisten. Eigentlich hätte dieses Experiment schief gehen müssen. Ist es aber nicht. Im Gegenteil. Jan Heidtmann (Süddeutsche Zeitung) stellt der Internet-Enquete ein gutes Zeugnis aus und resümiert: “Die Expertenkommission zur digitalen Gesellschaft hat die Berliner Republik verändert.” Was vielen Menschen möglicherweise als Selbstverständlichkeit vorkommen mag, würdigt Heidtmann als zentrales Verdienst der Enquete: Erstmals habe der Bundestag neue Wege der Bürgerbeteiligung beschritten. “Online oder über Twitter war es möglich, einen großen Teil der Sitzungen mitzuverfolgen; gleichzeitig konnte sich jeder, der wollte, an den Diskussionen beteiligen.”


Viel erreicht und doch versagt

Auf ZEIT Online beurteilt Kai Biermann die Leistung der Enquete-Kommission “Internet und digitale Gesellschaft” deutlich kritischer. Zwar habe die Enquete mit der Einbeziehung des sogenannten 18. Sachverständigen mehr Partizipation ermöglicht, gleichzeitig habe die Kommissionsarbeit allerdings auch deutlich gezeigt, “dass es keine Einigkeit über Nutzen und Gefahren des Netzes gibt. Zu unterschiedlich sind die Interessen eben des Staates, der Nutzer und der Wirtschaft. Zu wichtig ist das Internet inzwischen für alle drei Interessengruppen”. Biermann ist der Auffassung, dass die Kommission sehr gut den Status Quo untersucht habe, beim Formulieren klarer Handlungsempfehlungen aber gescheitert sei. “Statt also eine gemeinsame Linie zu entwickeln, eine Vision, mit der alle leben und etwas Besseres aufbauen können, hat die Enquete nur den Ist-Zustand abgebildet. Das macht es leider viel zu leicht, die Ergebnisse ihrer Arbeit zu ignorieren.”


Drei Jahre Internet-Enquete – was nun, Bundestag?

Falk Steiner (heise online) konstatiert, dass die Internet-Enquete mehr gewesen sei “als nur eine anstrengende, immer wieder im Kreis rotierende Quasselbude”. Zu den Leistungen der Kommission gehöre: “Sie hat einigen Abgeordneten, die mehr Ahnung vom Netz haben als ihre Kollegen (aber nicht nur solchen) mehr Aufmerksamkeit verschafft. Sie hat zur internen Fortbildung des Parlaments beigetragen, zur Wahrnehmung der Themen als politisch relevant. Und sie hat die Unterschiede deutlich gemacht, wie eine Netzpolitik, die den Namen auch verdient, durch die jeweiligen Brillen der Beteiligten aussehen könnte. Vor allem aber hat sie eines gezeigt: wie viel Arbeit noch vor dem Parlament und künftigen Regierungen liegt.” Ob die begonnene Suche nach einer “guten Netzpolitik” das Bestehen der Enquete-Kommission überleben werde, zeige die kommende Legislaturperiode. Steiner bleibt skeptisch:“Ob ein von der Enquete-Kommission geforderter Koordinator für Netzpolitik […] und ein immer wieder gewünschter ständiger Ausschuss für Netzpolitik die Themenvielfalt in den Griff bekommen könnten? Man darf zweifeln. Aber ein weiterer kleiner Schritt wäre es allemal.”


Selten lagen Anspruch und Wirklichkeit weiter auseinander

Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, bezweifelt die Notwendigkeit eines Bundestagsausschusses zum Thema Internet und digitale Gesellschaft und erklärt: “Selten lagen Anspruch und Wirklichkeit weiter auseinander als bei der Internet-Enquete des Deutschen Bundestages. Transparenz der Arbeit und die Einbindung von Interessierten außerhalb der Enquete sollten ihr Markenzeichen sein, doch in Wirklichkeit hat es keine Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages in den letzten fünfzehn Jahren gegeben, die abgeschotteter ihren Abschlussbericht erarbeitet hat. Vielleicht ist es aber gut zu erkennen, dass das Internet eben nicht automatisch eine neue, offenere Gesellschaft schafft, sondern nur ein sehr wichtiges Datentransportsystem ist. Es ist deshalb auch höchst zweifelhaft, ob wir im Deutschen Bundestag wirklich einen eigenen Ausschuss zum Thema Internet und digitale Gesellschaft brauchen”


Der Schlafwagen wacht auf

Für die taz resümiert Falk Steiner: “Im Vergleich zu dem, was deutsche Bundespolitik bislang zur Internetpolitik verlauten ließ, sind die Ergebnisse ein großer Schritt. Dass sich künftige Bundesregierungen stärker dem Netz widmen müssen, ist nun offiziell festgestellt. Das passende Schlusswort zur Internet-Enquete sprach deren Vorsitzender Axel E. Fischer am Montag: „Erst nach und nach sind für mich die Dimensionen der Veränderungen klar geworden, die die Digitalisierung mit sich bringt.“

Linksammlung

Die Internet-Kommission des Bundestags hat fertig (Stefan Krempl für heise online)


Digitaler Wandel im Bundestag: Weiter geht’s im Ausschuss (Focus Online)


Johannes Ponader, Piratenpartei, zum Thema “Internet und Digitale Gesellschaft” (Bundespresseportal)


Enquete-Kommission fordert mehr Netzpolitik im Parlament (Süddeutsche Zeitung)


Letzte Sitzung Bundestags-Enquete Internet und digitale Gesellschaft (Welt online)


Internet-Enquete fordert Ausschuss und Minister (Spiegel Online)


Ein echtes Gewinnerthema (Frankfurter Rundschau)


Startschuss für einen netzpolitischen Aufbruch (Lars Klingbeil, SPD, für vorwärts.de)


Arbeit der Enquête-Kommission Internet und digitale Gesellschaft erfolgreich abgeschlossen (Jens Koeppen und Michael Kretschmer, CDU/CSU-Bundestagsfraktion auf cducsu.de)


“Wir haben sehr von der Bürgerbeteiligung profitiert” (Halina Wawzyniak und Petra Sitte, DIE LINKE, für linksfraktion.de)


Erfolg: Abschaffen der Depublikationspflicht und besseres Urhebervertragsrecht (Tabea Rößner, Grüne, Pressemitteilung)


Internet-Enquete legt die Grundlagen für zukünftige Netzpolitik (Konstantin von Notz und Tabea Rößner, Grüne für gruen-digital.de)


Fast drei Jahre Netzpolitik im Bundestag (Alvar Freude für ODEM.blog)


Enquete schließt Arbeit erfolgreich ab (open-enquete.de)


Heute ist die letzte Sitzung der Enquete-Kommission Internet & digitale Gesellschaft (Markus Beckedahl für netzpolitik.org)


So twittern Politiker “Peter Tauber” (UdL-Digital)