Partizipation, Energieversorgung, öffentliche Sicherheit – die bisher von uns vorgestellten Projekte befassen sich mit den unterschiedlichsten Bereichen der Stadtentwicklung. Die spanische Küstenstadt Santander versucht nun, mit rund 12.000 in der Stadt platzierten Sensoren einige dieser Bereiche gleichzeitig zu optimieren. Das letzte Projekt unserer Reihe zeigt, dass das Konzept der Smart City nicht nur auf Metropolen anwendbar ist.
Mit ihren rund 175.000 Einwohnerinnen und Einwohnern gilt die spanische Küstenstadt Santander per Definition zwar nicht mehr als Kleinstadt, dennoch sind ihre Einwohnerzahlen nicht mit denen großer Metropolen vergleichbar. Trotz seiner verhältnismäßig bescheidenen Größe gilt Santander aber als Vorreiter der Smart-City-Bewegung. Mit dem Projekt SmartSantander gründete sich 2009 ein technologisches Versuchslabor, das sich über ganze Städte erstreckt. Neben dem spanischen Santander sind auch die Städte Lübeck, Belgrad und Guildford Teil des Projektes. Ziel ist es, mit Hilfe von verschiedenen in der Stadt installierten Geräten Daten über das Leben in der Stadt zu sammeln und so öffentliche Dienstleistungen zu verbessern. Das geschieht hauptsächlich durch verschiedenen Arten von Sensoren, aber auch Kameras oder von den Bürgerinnen und Bürgern selbst bereitgestellte Daten tragen zum Aufbau der Datenbank bei. Gesammelt werden die Daten auf einer zentralen Plattform, die öffentlich zugänglich ist. Damit versucht Santander, ähnlich wie die Stadt Kopenhagen, datenbasierte Lösungen für die Stadt der Zukunft zu entwickeln. Im Gegensatz zur dänischen Hauptstadt verlässt sich die spanische Küstenstadt dabei allerdings nicht auf das Open-Data-Konzept, sondern sammelt seine Daten lieber selbst. Durch das Projekt habe sich Santander zu „einem wahrhaftigen urbanen Labor“ entwickelt, so die Bürgermeisterin gegenüber dem Berliner Tagesspiegel. Die Küstenstadt beweist also, dass auch weniger große Städte im Rennen um die Stadt von Morgen mit um die vordersten Plätze buhlen.
Mehr Sensoren, weniger Probleme?
Ein Fokus des SmartSantander-Projektes liegt auf der Verteilung von Sensoren in der Stadt. An verschiedenen Stellen sollen diese Verkehrsaufkommen, Lärm, Luftverschmutzung oder andere Parameter messen. So sollen Probleme in der Stadt schneller erkannt und behoben werden. Die Sensoren sind dabei über die ganze Stadt verteilt und decken die unterschiedlichsten Bereiche des alltäglichen Lebens ab. So melden Santanders Müllcontainer beispielsweise selbständig ab einer Füllhöhe von 90%, dass sie geleert werden müssen. Die lokale Müllabfuhr fährt also nur Tonnen an, die auch wirklich geleert werden müssen – so wird nicht nur Geld, sondern auch Zeit gespart. Auch bei der Parkplatzsuche hilft der Datenpool der Stadt. Per App oder digitaler Anzeigetafel werden Autos zu freien Parkplätzen gelotst. Wo sich der freie Parkplatz befindet, wurde vorher ebenfalls per Sensor ermittelt. Doch nicht nur die Sensoren, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger Santanders füttern die Datenbank ihrer Stadt. Mit Hilfe einer App können die Santanderinos beispielsweise Schlaglöcher oder andere Schäden an öffentlichem Eigentum mit Hilfe eines Fotos melden. Im Anschluss kann online und damit öffentlich verfolgt werden, wann das Problem behoben wurde. So versucht die Stadt neben den Informationen zur Verbesserung der öffentlichen Dienstleistungen auch die Bürgerbeteiligung vor Ort zu stärken. Auch in Deutschland gibt es Konzepte, Schäden im öffentlichen Raum durch Apps zu melden, wie beispielsweise mit dem Maerker in Brandenburg.
Wissen ist Macht
Das SmartSantander-Projekt verlässt sich mit seiner sensorgesteuerten Stadtentwicklungspolitik darauf, dass datenbasierte Lösungen den zentralen Weg zu mehr Fortschritt darstellen. Das Konzept, die Daten selbst vor Ort zu erheben, bietet dabei einen entscheidenden Vorteil: Maßgeschneiderte Lösungen. Nicht alle Smart-City-Lösungen sind auf alle Städte dieser Welt gleichermaßen anwendbar. Ein Projekt, das eine Stadt smarter macht, kann in einer anderen kaum oder nur schwer umsetzbar sein oder wenig Verbesserung nach sich ziehen. Berücksichtig werden müssen neben den offensichtlichen Parametern, wie der Größe oder dem Entwicklungsgrad einer Stadt, auch weniger offensichtliche Eigenheiten, wie beispielsweise Luftverschmutzung oder Energieverbrauch. Letztendlich gilt es also die Bedürfnisse einer Stadt und ihrer Bewohnerinnen und Bewohner so genau wie möglich zu analysieren, um die Stadt fit für eine smarte Zukunft zu machen. Das SmartSantander-Projekt liefert hier einen ersten Ansatz dafür, wie diese Analyse aussehen könnte.
Neben den Problemen der teilweise einseitigen Finanzierung und des datenschutzgerechten Sammelns der Informationen, stellt sich die grundsätzliche Frage, ob der Ansatz der datenbasierten Lösungsentwicklung nicht den Blick auf andere fortschrittliche Lösungen verstellt. Nicht immer müssen erst Daten gesammelt werden, um ein bestimmtes Problem zu erkennen. Aufgabe einer effizienten Stadtplanung könnte stattdessen auch sein, selbstständig Impulse für ein nachhaltiges Leben in der Stadt zu geben. Ein einfaches Beispiel verdeutlicht, warum die simple Angebot-Nachfrage-Logik rein datenbasierter Ansätze nicht zwangsweise zu mehr Nachhaltigkeit führt: Ein Sensor, der beispielsweise auf allen Straßen ein erhöhtes Verkehrsaufkommen misst, signalisiert das Problem überlasteter Straßen. Auf den Fahrradwegen misst der Sensor allerdings kaum Benutzung. Ein Blick auf ausschließlich diese beiden Messungen suggeriert nach klassischer Angebot-Nachfrage-Logik, mehr Straßen und weniger Fahrradwege zu schaffen. Dass das allerdings nicht die Lösung für das Infrastrukturproblem ist, ist nur von außen klar ersichtlich. Datenbasiertes Stadtplanung kann also nur dann effektiv funktionieren, wenn auch von außen die richtigen Impulse gesetzt werden.
Quo vadis, Smart City?
Blickt man auf alle von uns vorgestellten Projekte, zeigt sich, dass die Debatte rund um die Smart City dort endet, wo sie begonnen hat: Bei den Bewohnerinnen und Bewohnern der Städte. Neben all den Anforderungen, die eine steigende Urbanisierung mit sich bringt, stellt vor allem die transparente Kommunikation mit der lokalen Bevölkerung eine wesentliche Voraussetzung für die Akzeptanz der Smart City dar. Dabei gilt es, Berührungsängste gegenüber moderner Technik abzubauen und den Mehrwert der neuen Entwicklungen zu garantieren und verständlich zu erklären. Das beginnt bei einer Gewährleistung des Datenschutzes der Userinnen und User und endet bei der Festsetzung von ethischen Leitlinien für den Umgang mit moderner Technologie. Unabhängig davon, wie schillernd und prachtvoll, wie effizient oder gewinnbringend eine smarte Stadt auch sein mag – wird sie von ihren Bewohnerinnen und Bewohnern nicht verstanden oder gar nicht akzeptiert wird sie nicht die Stadt der Zukunft sein.
Das war der letzte Teil unserer Smart-City-Sommerreihe. Die anderen Stationen der Reise waren: Rio de Janeiro, Kopenhagen, Dubai und Wien. Zum Übersichtsartikel geht es hier.
Titelbild: Tiia Monto via Wikimedia, CC-BY-SA 3.0, bearbeitet. Manuchi via Pixabay, CC0, bearbeitet.