Sie ist Hauptprogrammkuratorin der re:publica 2012 und Mitglied der Digitalen Gesellschaft. Geraldine de Bastion, die sich selbst als internationale Beraterin mit multikulturellem Hintergrund bezeichnet, sprach mit politik-digital.de über ihre Leidenschaft für das Netz, ihren Arbeitsalltag und ihre Aufgaben als Vermittlerin.

Sie kommt nicht etwa im Hoodie um die Ecke, sondern betreibt Internetaktivismus meist im Hosenanzug und mit einer Powerpoint-Präsentation im Gepäck. Als Mitglied der vor knapp einem Jahr gegründeten Digitalen Gesellschaft praktiziert Geraldine de Bastion professionelle Lobbyarbeit und klärt Bürger über netzpolitische Themen wie Datenschutz, Netzneutralität oder Urheberrecht  auf, damit diese mitreden und selbst aktiv werden können.

„Es war einfach überfällig, eine Organisation wie die Digitale Gesellschaft zu gründen“

„Ich sehe mich persönlich ganz oft als Dolmetscherin“ sagt die 33-Jährige. Sie könne zwar nicht programmieren, sei also nur ein „Nerd im Herzen“, habe aber eine große Leidenschaft und großes Verständnis für die technische Seite des Internet. „Diese beiden Welten zusammenzubringen, zu vernetzten und zu übersetzen, daraus besteht ein großer Teil meines Alltags“.

Die Digitale Gesellschaft hat Kampagnen wie „Echtes Netz“ für Netzneutralität und die Debatte um ACTA gestartet, um Bürger für diese Themen zu sensibilisieren und ihnen  Beteiligungsmöglichkeiten zu bieten. Die Vorwürfe mancher Skeptiker, der Verein sei ein eingeschworener Insiderkreis, weist sie entschieden zurück. „Dass man eine Organisation aufbaut mit Menschen, die man kennt, von denen man weiß, dass man zusammen arbeiten kann und möchte, das ist in jedem Verein so“. Natürlich müsse die Organisation auch in Zukunft Öffentlichkeitsarbeit betreiben, um von mehr Menschen wahrgenommen zu werden, die sich wenig mit Netzpolitik auseinandersetzen. Dank der traditionellen Medien und Politikern, die sich verstärkt mit netzpolitischen Themen beschäftigen, entwickelten aber „immer mehr Menschen ein Grundverständnis dafür“.

„So spannend ich es fand, auf der Policy-Ebene zu arbeiten, mir hat die praktische Seite gefehlt“

Doch Geraldine de Bastion versteht sich nicht nur bei ihrem ehrenamtlichen Engagement als Übersetzerin. Durch ihre Arbeit bei dem Unternehmen für Open Source-Strategien newthinking, das auch Veranstaltungen organisiert und Unternehmensberatung anbietet, pflegt sie Kontakte zu Internetaktivisten in der ganzen Welt. Ihr Arbeitsschwerpunkt liegt auf internationalen Themen, und auf dem Gebiet der afrikanische Blogosphäre bezeichnet sie sich inzwischen als Expertin.

Als sie vor vier Jahren in der Agentur anfing, betreute sie zunächst ein Projekt zu Open Source-Technologien für kleine Unternehmen im südlichen Afrika. Mit Begeisterung berichtet sie von ihren Erfolgserlebnissen vor Ort. Nach den angebotenen Trainings, die ihre Firma im Auftrag von InWEnt mit vorbereitet hat, hätten sich viele Teilnehmer eine Existenz in Afrika aufbauen können. „Einer hat sogar eine internationale Ausschreibung zu einer App für die WM in Südafrika gewonnen“. Auch aktuell arbeite sie viel mit Bloggern und Bürgerjournalisten in Afrika zusammen. „Den Kontakt würde ich auch nicht missen wollen, nur um auf einer höheren Ebene Politik zu machen“. Zwar sei es spannend gewesen, bei ihrer einjährigen Tätigkeit im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) Einblicke in die Abläufe des Ministeriums bekommen zu haben, jedoch haben ihr die praktische Arbeit und die direkten Erfolgserlebnisse gefehlt.

re:publica 2012: „ACT!ON“

Ihr Fachwissen über politische Kommunikation im Netz, die digitale Kluft und die Nutzung digitaler Medien in Entwicklungskontexten kann Geraldine de Bastion auch bei ihrer derzeitigen Aufgabe, der Organisation der re:publica 2012, gut anwenden. In diesem Jahr ist sie Hauptprogrammkuratorin der Veranstaltung, die unter dem Motto „ACT!ON“ vom 2. bis 4. Mai in der STATION-Berlin  stattfinden wird. „Ich bin sehr zufrieden, dass es ein so internationales Programm ist, dass wir aus allen Ecken der Welt spannende Speaker haben, auch aus Afrika, China, Ägypten und Tunesien“. Die Zuschauer erwarten demnach Berichte zur aktuellen Lage in diesen Ländern, und wie immer werden auch klassische netzpolitische Themen wie ACTA behandelt werden.

Auch die Veränderungen der Medienlandschaft und des Journalismus werden wieder Thema sein. Dazu wird Regierungssprecher Steffen Seibert im Interview mit de Bastion über seine persönlichen Twitter-Erfahrungen und die Social Media-Aktivitäten der Bundesregierung auf der re:publica sprechen. Antworten sollen auch auf die Fragen gefunden werden, welche Rolle die europäische Öffentlichkeit im Netz spielt, und wie jenseits der klassischen Printmedien online über die EU diskutiert wird, betont die Programmkuratorin. Was politisches Bloggen betrifft, habe Deutschland oft mehr Kontakte nach Amerika oder in den Nahen Osten als zu seinen europäischen Nachbarländern.

Internationale Beraterin mit multikulturellem Hintergrund

Neben ihrer Leidenschaft für netzpolitische Themen ist Reisen eine Passion von Geraldine de Bastion, die sich auch fernab ihrer Wahlheimat Berlin sehr wohl fühlt. Erst im Februar besuchte sie Kairo und war dort auf eine Konferenz, auf der es um „Frauen im politischen Aktivismus“ ging. Sie bewundert den Mut der Internetaktivistinnen, ihrer Arbeit weiterhin nachzugehen, auch wenn sie in Gefängnissen misshandelt oder in der Öffentlichkeit angegriffen werden. Nach den Wahlen herrsche sehr große Verunsicherung in Ägypten, und nach wie vor sei die Stimmung auf der Straße explosiv, aber es gebe auch große Hoffnung, dass sich wie in Tunesien „die Menschen an einen Tisch setzen und versuchen miteinander zu diskutieren“.

Geraldine de Bastion ist in England geboren und dort wie in Berlin aufgewachsen. Ihre Großeltern  stammen aus Ungarn und in ihrer Familie wird ein Mix aus Deutsch und Englisch gesprochen. Sie liebt es, die Sommermonate in Berlin zu verbringen, und träumt davon, im Winter an einem wärmeren Ort in Südeuropa oder Südostasien zu arbeiten. Besonders angetan haben es ihr die Philippinen, wo sie im Rahmen ihrer knapp vierjährigen Tätigkeit für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) bereits einige Zeit gelebt hat.

Doch im Moment genießt sie einfach nur Berlins Vielfalt an kulturellen Angeboten, die räumliche Nähe zu Freunden und Familie sowie die Möglichkeit, spontan „wen zum Lunch in einem netten Café“ treffen zu können. Diese kurzen Auszeiten brauche sie, wenn sie 14 Stunden ihres Arbeitsalltags vor dem Laptop verbringe, mal fluchend, mal lächelnd, je nachdem, was sie gerade tue. „Viele Dinge mach ich aber mit Leidenschaft, die sind dann auch ein Teil von mir und nicht nur ein Teil meines Arbeitslebens“. Am Wochenende verbringe sie dennoch ihre Zeit lieber im Freien ohne Internet und schalte ab, indem sie etwas Kreatives wie Musik mache. „Ich muss nicht die ganze Zeit Twitter lesen, aber da unterscheide ich mich von vielen Kollegen“.

„Das ist jetzt mein Nischenthema und das besetze ich“

Seit 1998, mit dem Beginn ihres Studiums der Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin, nutzt die Netzaktivistin das Internet. Sie und ihre Freunde hätten damals schon die Idee gehabt, Blogs zu betreiben, aber hatten noch nicht die technischen Fähigkeiten, diese umzusetzen. „Wir haben damals eine Plattform in Internet geschaffen und uns mit Jugendmedien vernetzt, um ihnen einen Raum im Internet zu geben, über den sie publizieren konnten“.

Ihre Passion für die Arbeit mit und im Netz fing mit der Plattform an, und von da an transportierte sie netzpolitische Themen auch in ihr Studium. „Es war ein tolles Gefühl, weil man etwas hatte, womit man sich abheben konnte, was für die Professoren interessant war. So habe ich schon während des Studiums meine Nische gefunden, die zu mir passt und mir auch beruflich einen anderen Weg eröffnet hat.“ Ihrer Nische ist sie treu geblieben, und sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, ihre Leidenschaft zu vermitteln. Wenn man sie über ihre hauptberufliche und ehrenamtliche Arbeit erzählen hört, kann man sich bestens vorstellen, dass sie eine gute Dolmetscherin zwischen den Welten ist und damit ihrem Traum, die Welt ein bisschen besser und gerechter zu machen, zumindest nahe kommt.