Weiterbildung
In der Uni noch mit dem Rechenschieber gelernt und zu Hause schon mit dem ersten „Heimcomputer“ gearbeitet. Hermann Schumacher, Leiter der School of Advanced Professional Studies (SAPS) der Universität Ulm, argumentiert im Interview, warum einmal studieren im Leben vielleicht nicht mehr ausreicht.

Der Wandel der Arbeitswelten ist in diesem Jahr Thema des Wissenschaftsjahres 2018. Auch auf der Bildungsmesse didacta wird vermehrt der Frage nachgegangen, inwiefern die Digitalisierung die Arbeitswelt verändert bzw. verändern wird, welche Jobs durch die Automatisierung noch in 10 Jahren existieren und wie sich beispielsweise Unternehmen und Universitäten auf diese Veränderungen vorbereiten können. Gerade die berufliche Weiterbildung rückt hier immer mehr in den Vordergrund. Doch wie genau sieht ein Weiterbildungsprogramm aus? Und für wen ist so ein Programm sinnvoll? Hermann Schumacher erklärt die Bedeutung und Chancen von Weiterbildungsprogrammen für Studierende, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Er veranschaulicht, wie Lernformate wie „Blended-Learning“ die Lehre bei solchen Programmen unterstützen.

 

Hermann Schumacher ist Professor für Elektrotechnik und Leiter der School of Advanced Professional Studies (SAPS) der Universität Ulm.

 

politik-digital e.V.: Die Universität Ulm hat seit 2011 ein Zentrum für berufsbegleitende universitäre Weiterbildung. Was ist der Hintergrund dieser Weiterbildungseinrichtung?

Hermann Schumacher: Die Universität Ulm bietet bereits seit 1997 Weiterbildungskurse an, vor allem im Bereich der Medizin (zum Beispiel für den Fachkundenachweis Notfallmedizin) oder auch Finanzdienstleistungen (zum Beispiel Lebensversicherungsmathematik). Diese Angebote machte und macht ein eingetragener Verein, die Akademie für Wissenschaft, Wirtschaft und Technik an der Universität Ulm e.V. Es tauchte aber mehr und mehr der Wunsch auf, auch echte Studienabschlüsse (Master) anzubieten. Das ist aber für einen privaten Verein schwierig. Deshalb haben wir die School of Advanced Professional Studies aus der Taufe gehoben, die eine Einrichtung der Universität ist und deshalb im öffentlich-rechtlichen Bereich agiert. Hier bieten wir aktuell vier Master-Studiengänge an.

Hochschulen bieten Weiterbildung an, weil es zunächst einmal ihre gesetzliche Aufgabe ist. Zudem wird Weiterbildung für die Hochschulen immer wichtiger, weil unsere Arbeitswelt sich immer stärker und schneller wandelt, sodass das einmal Gelernte immer schneller ergänzt werden muss. Und wer könnte das besser als die Hochschulen, an denen ja viel von dem neuen Wissen durch Forschung entsteht?

Wie sieht so eine berufsbegleitende Weiterbildung konkret aus?

Berufsbegleitend bedeutet, dass das Studieren mit dem Beruf vereinbar sein muss. Deshalb bieten wir vieles online an, sodass unsere Studierenden in ihrer Freizeit, zuhause oder auch auf Dienstreise, lernen können. Aber es ist auch wichtig, ab und zu mal mit den Lehrenden zusammenzutreffen oder vielleicht auch mal was im Labor zu machen. Deshalb gibt es vereinzelte „Präsenztermine“, meist freitags und samstags. Diese Kombination aus Online und Präsenz nennt man „Blended Learning“.

Ein anderes Problem für Berufstätige ist, dass sie nicht immer gleich viel Zeit für das Studieren haben – in einem Semester mal mehr, in einem anderen weniger oder auch gar keine Zeit. Deshalb ist unser Studium in Modulen organisiert und man bezahlt nur für die Module, die man auch tatsächlich belegt.

Das berufsbegleitende Studium muss nämlich im Gegensatz zum grundständigen Studium bezahlt werden. Die Gebühren berechnen sich nach dem Aufwand, welches ein Modul macht, also im wesentlichen nach der Anzahl der Leistungspunkte.

“Ob es uns gefällt oder nicht, unsere Berufswelt ändert sich rasant, und wer sich da nicht weiterbildet, hat mittelfristig keinen Job mehr.”

Welche Chancen bietet ein Weiterbildungsprogramm Studierenden für ihre Berufslaufbahn?

Zunächst einmal sind unsere berufsbegleitende Studierende sehr zielorientiert, denn das Studium ist für sie ja ein ganz erheblicher finanzieller und zeitlicher Aufwand, neben dem Berufsleben und der Familie. Was sie sich erhoffen, hängt sehr vom Einzelfall ab – auch darauf muss die Weiterbildung flexibel eingehen. Für manche ist es die Möglichkeit, zu ihrem Bachelor-Abschluss noch den Master nachzuholen und dadurch bessere Aufstiegschancen zu haben. Manche wollen sich im Hinblick auf den aktuellen oder auch einen angepeilten Job das nötige Spezialwissen aneignen. Diese Studierenden absolvieren dann keinen ganzen Masterstudiengang, sondern nur einzelne Module oder auch ein Diploma of Advanced Studies, ein sogenanntes „Nano-Degree“, das mit 30 Leistungspunkten etwa 1/3 so lang ist wie ein Master. Für andere ist das berufsbegleitende Studium eine Chance, ihrer Karriere eine andere Richtung zu geben, beispielsweise eine Wissenschaftlerin, die sich durch einen Abschluss im Bereich Wissenschaftsmanagement die Möglichkeit eröffnet, in Zukunft eher im Management von Wissenschaftsorganisationen zu arbeiten. Oder der Pädagoge, der sich in unserem neuen Angebot „Instruktionsdesign“ auf die Realisierung von Online-Lehre vorbereitet, einer Sparte, die es zu seinen Studienzeiten vielleicht noch gar nicht gab.

Warum sollten Arbeitgeberinnern und Arbeitgeber die berufliche Weiterbildung fördern?

Ganz einfach: Weil in der Berufswelt Stillstand Niedergang bedeutet. Digitalisierung beispielsweise ist nicht nur ein Schlagwort. Datenanalyse oder der Einsatz großer Sensornetze machen die Produktion und auch andere Geschäftsprozesse transparenter, schneller, effektiver. Die Konkurrenz nutzt solche Verfahren. Wenn das eigene Unternehmen es nicht tut, wird es verschwinden. Und neue Prozesse brauchen neue Kompetenzen bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Inwiefern unterscheidet sich ihre Arbeit als Hochschullehrer für Weiterbildung Studiengängen zur „klassischen“ Hochschullehre?

Die klassische Vorlesung gibt es dort nicht mehr. Die entsprechenden Inhalte sind als Videos aufbereitet und/oder in ausführlichen Skripten enthalten. Als Hochschullehrer sind wir eher Lernbegleiter, die die Studierenden per Email betreuen, Online-Sprechstunden in einem Videokonferenzformat abhalten, die Lösungen von Aufgaben kommentieren oder auch im Rahmen von Präsenzveranstaltungen Fallstudien besprechen. Allerdings muss ich sagen, dass sich diese Art von Lehre allmählich auch im „klassischen“ Studium breitmacht, vor allem in Masterstudiengängen. Studierende sollen schließlich lernen, mit dem Wissen kompetent umzugehen und nicht den Vorlesungsstoff nachzubeten.

Wie nutzen Sie dabei MOOCs und andere e-Learning Plattformen?

MOOCs, also Massive Open Online Courses, bieten wir nicht an. Alle unsere Angebote verfolgen das Blended-Learning-Modell, wie oben beschrieben, mit intensiver, individueller Betreuung. Dafür zahlen unsere Studierende gutes Geld.

E-Learning-Plattformen nutzen wir nicht nur, wir entwickeln sie weiter. Unsere Vision heißt „virtueller Schreibtisch“. Dazu haben wir eine ganze Reihe Werkzeuge mit einem Cloudspeicher verknüpft. Die bekannte e-Learning-Plattform „Moodle“ bildet einen Schwerpunkt. Hier werden Videos, Skripte, Selbsttests usw. angeboten. Moodle ist mit dem e-Portfolio-System „Mahara” verknüpft, in dem Studierende ihren Lernfortschritt dokumentieren und mit anderen teilen können. Ihre Dokumente können sie in der Cloud speichern (das Open-Source-System OwnCloud) und mit anderen gemeinsam bearbeiten. Wir stellen auch von Moodle unabhängige Kalender- und Forumslösungen bereit. Für Videokonferenzen steht, in Moodle integriert, die Open-Source-Lösung „Big Blue Button“ bereit.

“Als Hochschullehrer sind wir eher Lernbegleiter, die die Studierenden per Email betreuen, Online-Sprechstunden in einem Videokonferenzformat abhalten, die Lösungen von Aufgaben kommentieren oder auch im Rahmen von Präsenzveranstaltungen Fallstudien besprechen.”

Besonders stolz sind wir auf unseren Remote-Tool-Server auf Basis des Open-Source-Programms Guacamole. Hier kann der Studierende über einen (fast) beliebigen Web-Browser eine virtuelle Windows- oder Linux-Maschine starten, auf der dann leistungsfähige Simulationssoftware zur Verfügung steht, ohne Installationsaufwand. Dort erarbeitete und dokumentierte Ergebnisse landen dann wieder im eigenen Cloud-Speicher. So wird Online-Lernen von überall und zu jeder Zeit möglich – zuhause, am Arbeitsplatz, aber auch im Internet-Café (wo es so etwas noch gibt …).

Ist eine Weiterbildung in jeden Fachbereich möglich und auch sinnvoll?

Absolut! Unsere Angebote zum Beispiel kommen aus den Fachbereichen Wirtschafs-, Ingenieur-, Naturwissenschaften und aus den Bereichen Psychologie oder Pädagogik. Auch geisteswissenschaftliche Angebote sind absolut denkbar. Lediglich die Methoden werden sich von Fach zu Fach unterscheiden. Dafür halten wir eine ganze Palette von Möglichkeiten bereit.

Zum Schluss: Werden solche Programme in Zukunft zur Regel für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden?

Mit Sicherheit. Das Schlagwort vom „Lebenslangen Lernen“ wird immer mehr zur Notwendigkeit. Einmal studieren und dann das ganze Leben ausschließlich von diesem Wissen zehren, das geht nicht mehr (wenn es denn überhaupt mal so war). Die Methoden, die ich beispielsweise im Ingenieurstudium Ende der siebziger Jahre gelernt habe, sind schon noch gültig, aber neue sind hinzugekommen. Und ich musste im Studium noch mit Rechenschieber arbeiten, zuhause hatte ich einen der ersten „Heimcomputer“. Heute sind Computer überall. Und die Revolution durch künstliche Intelligenz hat gerade erst begonnen. Ob es uns gefällt oder nicht, unsere Berufswelt ändert sich rasant, und wer sich da nicht weiterbildet, hat mittelfristig keinen Job mehr.

Vielen Dank für das Gespräch!

Titelbild via pxhere, CC0, bearbeitet.

Beitragsbild: Hermann Schumacher, © Universität Ulm, bearbeitet.

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