Es ist ein Land zwischen Bergen und Tälern, Höhen und Tiefen. Mitten im Herzen Europas gelegen bestimmt die Alpenrepublik das digitale Tempo mit. Aber manchmal erscheint es, als überhole sich die Alpenrepublik mit ihren ehrgeizigen Zielen selber. Ein Blick auf Datenschutz in Österreich zwischen Bergen und Behörden.

Jede Einlaufstelle nur einen Klick entfernt

Grünes Formular, rotes Formular, braunes Formular, jedes Jahr verbringen Menschen unzählige Stunden auf Ämtern. Nicht nur wer wie die gallischen Helden Asterix und Obelix einen Passagierschein A38 benötigt, kennt die eigene und eigenartige Welt der Behörden. In Österreich ticken die Uhren da ganz anders.

Seit vielen Jahren ist die Alpenrepublik Vorreiter in Sachen „E-Government“. Bereits seit 1998 ist die Taskforce „E-Austria“ damit betraut, Bürgern und Beamten das Leben durch den Einsatz neuer Technologien einfacher zu machen. Ob neue Wohnung, neues Auto oder neuer Ausweis – die nächste Einlaufstelle ist nur einen Klick entfernt. Einlaufstelle nennt man die Stelle zur Annahme von Anträgen und Post bei Behörden in Österreich. Sämtliche Formulare lassen sich auf help.gv.at. finden, ausfüllen und einreichen. Möglich macht dies die „digitale Bürgerkarte“, mit deren Hilfe sich Bürger beispielsweise einfach online ausweisen oder auch Unternehmen Visa für den neuen Mitarbeiter beantragen können. Wen es in die Ferne zieht, dem hilft die Auslandsservice App des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres. Von Länderinfos, Sicherheitshinweisen bis Gesundheitstipps sind viele Informationen enthalten. Falls es im Ausland zu unerwarteten Ereignissen kommen sollte oder man diplomatische Hilfe benötigt, dann weist die App auch den schnellsten Weg zum Konsulat oder zur Botschaft.

Die „digitale Bürgerkarte“ selbst ist keine Karte im klassischen Sinne, sondern eine Sammlung von Onlinediensten. Wer möchte, kann damit auch gleich per Smartphone seine Steuererklärung abgeben. Welcher Anteil der Steuern in welchen Bereich fließt verrät das Programm „Mein Steuereuro“. Einzelne Ausgaben pro Gemeinde kann man sich auf data.gv.at anschauen. Wer mit dieser Finanzpolitik nicht einverstanden ist, kann sich via Petitionsplattform direkt an die Stadt Wien wenden.

Ganz schön viele Möglichkeiten, ganz schön viele Daten. Um hier den Überblick zu behalten, stellt das österreichische Datenschutzgesetz besondere Bedingungen. Sämtliche Verfahren zur Verarbeitung personenbezogener Daten müssen in einer Datenbank bei der Datenschutzbehörde gespeichert werden.

Schöne neue digitale Alpenwelt

Sie ist fast zu schön um wahr zu sein, diese neue digitale Alpenwelt. Datenschutz spielt für viele Österreicher eine wichtige Rolle. Das Land gehört zu den Spitzenreitern, was Informatikabsolventen betrifft. Jedoch verlassen immer noch viele die Schule ohne in ihrer Laufbahn mindestens eine Stunde Informatikunterricht nach Lehrplan erhalten zu haben. Ausstattung, Bildung und Kenntnis über diese neuen Technologien sind noch ausbaufähig. Um die obersten Datenhüter ist es nicht besser bestellt. Sie betreiben noch immer Datenschutz am Existenzminimum ihrer Kapazitäten.

Bereits im Jahre 1979 wurde die österreichische Datenschutzkommission (DSK) gegründet. Ähnlich lang wie die Geschichte der DSK ist auch die Liste ihrer Baustellen.    Seit ihrem Bestehen klagte die Datenschutzkommission über fehlende Ressourcen. Bis 2014 war die DSK im österreichischen Bundeskanzleramt angesiedelt. Es scheint, dass die Datenschützer einen besonderen Draht zum Bundeskanzler hatten. Das fand auch der Europäische Gerichtshof, weshalb das Bundeskanzleramt die DSK in eine unabhängige Datenschutzbehörde (DSB) umgebaut hat. Diese neue formale Unabhängigkeit wahrzunehmen erweist sich aber de facto als schwierig. Die gesamte Behörde verfügt über 25 Mitarbeiter, die sich über 17.000 Akten gegenüber sehen. Nicht einer der Beamten ist Techniker, weshalb die DSB auf auswärtige Expertise angewiesen ist. Das Gesamtbudget für „Sachaufwand“ ist mit 68.000€ auch sehr knapp bemessen. Vergleichbare Länder der EU verfügen im Schnitt über 43 Mitarbeiter, die tschechische Republik sogar über 85. Aus diesen Gründen verwundert es nicht, dass die Datenschützer Österreichs Mühen haben all ihren Verpflichtungen im Land und in der EU nachzukommen.

Geheim bleibt geheim

Es sei „ein sicherheitspolitisches Bekenntnis“, verteidigte die ehemalige Innenministerin Johanna Mikl-Leitner eine Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung. 2014 hatte der österreichische Verfassungsgerichtshof die massenhafte Speicherung von Kommunikationsdaten für nicht gesetzeskonform erklärt. Im Zuge dieses Urteils wurde auch bekannt, dass keine Sicherheitsmaßnahmen für die gespeicherten Daten getroffen worden waren.

Geheimhaltung, das sogenannte Amtsgeheimnis, gehört zur österreichischen Politik wie der Kaiserschmarrn zur österreichischen Küche. Informationen sollen demnach nur in sehr kleinen Bissen zu sich genommen und genossen werden. Seit 1920 hat dieses Amtsgeheimnis sogar Verfassungsrang. Es kehrt die Auskunftspflicht praktisch um, sodass nur Informationen herausgegeben werden, wenn die Behörden finden, sie seien von öffentlichem Interesse. Daher wundert es nicht, dass Österreich unter vergleichbaren Ländern im Right to Information Index den letzten Platz belegt. Trotz viel Protest und gesellschaftlichem Druck hat die österreichische Regierung bis jetzt kein Transparenzgesetz für mehr Informationspflichten verabschiedet.

Land der Berge, Land am Datenstrome

„Geh bitte!! Koa Göld, koa Wissen, koa goarniks. Bei dem Schas doa koa man nur sudderen.“ Das „sudderen“, ein latentes permanentes Nörgeln, ist fester Bestandteil der spritzigen österreichischen Gesprächskultur. Je mehr Nachdruck eine Beschwerde haben soll, desto eher kommt der Dialekt zum Einsatz, wie Ingrid Gogler und Fabian Lebersorger auf der re:publica erläuterten. Dialekt dient dazu, persönlicher sich seinen Emotionen hinzugeben, den Schoasdromme, wie Shitstorm in den Alpen sinngemäß heißen könnte, freien Lauf auf den Tasten zu lassen. „Oida, da zuckst aus“. Viele Österreicher outen sich in deutschsprachigen Foren mit dem Dialekt, um Identität zu stiften und andere Österreicher für sich zu mobilisieren, erläutern Gogl und Lebersorger weiter. „Oida depperter, bist augrennt?, war Titel der Veranstaltung und ist eine gute Frage für die gegenwärtige österreichische Politik.

Langsam entdecken die österreichischen Parteien die sozialen Netzwerke für sich. Während jedoch das Angebot der großen Volksparteien SPÖ und ÖVP eher sachlich orientiert gehalten ist, gestaltet die rechtspopulistische FPÖ ihre Seite sehr persönlich auf die Person (Heinz Christian) HC Strache zugeschnitten. Wöchentlich ermittelt die Plattform Politometer die Reichweite von Persönlichkeiten bzw. politischen Parteien durch die sozialen Netzwerke. HC Strache belegt hier den Spitzenplatz, der kürzlich zurückgetretene Bundeskanzler Faymann landet weit abgeschlagen auf Platz 41. „Es scheint, dass die etablierten Parteien den Kontakt zu den Wählern verlieren“. „Währenddessen haben viele an den Wahlurnen das Gefühl, die neuen rechtspopulistischen Bewegungen würden ihnen in der digitalen Fußgängerzone wieder Gehör schenken“, erklärt der Netzaktivist Sasha Lobo das Zwischenergebnis der Bundespräsidentenwahl. Das geht sich nicht aus.

Wie gut diese Kräfte wirklich zuhören lässt sich auf neuwal.com prüfen. Hier werden regelmäßig Reden, Umfragen und Interviews veröffentlicht. Wer möchte, der kann auch gerne im Stichwahlduell mit Freunden und Familie seine Position und die der Mitspieler mit den Kandidaten Hofer und Van der Bellen abgleichen. Aber auch anderswo regt sich Widerstand im Süden. Seit 2011 legt sich der österreichische Jurist Maximilian Schrems mit den großen der Branche an. Mit über 25.000 weiteren Klägern ist er bereits gegen den die Datenpraxis von Facebook juristisch vorgegangen. Letztlich brachte er mit seinem „Verein zur Durchsetzung des Grundrechts auf Datenschutz “europe-versus -facebook.org” das Safe Harbour Abkommen, den Datentransfer in die Vereinigten Staaten, zum Scheitern.

Die schöne neue Alpenwelt hat Österreich in vielen Dingen modernisiert. Heute bestimmt das Land den Takt des digitalen Wandels mit. Das ist leiwand, “positiv”, wie man es in Österreich sagen würde. Jedoch scheint die Alpenrepublik sich all zu häufig selbst in ihren Zielen zu überholen. Einfache kurze Wege per Mausklick haben einen Preis, der in den meisten Fällen mit Daten bezahlt werden muss. Insgesamt ist in Sachen Datenschutz immer noch mehr Aufklärung, Ausstattung und Kommunikation gefragt. Heute scheint Kommunikation einfacher denn je, doch muss sie angesichts der politischen Entwicklungen neu betrieben werden. Österreich hat viele neue Möglichkeiten geschaffen, vieles vereinfacht, doch stehen einige neue große Umwälzungen bevor. Auf diese muss das Land reagieren. Also pack ma´s. Mutig in die neuen Zeiten.

Titelbild Pepa74 via Pixabay licensed CCO

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