Sascha Lobo möchte den Zuschauern zeigen, wie Menschen in sozialen Netzwerken manipuliert werden können. Verzerrte Mehrheiten, Emotionen, „Fake News“: Die Erkenntnisse aus „Manipuliert“ sind nicht neu, dennoch lohnt sich die stetige Auseinandersetzung mit den Mechanismen von Facebook und Co.

Eine Angst geht um in Deutschland. Die Angst vor den „Fake News“. Nachdem die US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen auch mittels Sozialer Medien verbreitete Falschmeldungen mitentschieden wurden, geht nun auch hierzulande die Furcht vor einer weitreichenden Manipulation der Bundestagswahlen im September um. Gerne wird das Beispiel mazedonischer „Fake News“-Fabriken herangezogen, um auf die drohende Gefahr hinzuweisen.

Dass es solche „Fake News“ gibt und sie durchaus Einfluss auf Menschen haben können, ist weitläufig bekannt. Wie groß ihre Wirkung letztendlich ausfällt, bleibt umstritten. Dennoch werden bewusst gefälschte Nachrichten von vielen Bürgern als reale Gefahr angesehen: In einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag des ZDF geben derzeit 30 Prozent der Deutschen an, dass „Fake News“ einen starken oder sehr starken Einfluss auf die Wahlen im September haben werden, knapp die Hälfte der Befragten hält solche Falschmeldungen allgemein für ein großes Problem.

Sascha Lobos Experimente

Genau in diese Kerbe schlägt nun Sascha Lobo, Deutschlands wohl bekanntester Blogger, der sich regelmäßig Gedanken über die aktuellen Probleme der Netzwelt macht. Gemeinsam mit ZDFneo ging der 42-Jährige der Frage nach, welche Wirkung die sozialen Medien auf die Gesellschaft haben können. Hierzu lud er im Rahmen des Social Factual-Formats „Manipuliert“ acht Probanden ein, die in verschiedenen Experimenten mit Bildern, Texten oder Überschriften konfrontiert werden. Lassen sich Menschen durch wahrgenommene Mehrheiten im Netz beeinflussen? Wie spielen Medien mit den Emotionen der Leser? Kann man alleine aus einem Bauchgefühl heraus „Fake News“ erkennen? Wie gut können Algorithmen die Persönlichkeit eines Menschen vorhersagen?

Aufklärung über all diese Fragen sind für Lobo ein persönliches Anliegen, gerade im Vorfeld der anstehenden Bundestagswahlen. Doch dabei stehe nicht die Suche nach manipulativen Unternehmen oder Mächten im Zentrum des Interesses. „Es geht vielmehr darum, die alltäglichen, kleinen Mechanismen der Beeinflussung zu beschreiben. Denn genau diese Mechanismen haben eine ziemlich große Macht – auch politisch.“ Mithilfe von Expertinnen und Experten soll gezeigt werden, wie einfach selbst Social Media-erfahrene Probanden – und damit auch der Zuschauer – manipulierbar sind.

Likes sind keine Währung für Wahrheit

Die hierzu gezeigten Experimente haben alle durchaus ihren Reiz, jedoch merkt man ihnen schnell die fernsehgerechte Aufbereitung an. Wissenschaftliche Kriterien stehen nicht unbedingt im Zentrum des Interesses, sodass man als Forscher das ein oder andere Mal die Hände über dem Kopf zusammenschlagen möchte. Beispielsweise als die Probanden anhand der Überschriften erkennen müssen, ob es sich um Falschmeldungen handelt. Eigentlich unmöglich, schließlich sind für die Identifikation von „Fake News“ in aller Regel auch der Inhalt der Nachricht, mindestens aber die Angabe der Quelle notwendig.

Allerdings dienen diese Experimente nur der Verdeutlichung und letztlich spannt „Manipuliert“ mithilfe dieser Tests den Bogen zur wichtigen Erkenntnis: Man dürfe sich nicht auf sein Bauchgefühl verlassen und muss in sozialen Netzwerken stets kritisch mit dargebotenen Inhalten umgehen. Das Prinzip zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamten 60 Minuten: Die Experimente kratzen meist nur an der Oberfläche, jedoch werden immer richtige und wichtige Schlüsse gezogen.

Wie wertvoll die Erkenntnisse aus diesen Experimenten nun sind, darüber lässt sich trefflich streiten. Revolutionär sind Feststellungen wie „Likes sind keine Währung für Wahrheit“ oder „Themen und Bilder, die berühren, bleiben hängen“ bei weitem nicht. Für einen erfahrenen Social Media-Nutzer sind solche Ergebnisse nicht neu – auch die Probanden sind sich dieser Manipulationsmacht oftmals durchaus bewusst. Dennoch bleibt die Erkenntnis, dass man selbst als aufgeklärter User nicht gefeit ist vor den Mechanismen sozialer Medien.

Raus aus der Filterblase

Auch die Feststellung, dass populistische Kräfte die Funktionsweise von Facebook und Co. besser als etablierte Parteien verstanden haben, liest man häufiger. Interessanterweise war einer der Probanden selbst ein engagierter Online-Kämpfer für die AfD, laut eigenen Angaben mit 50 Beiträgen und Kommentaren pro Tag. Dass seine Anwesenheit am Ende im politisch-inhaltlichen Konflikt mit den anderen Teilnehmern endet, dürfte ziemlich kalkuliert gewesen sein. Jedoch möchte man Sascha Lobo an dieser Stelle keine Effekthascherei vorwerfen, auch wenn sein Besuch einer „Merkel muss weg“-Demonstration in Berlin ebenfalls kaum neue Erkenntnisse, sondern vielmehr aufsehenerregende Bilder und Zitate mit sich bringt.

Vielmehr will der Blogger mit einem solchen Besuch verdeutlichen, wie wichtig es ist, aus der eigenen Filterblase auszutreten und Kontakt mit konkurrierenden Meinungen zu suchen. Natürlich, so Lobo, würden ihn die Aussagen des AfD-Sympathisanten nerven, doch das Durchstechen der Filterblasen sei nun mal essentiell für den Dialog. Denn die Polarisierung in sozialen Medien spiegelt sich zunehmend auch „auf der Straße“ wieder, wodurch die gesellschaftlichen Gräben nur größer würden. Gemeinsam müssten alle dagegen arbeiten: „Man kann soziale Medien auch dafür benutzen, dass alle wieder näher zusammenrücken.“

So ist „Manipuliert“ letztendlich auch ein kleiner Aufruf zum Dialog zwischen den Extremen. Doch vor allem will Sascha Lobo mit dieser Dokumentation über die Mechanismen und die Funktionslogik sozialer Medien aufklären. Wer sich allerdings schon oft mit ihrer Wirkungsweise und des damit einhergehenden manipulativen Potenzials beschäftigt hat, wird definitiv keine neuen Erkenntnisse aus diesen 60 Minuten ziehen. Dennoch kann es nicht schaden, sich immer wieder mit den Mechanismen und möglichen politischen Folgen von Social Media auseinanderzusetzen. Immerhin sitzt derzeit ein Mann im Oval Office, der soziale Medien problemlos für seine Zwecke instrumentalisiert. Die Rolle von „Fake News“ im Bundestagswahlkampf ist ungewiss, jedoch sollte jeder Nutzer die Funktionslogik von Facebook, Twitter und YouTube verstehen und stets kritisch mit Inhalten umgehen.

Die Sendung wird heute um 23 Uhr bei ZDFneo ausgestrahlt und ist bis zum 18.08.2017 in der  Mediathek zu finden.

Titelbild: ZDF-Pressebild, © ZDF / Sebastian Semmer

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