Das EU-Parlament stimmt am Donnerstag über den Einsatz eines Sonderausschusses zum Thema Terrorismus ab. Kritiker sehen darin ein potentielles Instrument, um Überwachungsmaßnahmen und Datenschutz leichter aufzuweichen.

Eigentlich ist er im EU–Parlament für das Thema Sicherheit zuständig: Der LIBE-Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres. Das geplante “Special Committee on Terrorism” könnte die Frage der Terrorbekämpfung künftig spezifischer behandeln – und damit, so Skeptiker, die empfindliche Balance zwischen Freiheit und Sicherheit in der Aufgabentrias des LIBE-Ausschusses zerstören. Manfred Weber (CSU/EVP) bestätigte, dass sich der Ausschuss vor allem damit beschäftigen wird, wie die EU-interne Kooperation bei der Terrorabwehr verbessert werden könnte. Ein Thema, welches vor allem zwei durchaus sensible Bereiche betrifft.

Empfehlungen könnten zu Gesetzesinitiative werden

Denn: Zum Einen geht es bei der Frage nach Verbesserungspotential bei der Kooperation verschiedener Länder nicht nur um klassische Polizeiarbeit. Hier dreht es sich vor allem um die Zusammenarbeit von Geheimdiensten und den wechselseitigen Austausch strafrechtlich sensibler Daten in einem gemeinsamen Kommunikationsnetzwerk. Zum Anderen diskutieren die Mitglieder des Sonderausschusses auch über konkrete Maßnahmen der Terrorismusbekämpfung und stellen diese schließlich in einem Abschlussbericht vor. Dieser hat zwar nur Empfehlungscharakter, könnte im Brüsseler Politikbetrieb erfahrungsgemäß jedoch in großen Anteilen in Gesetzesinitiativen der Kommission wiederzufinden sein.

Angst vor Law-and-Order-Politik

Jene Maßnahmen müssten jedoch unter Berücksichtigung der bürgerrechtlichen Perspektive geführt werden, kritisiert das linke Parteien-Lager. Die Befürchtung: Der Ausschuss soll eingeführt werden, um Law-and-Order-Politik leichter durchsetzen zu können. Der LIBE-Ausschuss, der sich bisher auch mit Terrorismus-Fragen beschäftigte, ist sowohl für Fragen der Bürger- und Menschenrechte, als auch für justizielle Angelegenheiten zuständig. Durch das “Special Committee on Terrorism”, so kritisieren die Gegner, geriete die notwendige Abwägung von Sicherheit und Freiheit der EU-Bürger in Gefahr. Man sieht sich zudem dadurch bestätigt, dass der Sonderausschuss aufgrund des breiten Widerstandes nur mit den Stimmen des rechten Lagers zustande käme. Zudem sei die Einberufung eines solchen Ausschusses “Zeit- und Geldverschwendung”.

Abwägung von Freiheit und Sicherheit gewährleistet?

Über die Effektivität des Special Committees lässt sich sicherlich streiten. Klar ist aber auch, dass die interne Kommunikation zwischen europäischen Geheimdiensten und/oder Strafverfolgungsbehörden bisher immer noch starke Mängel aufweist. Das haben nicht zuletzt die Terroranschläge in Paris, aber auch der Fall Amri gezeigt. Die Befürchtung, die Auslagerung der Thematik auf einen Sonderausschuss führe zu einer Aushebelung der Relevanz von bürgerrechtlichen Aspekten, ist jedoch nicht ganz von der Hand zu weisen. Immerhin ist der Aufbau des LIBE-Ausschusses und die Betonung der Wechselseitigkeit von Freiheit und Sicherheit in dessen täglicher Arbeit und Struktur eine bewusste Entscheidung gewesen. Denn: Die Abwägung der beiden Güter ist ein komplexer, aber notwendiger Prozess, weil die rechtlichen Konsequenzen nachhaltig den Zustand demokratischer Systeme beeinflussen können.

Sonderausschüsse besitzen kaum Befugnisse

Gleichzeitig ist es aber auch ein Merkmal der Demokratie, dass Abstimmungen sowohl über interne Prozesse als auch Gesetzesbeschlüsse Mehrheiten in den Gremien benötigen. Sonderausschüsse sollen vom EU-Parlament eingesetzt werden, um politisch relevante aktuelle Themen detaillierter und effektiver behandeln zu können – so geschehen zur Finanzkrise (2009) oder zu Korruption und Geldwäsche (2012). Sie sind – im Gegensatz zu Untersuchungsausschüssen – nicht mit formalen Untersuchungsbefugnissen ausgestattet und somit immer auf die Kooperation der Mitgliedstaaten oder EU-Behörden angewiesen. Die Mitglieder der Special Committees werden durch das EU-Parlament selbst gewählt.

Parlament noch immer geschwächt

Aus diesem Grund ist eine inhaltliche Debatte über mögliche Gefahren eines Anti-Terror-Sonderausschusses, der abseits des LIBE-Ausschusses zusammen trifft, zwar keineswegs unnötig. Die Angst, dieser Ausschuss hebele die demokratische Entscheidungsfindung aus und treffe im Geheimen allgemein verbindliche Beschlüsse, kann jedoch kaum begründet werden. Hier kommt dazu: Das Parlament selbst besitzt, wie oftmals kritisiert wird, immer noch kein Recht, eigene Gesetzesinitiativen einzubringen. Wie so häufig in Brüssel, hängt es folglich vor allem von der Kommission ab, welche künftigen Empfehlungen des Sonderausschusses letztlich Einzug in EU-Richtlinien und -Verordnungen finden. Und das ist nicht selten von der Durchsetzungskraft der verschiedenen Akteure im informellen Brüsseler Netzwerk abhängig.

 

Titelbild: Debate and vote on Jean-Claude Juncker for President of the European Commission, by European Parliament on Flickr,  CC-BY-NC-ND 2.0