Der Titel veranlasst den Leser in Kombination mit dem hochmodernen Thema "digitale Medien in der Politik" zuerst zu einigem Stirnrunzeln. Dieses gibt sich sehr schnell, wird doch deutlich, dass Jefferson – immerhin geistiger Vater der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung – seine Freude an der aktiven und persönlichen Beteiligung der Bürger an der Politik über das Internet gehabt hätte.

 

So jedenfalls folgert Tobias Moorstedt, Autor des Werkes "Jeffersons
Erben". Das Büchlein mit seinen knapp 160 Seiten verleitet zum
Schwelgen in den gut recherchierten Anekdoten und Szenen aus dem
US-Präsidentschafts-Wahlkampf 2008.

Einige der dargestellten Tools und
Online-Anwendungen, wie etwa Youtube, sind bereits bekannt, andere sind
gut recherchiert und stimmungsvoll aufbereitet. Die persönlichen
Erlebnisse des Autors während seiner USA-Reise haben Spuren
hinterlassen die man herauslesen kann – gerade dies gibt dem Werk
seinen unvergleichlichen Charme und Witz.

Moorstedt beleuchtet die Spezifika des US-Wahlkampfes und nimmt sie
messerscharf auseinander. Das Gefühl des Erstaunens stellt sich schnell
ein, liest man etwas über den "Long Tail der Politik" oder die "New
Kids on the Blog". Bekannte Phänomene werden neu interpretiert und aus
einem ganz anderen Licht beleuchtet, wie es nur das Erlebens des
Wahlkampfes vor Ort hervorbringen kann. Tiefes Hintergrundwissen äußert
sich eher nebensächlich und wird als selbstverständlich wahrgenommen.

Die Internet-Kampagne
Spannend ist vor allen Dingen auch, wie Moorstedt die Hintergründe der
Wahlkampagnen der Kandidaten und der Vielzahl politischer Websites
beleuchtet. Sei es die Firma Blue State Digital, Heimat der Macher der
Obama-Kampagne im Web, oder moveon.org, der demokratischen
Organisations-Plattform im Internet: Moorstedt hat mit allen gesprochen
und gibt seine subjektiven Eindrücke wieder. Eine digitale Avantgarde
hat sich da heraus gebildet, welche die politischen Geschicke
beeinflussen möchte.

Nicht Gier oder politischer Machtwille stehen dabei im Vordergrund,
sondern der Wille zur demokratischen Veränderung, zum neuen Aufbruch,
zum "Change". Dieser Aufbruch zum Wandel wird als Triebfeder der
Protagonisten der neuen elektronischen Demokratie spürbar dargestellt.
Eine bemerkenswerte Leistung, die den Leser andeutungsweise verstehen
lässt, auf welcher Stimmungswelle Barack Obama in das Weiße Haus
eingezogen ist.  

Die "grassroots" als Allheilmittel?

Eindringlich geht Moorstedt auch auf die grassroots-Strategie der
Obama-Kampagne ein. Eine offene Kampagne sollte sie sein, in der die
Unterstützer alles dürfen. Doch allzu oft sind die Instrumente und Wege
der Online-Kampagnen gesteuert und die Richtung damit beeinflußt
worden. Die Möglichkeiten des web 2.0 machen jedoch auch eine
Überwindung dieser Steuerung möglich, wie Moorstedt an einigen
Beispielen zeigt.

Dabei differenziert er allerdings nicht nach dem wahlentscheidenden
Charakter etwa einer kleinen facebook-Gruppe, die versucht ein
millionenfach angesehenes youtube-Video zu diskreditieren. Nichts desto
trotz lässt sich das Ausmaß der Auswirkungen erahnen.

Neue "Player" im politischen Prozess

Deutlich wird vor allem eines: es gibt im politischen Prozess und
besonders in den Wahlkämpfen in den USA neue Player im Internet. Sie
verändern damit nicht nur die Art und Weise wie kommuniziert wird, sie
verändern auch das Bewußtsein dafür, wer überhaupt kommuniziert. Die
"dritte Partei" moveon.org und die Blogosphäre als elementarer
Bestandteil des politischen Prozesses in den USA beschreibt Moorstedt
mit einer Schärfe, die beim deutschen Leser nur schlichten Unglauben
hervorrufen kann, sogar muss.

Und dennoch verliert der Autor nie die kritische Einstellung eines
guten Journalisten und ist bei aller Euphorie für das neue Medium in
der Lage, die richtigen Fragen zu stellen. Ein visionärer Ausblick auf
die "Open-Source"-Democracy rundet das Werk ab, welches einen
gelungenen Gesamteindruck hinterläßt und intensiv zum Nachdenken anregt.

Alle Phänomene die im US-Wahlkampf im Internet von Bedeutung waren,
greift Moorstedt auf und erzählt, was er auf seiner Reise durch das
politische Web sowie in persönlichen Gesprächen erfahren hat und was
für ihn von Bedeutung war. Hinterlegt mit einer gehörigen Portion
analytischer Schärfe wird dieser Titel zum "must have!" für jeden
Anhänger des neuen Mediums.