twitterDer wissenschaftliche Artikel „Die Wahl in 140 Zeichen – Twitter als Kommunikationsplattform für Politik, Medien und Bürger im Bundestagswahlkampf 2013“ von sechs Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität Jena untersucht die Rolle des Mikroblogging-Dienstes Twitter während der Bundestagswahl 2013. Die Ergebnisse geben einen interessanten Einblick in das politische Nutzer- und Nutzungsverhalten der Twitter-Community in Deutschland.

Soziale Netzwerke verändern die politische Kommunikation durch die Möglichkeit direkter Kommunikation zwischen Bürgern und Politik, so die Grundannahme der kommunikationswissenschaftlichen Studie. Das Forscherteam wollte herausfinden, wie sich das Verhältnis zwischen Politikern, Massenmedien und Bürgern gestaltet und wertete dazu knapp eine halbe Millionen Kurzbotschaften aus. Es zeigte sich, dass die Interaktionen weniger zwischen als vielmehr innerhalb der drei Akteursgruppen zustande kamen. Ein besonders reger Austausch zwischen Politikern und potentiellen Wählern konnte demnach nicht festgestellt werden. Politiker nutzen Twitter in erster Linie als ein Mittel zur vorteilhaften Darstellung der eigenen Person; Angriffe auf den politischen Gegner wurden deutlich seltener beobachtet. Für Bürgerinnen und Bürger sowie für Medien waren die Politiker-Accounts erkennbar Zielscheibe für kritische Beiträge.

Parteien des linken politischen Spektrums schneiden besser ab

Die meisten der untersuchten Tweets stammten von Mitgliedern der internetaffinen Piratenpartei, gefolgt von Grünen, der CDU/CSU und der Alternative für Deutschland (AfD). Weniger präsent waren Akteure von SPD und FDP, die Linke nutzte den Onlinedienst fast überhaupt nicht. Umso erstaunlicher ist die Erkenntnis, dass die Linke dabei die höchsten Zustimmungswerte unter politisch interessierten Twitter-Nutzern verzeichnen konnte. In der Gunst der deutschen Twitter-Community folgten die Piratenpartei vor SPD, AfD und den Grünen. Unionsparteien und FDP bildeten die Schlusslichter. Somit scheint ein besonders engagierter Einsatz bei Twitter keineswegs eine Garantie für höhere Zustimmungswerte zu sein.

Twitter als „Gewinn“ für die politische Kommunikation

Politische Akteure -insbesondere links stehender Parteien- haben durch Twitter weitaus bessere Chancen „gehört“ zu werden. Sie sind in der Twittersphäre nicht nur präsenter, sondern werden auch deutlich positiver beschrieben, verglichen mit ihrer Darstellung in konventionellen Medienformaten. Somit fördert das soziale Netzwerk die Vielfalt im politischen Diskurs. Die Inhalte von Politiker-Tweets unterscheiden sich von den Inhalten der Massenmedien, was die Wissenschaftler als vorteilhaft bewerten. Denn die politischen Akteure haben bessere Möglichkeiten, das soziale Netzwerk fernab der üblichen wahlrelevanten Medien zu nutzen und sie sind folglich weniger abhängig von Nachrichtenfaktoren zur Stimulation der journalistischen Berichterstattung. Außerdem: Twitter fördert den rationalen statt emotionalen politischen Diskurs. Die Forscherinnen und Forscher fanden heraus, dass bevorzugt Kurznachrichten retweetet werden, die mit mehrseitigen Argumentationsformen und Statistiken untermauert sind. Emotionale Appelle oder Fallbeispiele erhöhen dagegen nicht die Wahrscheinlichkeit, dass ein Beitrag retweetet wird.

Nutzer und Nutzung im internationalen Vergleich

Wie bereits in einem Artikel zur Wahlkampfkommunikation in der Türkei dargestellt, variiert das Nutzungsverhalten von sozialen Netzwerken wie Twitter im internationalen Vergleich deutlich. Zu dieser Erkenntnis kommen auch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Jena und verweisen auf die soziographische Besonderheit, dass ein „sehr selektiver Teil der Bevölkerung“ deutlich überrepräsentiert ist in der politischen Twitter-Nutzung. Es handelt sich zumeist um Personen mit einem hohen Bildungsniveau, die außerdem sowohl politisch engagiert sind als auch gefestigte politische Positionen besitzen. Dies ist nach der Studie ein wesentlicher Unterschied zu der Situation in den USA.

Bild: Kooroshication  (CC BY 2.0)

 

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