(Artikel) Um herauszufinden, wie der Erstkontakt älterer Menschen mit dem Internet aussieht, hat Christian Heise eine Internetschulung der Volkshochschule besucht. Die Senioren lösen Probleme auch schon einmal mit einem beherzten Click auf das „X“ des Internetbrowsers, beobachtete er.

 

Samstag, zehn vor 10 Uhr, in der Berliner Volkshochschule. Im 6. Stock nach rechts und dem Schild „PC-Pool“ folgen: Die 55 bis 75 Jahre alten Kursteilnehmer der „Internetschulung“, 20 Euro für zwei Tage a vier Stunden, sitzen in Dreierreihen vor den in Reih und Glied aufgebauten Computern.

Im ersten Quartal 2006 stieg der Anteil der über 54-Jährigen Internetnutzer laut Statistischem Bundesamt von 22 Prozent im Jahr
2004 auf 30 Prozent. Neben der gestiegenen Anzahl der Senioren, die das Internet heute nutzen, erhöhte sich auch die Regelmäßigkeit der Nutzung. So verbrachten im Jahr 2004 nur 12 Prozent der über 54-Jährigen mehr als fünf Stunden pro Woche im Internet. Im selben Zeitraum zwei Jahre später stieg die Anzahl derjenigen, die das Internet jeden Tag oder fast jeden Tag nutzten, auf 48 Prozent.

Punkt zehn Uhr beginnt der Dozent in Lehrermanier die "Internetschulung". Schlagartig wird es still und die Damen und Herren lauschen den Worten des Seminarleiters. "Grundlagen des Internets" heißt die Bildschirmpräsentation. In zehn Minuten werden die Kernelemente des "Zwischennetzes" erklärt und Basiswissen über Internetprotokolle und Internetadressen vermittelt. Es gibt keine Fragen.

Im Gegensatz zur allgemein geläufigen Meinung kommt der Erziehungswissenschaftler Marko Hembach in seiner Diplomarbeit zu dem
Ergebnis, dass das Ausmaß an Selbständigkeit im Umgang mit den notwendigen technischen Geräten und an Kenntnissen über das Internet, das Senioren vorweisen, überraschend hoch ist.

In der Volkshochschule wagen die Teilnehmer die ersten Schritte ins Netz: Geduldig erklärt der Seminarleiter wie man auf einem Windows-Rechner den Internet Explorer öffnet. Da tauchen die ersten Probleme auf. Unterschiedliche Startseiten verwirren die Internetschüler und aus Angst, etwas falsch zu machen, beschließt ein etwa 70-Jähriger selbstsicher das Programm mit einem raschen Klick auf das X zu schließen. Der Dozent beruhigt die Situation und klärt das "Phänomen" Startseite umgehend auf. Einem älteren Herrn fällt es schwer, zwischen dem Suchfenster einer Website und dem URL-Fenster des Browsers zu unterscheiden. „Das sind ja beides Eingabefelder“, argumentiert er – und er hat Recht.

Internetseiten werden meist von jungen Designern erstellt. Die gehen davon aus, dass die Seitenbesucher über eine gute Sehfähigkeit und über einwandfreie Motorik verfügen. Mit steigendem Alter sinken jedoch genau diese Fähigkeiten. Hinzu kommt, dass viele Senioren in den Ruhestand treten, ohne sich jemals in ihrem Arbeitsleben mit dem Computer oder dem Internet befasst zu haben. All diese Faktoren tragen dazu bei, dass das Internet für Senioren doppelt so schwer zu nutzen ist wie für Jüngere – obwohl es ihnen Möglichkeiten bietet, ihre eingeschränkte Mobilität auszugleichen.

In der Volkshochschule werden daher Menüleiste und Bediensymbole des Internetexplorers erklärt und in der Gruppe ausprobiert. Dabei erregt die Verlauffunktion, die Auflistung der bislang besuchten Seiten, Aufsehen: "Damit kann ich ja meine Enkel kontrollieren", bemerkt eine ältere Dame. Es dauert eine halbe Stunde bis das Anlegen, Löschen und Sortieren von Favoriten und die Suche erklärt ist. Danach wird gesurft: Die Suchmaschine Google, eine Tageszeitung inklusive Artikelsuche und Archivfunktion und ein Fluganbieter stehen auf der Liste der besuchten Seiten. Bei diesen Klassikern stößt eine Dame auf die Barriere Bezahl-Internet. Beim Durchsuchen des Onlineangebots einer Tageszeitung wird sie aufgefordert, einen Artikel zu kaufen. „Sicher ist das bestimmt nicht“, stellt sie selbstbewusst fest.