Petrus und die Fischer am See Genezareth warfen einst ihre Netze aus. Darauf sprach Jesus: „Folgt mir nach, ich will euch zu Menschenfischern machen“. Heute ist das digitale Netz überall. Es ist allumfassend, was katholisch im Griechischen bedeutet. Über Glauben in Zeiten der digitalen Revolution sprachen wir mit dem Studenten der katholischen Theologie Andreas Feil.
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„Liebe Freunde! Gerne verbinde ich mich mit euch über Twitter. Danke für die netten Antworten. Von Herzen segne ich euch”, waren die ersten 120 Zeichen, mit denen der emeritierte Papst Benedikt XVI seine Follower am 12. Dezember 2012 begrüßte.
Damit war die katholische Kirche offiziell im digitalen Zeitalter angekommen. Angefangen von einer kleinen jüdischen Sekte hat sich die christliche Gemeinschaft zu einer Weltkirche gewandelt. In dieser Funktion stand und steht sie stets vor der Aufgabe, für ihre Gläubigen Antworten auf gesellschaftliche Entwicklungen zu bieten.
Bereits früh hatte der Heilige Stuhl das Potenzial der neuen Technologien erkannt und schon 1995 eine eigene Webpräsenz eingerichtet. Mittlerweile ist der Papst sogar auf Instagram. Die digitale Revolution hält auch in den alten, traditionellen Strukturen der kirchlichen Instanzen Einzug. Jeder gläubige oder interessierte User kann auf PopeApp am Leben und Wirken von Papst Franziskus teilhaben.
Ob der Gottesdienst direkt auf dem Smartphone mit ibreviary, Innehalten für ein kurzes Gebet auf sacred space oder Online Fürbitten: Glaube und Internet verschmelzen. Der Vatikan hat sogar einen päpstlichen Rat für die sozialen Kommunikationsmittel eingerichtet. Eines der führenden Mitglieder dieses Gremiums ist der Jesuitenpater Antonio Spadaro. Unter anderem hat der Geistliche das Feld der Cybertheologie begründet und betreibt nun eine Onlinezeitung mit gleichen Namen.
Wie im digitalem so auch hier und jetzt – Gemeinschaft leben
Diese Entwicklung sieht der Student der katholischen Theologie Andreas Feil sehr positiv. Für sein Studium nutzt er die sozialen Medien. In gemeinsamen Facebookgruppen koordinieren sich die Theologiestudenten, informieren einander über Ereignisse rund um das Unileben. Sie nutzen die Gruppen aber auch, um darin einen Diskurs über politische, gesellschaftliche Fragen und die Rolle des Glaubens zu führen.
Neuerungen wie Predigten zum Nachlesen befürwortet er, da die Gläubigen eingeladen werden, noch einmal nachzulesen und sich selbst Gedanken zu machen. Feil betont: „Innovationen wie einem twitterenden Papst bin ich sehr aufgeschlossen.“ „Der Papst wird für jeden Menschen zugänglich, jeder kann einen Zugang zu ihm finden“, lobt der angehende Theologe diesen Schritt. Dies sei ein wichtiger Schritt zu einer demokratischeren Kirche, die für ihre Gläubigen verständlicher, näher wird, bewertet er diese Entwicklungen.
Aber in einem Zeitalter der grenzlosen Kommunikation drohen wahre soziale Bindungen zugunsten der Anonymität des Internets verloren zu gehen. Es gibt Menschen, die haben tausend Facebookfreunde. Viele sind trotzdem einsam. Der Linzer Theologie Franz Kaineder meint gar, Facebook habe den Begriff Freunde verzerrt, viel eher handle es sich oft eher um Bekannte, die jeder und jede im Laufe des Lebens ansammle.
Ähnlich sieht dies auch Andreas Feil. Zwar ermöglichen die sozialen Medien eine schnelle Kontaktaufnahme. In dieser Eigenschaft seien die sozialen Medien nützliche Kontakte, um schnell und einfach Menschen anzusprechen. Jedoch bemängelt der angehende Theologe, dass eine zunehmend rein virtuelle Kommunikation zu einer Verflachung der allgemeinen Qualität der Kommunikation führe. „Die Kirche versteht sich als eine Gemeinschaft. Soziale Medien können den ersten Schritt in diese Gemeinschaft legen, aber es sollte immer zu einem persönlichen Kontakt kommen“, findet er. „Nur durch die unmittelbare persönliche Anwesenheit nicht mittelbar durch einen Bildschirm lassen sich die heiligen Sakramente erfahren“, führt er weiter aus.
Dein Post in Gottes Ohr
Trotz dieses Updates verlassen jedes Jahr tausende von Gläubigen die Gemeinden. Allein 2015 sind in Deutschland wieder mehr als 200.000 Personen aus der Kirche ausgetreten, wenden sich von ihr ab. Es scheint, als ob die Digitalisierung des Glaubens die Menschen nicht für den Glauben begeistern kann. Es stellt sich die Frage, woran das liegt. Eine Frage, die man beispielsweise Papst Franziskus auf AskpopeFrancis stellen könnte.
„Die wirkliche Weisheit, die aus der Reflexion, dem Dialog und der großherzigen Begegnung zwischen Personen hervorgeht, erlangt man nicht mit einer bloßen Anhäufung von Daten, die sättigend und benebelnd in einer Art geistiger Umweltverschmutzung endet“, gab das geistige Oberhaupt der katholischen Kirche in seiner Enzyklika Laudato Si eine erste Antwort.
„Eine Onlinekirche kann ich mir nicht vorstellen“, meint Andreas Feil. „In 2.000 Jahren Kirchengeschichte war die Kirche stets die gesellschaftliche Macht, sie musste sich selbst kaum hinterfragen und auf die Menschen zugehen. Das hat sich geändert“, stellt Feil fest. Viele Menschen hätten zwar den Glauben durch Religionsunterricht und kirchliche Feste erlebt, aber keine persönlichen Glaubenserfahrungen gemacht, wie er bedauert. Genau hierin sieht der angehende Theologe die Ursachen für die steigende Zahl an Kirchenaustritten. „Die neuen Technologien können dazu eingesetzt werden, um die Menschen wieder zu erreichen. Ich wünsche mir eine Kirche, die auf die Menschen zugeht, sie in ihren Nöten und Wünschen begreift und zu Christus bringt“, so Feil.
In Zukunft wird die Vernetzung immer weiter voranschreiten. Immer mehr Bereiche unseres Alltags werden auch oder nur noch im Netzt stattfinden. Das Internet wird zum digitalen Abbild unseres realen Lebens. Dies bringt auch neue Gefahren wie Shitstorms, Hatespeech oder Cybermobbing mit sich. Hier wünscht sich Feil, dass sich die katholische Kirche mit ihren Werten und Idealen dafür einsetzt, den Menschen auch im Netzt zu achten und zu schützen. „Wir müssen die neuen Technologien begreifen, können sie für uns und unseren gemeinsamen Glauben weise einsetzten, jedoch dürfen wir uns nicht durch die Technologie dominieren lassen“, liegt ihm am Herzen.
Es zeigt sich, die katholische Kirche hat ihr digitales Netz neu ausgeworfen. Papst Franziskus versucht, einen neuen unmittelbaren Zugang zu den Gläubigen und dieser untereinander zu finden. Die Zeiten ändern sich und die Gläubigen mit ihnen. In einer Institution, die häufig von Hierarchien und Machtgefällen geprägt zu sein scheint, ermöglichen es Twitter, Apps und Smartphones, eine neue Verbindung der Gläubigen mit ihrer Kirche einzugehen. Menschen sind kritischer gegenüber Behörden und Einrichtungen geworden. Dies erfordert ein Umdenken und eine Umstellung in den Köpfen vieler Kirchenvertreter. Papst Franziskus stößt diese Reformen mit an. Die Kirche (2.0) wird digitaler, ermöglicht es immer mehr Menschen daran teilzuhaben, kann jeden mitnehmen. Das wünscht sich auch Feil. „Nicht nur Bischöfe und Priester sollen den Glauben leben, sondern jeder soll, egal ob im Netz oder in der Realität sein spirituelles Lebensglück finden.“
Die Zeit bleibt nicht stehen, die Gesellschaft wird sich durch das Internet und die erst angebrochene digitale Revolution weiter verändern. Für die Zukunft der katholischen Kirche erhofft sich Andreas Feil: „Ich wünsche mir eine Kirche, die in den Herzen der Menschen erwacht, eine Kirche, die sich nach Christus ausrichtet. Die Kirche soll Glauben und Hoffnung in die Welt bringen, die Menschen in einer Gemeinschaft, ob virtuell oder real, vereinen.“
Es bleibt zu hoffen, dass die Heilige Tecla, die Schutzpatronin des Internets, diese Wünsche erhört.
Alle Artikel der Sommerreihe
Prolog: Religion und Internet: Glaube im digitalen Wandel
Teil 1: Auf einer Wellenlänge mit Gott? Zwischen Godspots und Social Media
Teil 2: Ecclesia 2.0 – Ein Like für die frohe Botschaft
Teil 3: Judentum und Internet- 613 Mitzwot und einen digitalen Sabbat
Teil 4: Fatwas on the Internet – Wenn der Glaube digital wird
Teil 5: Glaube in Korea: Digitalisierte Traditionen
Titelbild: Papst Franziskus in Korea by Republic of Korea via flickr licenced CC BY-SA