NEC-Medical-137Der eHealth Markt boomt. Um 10% wachsen jährlich die Angebote für online und mobile Gesundheits- und Medizinangebote in Europa. Die Digitalisierung des Gesundheitsmarkts birgt rechtliche, finanzielle und praktische Herausforderungen. Investieren lohnt sich dennoch, denn am Ende profitieren alle.

Der Zukunftsmarkt des 21. Jahrhundert liegt weder in Aktien oder Immobilien, sondern in unserer Gesundheit. Laut Bundesministerium für Gesundheit investiert kein anderer Sektor so viel in Forschung und Entwicklung (F&E) wie die Gesundheitsbranche. Im Jahr 2014 führte die Branche der Medizintechnik die Rangliste aller europäischen Patentmeldungen an. Neben neuen Technologien im Praxen- und Krankenhausbetrieb geht es um Gesundheits-Apps, die durch verschiedene Angebote dem Nutzer auf seinem Weg zu einem gesünderen oder fitteren Leben assistieren sollen.

Die rasante Vergrößerung der eHealth Branche erklärt das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage: während auf der einen Seite neue Innovationen in Medizin und Technik und eine immer digitalisiertere Gesellschaft entstehen, gibt es durch demographische Alterung und einem erhöhten gesellschaftlichen Bewusstsein für Gesundheit gleichzeitig mehr Bedarf für ein digitales Gesundheitsangebot. Insbesondere die wachsende Nachfrage und Notwendigkeit für mobile Gesundheitslösungen lässt den eHealth Markt stetig wachsen.

Apple erobert den digitalen Gesundheitsmarkt

Laut einer Studie der BITKOM nutzen bereits 30% aller Smartphone-Besitzer Gesundheits-Apps. Die Funktion der Anwendungen variiert stark: Informationsquelle, Schmerztagebuch, Messgerät für Vitalwerte. Die Selbstvermessung von Körperfunktionen wie Atemfrequenz, Blutdruck oder Körpertemperatur funktioniert über sogenannte „Wearables“, also tragbare Sensoren in Kleidung oder Smartphone, die verschiedene Vitalwerte aufzeichnen können. Inzwischen gibt es mehr als 100.000 dieser Anwendungen. Viele Start-Ups und Webdienste haben das Potenzial erkannt und investieren in die digitalen Gesundheitsangebote.

Zu den prominentesten Anbietern und Investoren in diesen Markt gehört Apple. Das Unternehmen spricht auf seiner Website von einer „Gesundheitsrevolution“. Mit seinem Team für digitale Gesundheit entwickelte Apple bereits „Health“, „ResearchKit“ und „CareKit“. Mit der eigenen Gesundheits-App „Health“ kann jeder iPhone-Nutzer beispielsweise seine Fitness per Schritt- und Kilometerzähler überprüfen, Körpermesswerte eintragen oder den eigenen Schlaf analysieren lassen. Die Open Source-Frameworks „ResearchKit“ und „CareKit“ erlauben hingegen das Sammeln und Zusammentragen von Daten, mit deren Hilfe Apps entwickelt werden, die die Erkenntnisse über Krankheiten und deren Bekämpfung voranbringen. Seit 2015 ermöglicht „ResearchKit“ die einfache Erstellung und Teilnahme an medizinischen Tests und Studien. Seit diesem Jahr gibt es „CareKit“, eine Software mit der der eigene Gesundheitszustand verwaltet werden kann: der Nutzer kann seine Körperwerte, Symptome oder Auswirkungen der Medikation dokumentieren und überwachen und gegebenenfalls die Informationen an seinen Arzt oder Klinikum weiterschicken.

Die bisherige Resonanz auf Apple’s Gesundheitsinnovationen ist sowohl von Verbraucher– als auch von Ärzteseite sehr positiv: In den USA wird die App “Health” schon von vielen Krankenhäuser verwendet, um den Gesundheitszustand von Patienten aus der Distanz zu kontrollieren und gegebenenfalls präventiv Komplikationen zu verhindern. Mit Hilfe des „CareKit“ entstanden bereits zahlreiche Apps wie „One Drop“ für Diabetiker oder „Start“ gegen Depressionen.

Zukunftsmarkt eHealth: Wer profitiert?

Lautet das Allheilmittel gegen zukünftige Erkrankungen also Big Data? Wie wir bereits berichteten, eröffnet der digitale Gesundheitsmarkt große Chancen für eine effizientere und kostengünstigere Gesundheitsversorgung, die auch eine Lösung für den demographischen Wandel und Ärztemangel auf dem Land darstellen können. Das Interesse an neuen Online-Angeboten und Apps liegt sowohl bei Patienten als auch bei Anbietern – Ärzten, Krankenhäusern, Krankenkassen und Unternehmen.

Im Idealfall profitieren von dieser Revolution des Gesundheitssystems also alle Beteiligten. Der Patient, der schneller, besser und individualisierter versorgt und therapiert werden kann. Das Krankenhaus, das digitalisierte und zentralisierte Patientendaten und Möglichkeiten der Telemedizin nutzt. Der Staat und die Privatwirtschaft selbst, die durch Innovation neue Jobmöglichkeiten schaffen und Investitionen generieren. Weltweit könnten so bis 2018 200 Milliarden Euro gespart werden, berichten die „Deutsche Gesundheitsnachrichten“.

eHealth und Datenschutz in Deutschland

Neben all den Vorzügen einer digitalen Gesundheitswelt sind aber vor allem Datenschützer alarmiert. Gesundheitsdaten sind besonders sensibel und bedürfen hoher Sicherheitsstandards, um nicht in den falschen Händen zu landen. Anwendungen, die den Gesundheitszustand einer Person regelmäßig vermessen und dokumentieren, sind wertvolle Daten, an denen insbesondere Krankenkassen und Pharmaunternehmen interessiert sind. Krankenkassen locken bereits mit Prämien für besonders gesunde Lebensweisen ihrer Kunden.

In Deutschland trifft der elektronische Gesundheitssektor auf eine hoffnungsvolle Ausgangssituation. Laut der diesjährigen Veröffentlichung des Sachverständigenrats für Verbraucherfragen nutzen in Deutschland etwa 45 Millionen Menschen Smartphones. Auch bedienen sich fast alle Krankenhäuser und Arztpraxen einer digitalen Datenverarbeitung. Trotz wachsenden Markts blieb der große Boom von eHealth in Deutschland bisher aus. Das liegt einerseits daran, dass die Digitalisierung in Krankenhäusern und Arztpraxen im internationalen Vergleich weiterhin Verbesserungspotenzial hat, also beispielsweise im elektronischen Datenaustausch zwischen Krankenhäusern oder der Digitalisierung von internen Abläufen. Ein zweiter Grund liegt darin, dass viele Start-Ups und innovative Unternehmen durch die unsicheren rechtlichen Rahmenbedingungen abgeschreckt werden. Insbesondere beim Thema Datenschutz werden Sachverhalte teilweise in verschiedenen Bundesländern unterschiedlich ausgelegt und stellen so eine Unsicherheit für Unternehmen dar.

Rechtlicher Rahmen in Deutschland und der EU

Um in seiner medizinischen Digitalisierung nicht von Ländern wie den USA abgehängt zu werden, rüstete Deutschland letztes Jahr mit dem E-Health Gesetz auf: Bis 2018 sollen alle Arztpraxen und Krankenhäuser mit einer Telematik-Infrastruktur verbunden sein und jeder Patient über eine elektronische Patientenakte verfügen. Einfacher Datenverkehr zwischen Krankenhäusern, Fachaustausch über Videokonferenzen und Televisiten von Patienten würden so zum Alltag jedes Arztes und Pflegekraft gehören. Im Zentrum des Gesetzes steht der Ausbau der digitalen Infrastruktur, die für eine bessere Vernetzung und Vereinfachung des Datenaustausches notwendig ist.

Auch auf europäischer Ebene bildet eHealth ein zentrales Element der Digitalen Agenda, die 2010 von der Europäischen Kommission vorgestellt wurde. Eine verstärkte und effizientere Nutzung von Technologien soll zu höheren Gesundheitsleistungen beitragen, deren Kosten senken und gleichzeitig neue Jobs schaffen.

Herausforderung der Finanzierung

Viele Bereiche des eHealth Sektors wie Gesundheits-Apps oder -Software werden sich in den nächsten Jahren weiter vergrößern. Die Finanzierung der Telematik-Infrastruktur bleibt wohl die größte Herausforderung. Denn die Umstellung von analog auf digital ist teuer und auf große Investitionen angewiesen – Geld, das viele Krankenhäuser nicht haben. Langfristig werden sich die Investitionen auszahlen, denn das Einsparpotenzial von eHealth ist groß: eine bessere digitale Verwaltung und Vernetzung von Daten bedeutet unter anderem weniger Arztbesuche, individueller zugeschnittene Therapien, weniger Verdopplung von Arbeit und Untersuchungen. Die gesteigerte Effizienz des Krankensystems, beispielsweise durch Ferndiagnosen oder Online-Rezeptausstellungen, würde die Gesamtkosten der pro-Kopf-Krankenkassenbeiträge senken.

Um das ganze Potenzial von eHealth auszuschöpfen, müssen Nutzer bereitwillig ihre Daten an Ärzte und Krankenhäuser weitergeben. Im Krankheitsfall sind dazu sogar 75% aller Deutschen bereit, berichtet die BITKOM. Um das Vertrauen weiter zu steigern, braucht es mehr Sicherheit und Transparenz bezüglich der Speicherung und Verwendung von Daten der digitalen Apps oder Programme. Außerdem verlangt es nach entsprechenden Rahmenbedingungen, um den Standort Deutschland für Investoren attraktiver zu machen. Das eHealth-Gesetz bildet eine gute Grundlage für Deutschlands digitalen Gesundheitsmarkt; aber nur bei konsequenter Umsetzung der neuen Richtlinien hat Deutschland eine Chance, im internationalen Vergleich aufzuholen.

 

Titelbild: NEC-Medical-137 von NEC Corporation of America via flickr, licenced CC BY 2.0

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