Das Internet ist weder ein
rechtliches Niemandsland, noch ein Raum der "anarchistischen Freiheit",
in der jeder tun und lassen kann, was er will. Rechtsextremistische
Hetze im Internet unterliegt, ebenso wie jede andere verfassungswidrige
Tat auch, dem deutschen Strafrecht. Die Besonderheiten und Eigenheiten
des Mediums Internet bedingen aber, dass es zu erheblichen
Schwierigkeiten bei der Strafverfolgung kommt.

Internetseiten rechtsradikaler Bewegungen gibt es seit mehreren Jahren. In den letzten
Monaten jedoch sind neben einem Anstieg der Gewalttaten auch höhere rechtsradikale Aktivitäten im
Internet zu verifizieren. Angesichts der nicht neuen aber neu entdeckten faschistischen
Umtriebe herrscht zumeist Ratlosigkeit, besonders im Internet. Welche Möglichkeiten gibt es,
gegen die digitale Nazi-Szene vorzugehen?

Der rechtliche Rahmen

Es wird der Eindruck erweckt, dass die Verfolgung krimineller Sites der rasanten Entwicklung der
weltweiten Vernetzung hinterherhinkt.
Der Grund: Polizei und BKA sind bei der Ermittlung und Bestrafung der Täter oft die Hände gebunden,
obwohl es in Deutschland verschiedene rechtliche Grundlagen gibt, die eine Verfolgung rechtsradikaler
Seiten im Internet ermöglichen. Grundsätzlich finden die Regelungen des
Grundgesetz (GG),
des
Strafgesetzbuch
(StGB),
des Informations- und Telekommunikationsdienste-Gesetz (IuKDG)
und des Mediendienstestaatsvertrag (MDStV)
Anwendung.

Gesetze auf der einen, Hilflosigkeit auf der anderen Seite. Woran liegt das?
Die deutschen Gesetze würden schon ausreichen, erläutert Internetrechtsexperte und Rechtsanwalt
Dr. Oliver Gießler,sie müssten nur angewendet werden. Das Strafgesetzbuch ermögliche die
Bestrafung der Inhaber verfassungswidriger Sites, aufgrund der Paragraphen
§ 86 STGB
-Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen,

§ 86a STGB
-Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen,

§ 130 StGB
-Volksverhetzung,
§ 130a StGB
– Anleitung zu Straftaten, und
§ 131 StGB
– verherrlichende, verharmlosende oder menschenunwürdige Darstellung von Gewalt.
Eine Bestrafung könne auch auf Basis der § 8 und §20
MDStV
erfolgen.

Einen weiteren spezifisch nationalen Rechtsrahmen setzt neben dem Mediendienste-Staatsvertrag (MDStV)
das am 1. August 1997 in Kraft getretene "Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz" (IuKDG).
Vor allem durch die Regelung der Verantwortlichkeit
der einzelnen Rollenträger im Internet leistet es einen wichtigen Beitrag zur Rechtssicherheit.
Anbieter sind demnach für eigene Inhalte verantwortlich § 5 Abs.1 IuKDG/MDStV,
wobei als eigene Inhalte auch fremde Inhalte gelten, die in das eigene Angebot integriert werden.

Die Schlupflöcher

Eines der Hauptprobleme, dem sich die Ermittler gegenübersehen, ist die euphemistische Sprache
der Inhalteersteller. Die von deutschen Rechtsextremisten über deutsche Provider ins Internet
eingespeisten Inhalte werden in der Regel so formuliert, dass die rechtsextremistische Grundhaltung
zwar klar erkennbar bleibt, jedoch möglichst keine Angriffsfläche für eine strafrechtliche
Verfolgung geboten wird. Die Köpfe hinter den populistischen Hetzparolen wissen genau, bis an
welche Grenze sie gehen können, um einer rechtlichen Ahndung zu entgehen.
Seit einiger Zeit haben die Rechten verschiedene Verschlüsselungstechniken entdeckt, die im Netz
angeboten werden: allen voran das Programm
"Pretty Good Privacy"
(PGP). Diese Techniken behindern zwar die Ermittlungsarbeit der
Polizei, jedoch bieten bei konkretem Verdacht die üblichen Wege, wie
Hausdurchsuchungen, genügend Handlungsspielraum, um die Täter
überführen zu können.


Eine weitere Hürde im Kampf gegen rechtsgerichtete Internetseiten ist die Anwendbarkeit des
deutschen Strafrechts bei Delikten im Internet. Laut
§ 3 StGB
gilt das deutsche Strafrecht für alle Taten, die im Inland begangen werden. Damit ist das deutsche
Recht also bei illegalen Netzinhalten anwendbar, wenn Inhalte aus Deutschland oder dem Ausland
auf einen in Deutschland lokalisierten Server eingespeist werden, nicht aber, wenn diese über einen
Server im Ausland laufen.
Man habe keine rechtliche Handhabe, wenn Rechtsextremisten, ihre strafbaren Inhalte, über
ausländische Provider zum Beispiel in den USA ins Netz stellen. Dort falle die Hetze unter die
Meinungsfreiheit und sei somit legal, erläutert Rechtsanwalt Dr. Gießler.

Die Anonymität des Internets offenbart sich hier als verkannte Schattenseite. Jeder deutsche
Staatsbürger ist der Strafverfolgung ausgesetzt, auch wenn die Tat im Ausland
begangen wird. Wenn aber eben anonym über ausländische Server gearbeitet wird, bekommt die Fahnder nicht
heraus, wer die Drahtzieher hinter den Seiten sind. Der unüberschaubare Tummelplatz WWW bietet
somit Versteck für jeden, der es sucht.

Verstecke gibt es reichlich. Zum ersten Mal wurde von der Denic eine rechtsradikale Domain aus
dem Netz genommen, nachdem im Kundenforum von Strato ein Hinweis eines
Kunden einging. Strato informierte die Denic, die nach der Überprüfung durch die Rechtsabteilung
die Domain sperrte. Stichproben würden bei denic selbst nicht durchgeführt, sagte Pressesprecher
Klaus Herzig. Man sei nur eine Registrierungsstelle und keine Zensurbehörde, die zudem keine
rechtlichen Möglichkeiten habe gegen solche Seiten vorzugehen.

Eine Kontrolle, zum Beispiel mittels einer Filtersoftware, sei schon deshalb nicht möglich, da
diese Programme Seiten nach Inhalten durchsuchen und mit den Inhalten habe die Denic nichts zu
tun, dafür sei unter anderem der Verfassungsschutz, die Polizei oder die FSM-Freiwillige
Selbstkontrolle Multimedia
zuständig. Man sei nur für die Domainnamen Ansprechpartner und bei der
Registrierung wisse man nicht, was sich hinter dem entsprechenden Namen verberge. Wonach sollte
man auch suchen, fragt Herzig, schließlich könnten auch unter der Domain "Gänseblümchen"
rechtsradikale Inhalte und Hetzparolen verborgen sein. Darüber hinaus benötige man zur Überprüfung
der Domainnamen einen riesigen Überwachungsapparat, dessen Aufbau mit großen finanziellen Belastungen
verbunden wäre. Außerdem würde die Kontrolle sehr lange dauern, womit nicht mehr gesichert sei,
dass jeder sofort eine Domain registrieren könne.

Letztendlich sei es eine Entscheidung der Gesellschaft, inwieweit sie überhaupt eine solche
Überwachung wolle, resümiert Herzig. Dennoch denkt man bei der Denic über Möglichkeiten nach, dem Problem
entgegenzutreten. Zusammen mit dem Justizministerium soll es eine Initiative geben, die die
Registrierung eindeutiger Domainnamen durch rechtsradikal Gesinnte verhindert. Das
Justizministerium werde eine Liste mit verfänglichen Domainnamen erstellen, die bei der Denic
registriert werden. Gibt man dann Namen wie www.heil-hitler.de" ein, soll sich dahinter eine
Webpage der Initiative verbergen, auf der die Surfer über Sinn und Ziel des "Domaingrabbing" aufgeklärt werden.
Herzig erklärte, dass es eine technisch sehr einfach machbare Sache sei, da eine Domain entweder frei sein kann,
oder eben nicht.

Technische Hintergründe

In einem Atemzug mit der Bekämpfung krimineller Seiten fallen immer wieder die Begriffe Filtersoftware und
PICS (Platform for Internet Content Selection). Ziel dieser Techniken ist es, bestimmte Informationen oder Quellen
vom Transport oder der Anzeige auszunehmen.
Hier jedoch offenbart sich ein grundsätzliches Problem. Im Bereich Content müsse dringend
zwischen "illegal" und "potentially harmful" unterschieden werden, erläutert Joseph Dietl von dem Förderverein Informationstechnik u. Gesellschaft (FITUG).
"Illegal" wären in Deutschland rechtsradikale Schriften, "potentially harmful" dagegen zum Beispiel
der Schwarzenegger-Film "Terminator", der von der FSK nicht als "frei für alle Alter" eingestuft
wurde. Filtersysteme könnten überhaupt nur im Bereich "potentially harmful" sinnvoll eingesetzt
werden. Um "illegal content" wirksam bekämpfen zu können, sei eine internationale Zusammenarbeit
der Polizei nötig. Das wiederum setze eine supranationale Definition des Begriffes "illegal"
voraus, so Dietl.

"Unter Filtersoftware versteht man in der Regel einen Proxy, also eine Art Sekretariat für
Netzinformationen", erläutert Lutz Donnerhacke von der FITUG.
Da ein Proxy jede Anfrage eines Auftrages bearbeitet, könne er nach bestimmten Kritierien diese
Bearbeitung verweigern. Filtersoftware greife damit in den Datenstrom vor dem Anwender ein. Hier
bestimmen Dritte, über abrufbare Informationen. Filterungen, die die jeweiligen
Infrastrukturbetreiber vorgenommen haben, können deshalb vom Anwender nicht einfach umgangen
werden. Die lokal installierbaren Programme, wie NetNanny oder CyberPatrol, die von fast allen
Browsern unterstützt werden, ermöglichen in der Regel keinen Einblick in die Filterlisten. Hier
werde versucht, generell den Zugang zu Informationen zu verhindern.

Manche Filtersoftware verwendet zusätzlich PICS. Hinter dem Begriff PICS verbirgt sich ein Klassifizierungssystem, welches vom
Inhaltserzeuger bzw. -anbieter (self-rating) oder von einer Rating-Agentur (third-party rating)
in freier Entscheidung eingesetzt wird.
Auch der Nutzer kann entscheiden, ob er ein solches Filtersystem
einsetzen will oder nicht. Nutzer ist jedoch nicht gleich Nutzer: Ein besorgter Vater kann beispielsweise durch zusätzliche
Kategorisierungsinformationen lokal die Anzeige von bestimmten Daten unterdrücken
und für seine Kinder unzugänglich machen. Der Spieltrieb der lieben Kleinen sollte jedoch nicht unterschätzt
werden, die Systeme sind ebenso leicht zu knacken wie ein Fernsehdekoder.
Im Falle einer großen Firma
kann durchaus "die Firma" als Nutzer auftreten und so die Entscheidungsfreiheit der einzelnen
Mitarbeiter einschränken. Ebenso könnte ein Internetprovider die Rolle des Nutzers annehmen und
den Entscheidungsspielraum seiner Kunden begrenzen, erklärt Dietl.

Die verbreitesten PICS Klassifizierungen fußen auf amerikanischen Moralvorstellungen und könnten
nicht einfach auf den europäischen Kulturraum übertragen werden. Im Themenbereich nackte Haut und
Sex würden sich die Amerikaner sehr prüde und verschroben geben, bei den Themen Gewalt und
Rasssismus hingegen sei die Klassifizierung sehr undifferenziert.

Darüber hinaus ergeben sich durch die Filtersysteme
datenschutzrechtliche Probleme.
Es bestehe bei der Administration von Proxies durch Dritte die Möglichkeit, die Aktivitäten der
Benutzer zu ermitteln und so datenschutzrechtlich bedenkliche Profile zu erstellen. Jedoch können
dies im Moment durch die Freiwilligkeit umgangen werden.

Der Gedanke, eine allgemeine Sperre durchsetzen zu wollen, scheitert bereits an der durch die
Verfassung gesicherte
Kommunikationsfreiheit
.
Derzeit sei es möglich, über
Anonymisierer im Netz zu stöbern.
Donnerhacke gibt zu bedenken, dass die Filtersysteme anonymes Surfen nicht akzeptieren und deshalb
unterbinden würden. So ist der Einsatz dieser Technik bisher immer wieder an Protesten
gescheitert.

Lassen sich diese Schutzvorkehrungen noch mit dem demokratisch-freiheitlichen Grundprinzip unserer Gesellschaft
vereinbaren? Wem obliegt überhaupt die Kompetenz, über die zu
indizierenden Inhalte zu entscheiden? Die Gefahr, die sich hinter solchen Filter-Systemen verbirgt
ist nicht immer offensichtlich, denn der Einsatz solcher Systeme bewegt sich sehr nah am Rande der
Zensur.

Filtersysteme können also nicht als eine reelle Möglichkeit zur Bekämpfung rechtspopulistischer
Seiten gesehen werden. Ebenso ist kein gesetzlicher Übereifer nötig, da die rechtlichen Grundlagen
theoretisch ausreichend sind. Ein tiefgreifender rechtlicher Ausweg wäre derzeit nur mit Hilfe einer supranationalen
gesetzlichen Regelung denkbar. Bis dahin muss der deutsche Rechtsrahmen ausgeschöpft werden, damit das Netz nicht zum Nest
für Neonazis wird.