(3. August 2006) Im Netz gibt es einen Trend, der auch in Deutschland immer mehr Anhänger gewinnt: das Tagging. Tagging bezeichnet das Zuordnen von frei definierbaren Schlagwörtern (engl. „Tags“) zu einzelnen Objekten im Web. Dies können beispielsweise Links, Fotos oder Textbeiträge eines Weblogs sein. Sinn dieser Schlagwörter ist es, für eine bessere Auffindbarkeit von Inhalten im Internet zu sorgen.
Mit Hilfe von Schlagwörtern können Nutzer ihre eigenen digitalen Sammlungen organisieren. Zudem können sie Inhalte fremder Webseiten verschlagworten und so eine Systematik schaffen, die auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten sind.
Navigation auf Bedeutungsebene
Mit dem Aufkommen von Web 2.0 bricht im Internet eine neue Ära an, in der sich Formate und Plattformen durchsetzen, die in erster Linie auf der Zusammenarbeit vieler Menschen beruhen. Dabei spielt die Verschlagwortung eine wesentliche Rolle. Das Schlagwort ist eine alte Erfindung. Neu ist, dass die Verschlagwortung nicht mehr auf wenige Fachleute wie beispielweise Bibliothekare beschränkt ist, sondern dass jeder mitmachen kann. Die Verschlagwortung der Webinhalte wird damit zu einem gigantischen Gemeinschaftsprojekt. Dass solche Projekte durchaus Erfolg haben können, zeigt das Beispiel der Online-Enzyklopädie
Wikipedia. Die Nutzung von Schlagworten erlaubt dem Nutzer zudem eine Navigation, die auf der Bedeutungszuweisung von Worten zu Inhalten basiert und damit komplett anders als die herkömmliche hierarchische Navigation in Kategorien funktioniert.
Neue Anwendungsmöglichkeiten
Mit Web 2.0 ergeben sich neue Anwendungsmöglichkeiten. Etliche Weblogs und andere Dienste bieten heute ihre Inhalte parallel auf der Website und im RSS-Format an. Die Abkürzung „RSS“ steht dabei für „Really Simple Syndication“ und bezeichnet standardisierte Verbreitungswege von Inhalten im Netz. RSS-Reader, die Lesesoftware für RSS-Links, werten die zu den Beiträgen vergebenen Tags aus und fassen alle Beiträge zu einem Schlagwort automatisch – zum Beispiel in einem bestimmten Themenkanal – zusammen. Wer sich für ein Thema interessiert, braucht also nur noch die relevanten Tag-Kanäle zu beobachten und erfährt so automatisch, welche aktuellen Beiträge zu diesem Thema geschrieben wurden. Neu ist auch die Idee der Tag-Cloud, die häufig zur Navigation eingesetzt wird. Eine
Tag-Cloud ist eine spezielle Darstellung, die Schlagwörter und deren Frequentierung anzeigt. Je häufiger ein Schlagwort auf der Website genutzt wird, desto größer wird es in der Liste dargestellt. So wird schnell klar, welche Schlagwörter oft verwendet werden und zu welchen Themen auf der Website die meisten Inhalte zu finden sind.
Anstatt einen bestimmten Hyperlink auf dem eigenen Computer in dem Ordner als Lesezeichen abzulegen, können Benutzer den Link auf der Webseite
del.icio.us speichern. Der Vorteil ist, dass Benutzer nun von jedem Computer aus auf ihre Lesezeichen zugreifen können. Die Lesezeichen können bei del.icio.us mit Tags versehen werden, um sie besser verwalten zu können. Zudem ist es möglich zu sehen, welche Links andere Nutzer gespeichert haben. So ist es möglich, nach Tags zu recherchieren oder einfach in den Lesezeichen-Sammlungen von anderen zu browsen. Besonders interessant ist zu sehen, womit sich die Experten beschäftigen und welche Lesezeichen sie zu einem Thema ausgewählt haben.
Auf der Webseite der Online-Fotogalerie
Flickr.com können Benutzer nach Fotos mit bestimmten Themen suchen. Sie können dort auch selbst Fotos speichern, sie ordnen und sie der Öffentlichkeit oder einer kleinen ausgewählten Gruppe präsentieren. Die Fotos können in Alben organisiert und mit Tags versehen werden. Sogar Ausschnitte des Fotos können mit Kommentaren versehen werden. So werden die Inhalte von Fotos überhaupt erst auffindbar.
Das Tagging wird von immer mehr Weblogs, die relativ häufig aktualisiert werden, verwendet. Die Suchmaschine
Technorati bietet bietet eine Suchfunktion für Tags. Um bei bestimmten Themen ständig auf dem aktuellen Stand zu bleiben, ist es möglich, Tags zu abonnieren und sich die entsprechenden Beiträge per RSS-Feed zuschicken zu lassen.
Vorteil liegt im öffentlichen Zugang
Der größte Vorteil von Tagging liegt in der unkomplizierten und nicht reglementierten Anwendung. Das Prinzip ist einfach und erfordert keinerlei Vorkenntnisse. Damit ist die Voraussetzung gegeben, dass sich wirklich viele Nutzer beteiligen. Ähnliche Verschlagwortungsprojekte mit komplizierteren Verfahren wie z.B. die
Dublin Core Metadata Initiative scheiterten unter anderem an der mangelnden Akzeptanz der Benutzer.
Tagging bietet überhaupt erst die Möglichkeit Inhalte, welche selbst nicht durchsucht werden können wie z.B. Bilder, auffindbar zu machen. Denn bisher existiert noch kein alltagstaugliches Verfahren zur automatisierten Bilderkennung. Die bestehenden Suchmaschinen können die Inhalte von Bildern nicht erkennen. Sie arbeiten textbasiert. Daher müssen zu Fotos Schlagwörter oder beschreibende Texte per Hand ergänzt werden. Tagging macht Sinn, wenn die Inhalte bereits vom Benutzer selbst erfasst werden – wie z.B. Links oder Kleinanzeigen.
Zudem kommt eine soziale Komponente zum Tragen, der sich Amazon schon fast seit Beginn seiner Existenz bedient: Wer gerne dies liest, liest auch gerne jenes, lautet die Grundidee. Auch Dienste wie del.icio.us folgen dem Empfehlungsprinzip und nutzen dazu das Prinzip des
kollaborativen Filters. Wem diese Links gefallen haben, dem werden auch die folgenden Links gefallen. Die Tags weisen dabei den Weg zu Sammlungen, die bestimmte Themen als Schwerpunkte haben. So sind dort meist auch Links auf Webseiten zu entdecken, die einem beim Einsatz einer Suchmaschine wahrscheinlich entgangen wären. Auch werden keine Unmengen von Suchergebnissen angezeigt, da bereits eine Vorauswahl getroffen wurde.
Tagging beinhaltet auch Schwächen
Die Schwächen von Tagging haben ursächlich ebenfalls mit dem vermutlich wichtigsten Erfolgsfaktor zu tun, der unkomplizierten und nicht reglementierten Anwendung. Niemand gibt vor, wie die Tags zu lauten haben. So findet man Inhalte zum Thema Musik unter dem Tag „mp3“ genauso wie unter „Musik“ oder dem englischen Begriff „music“. Vor allem Einzahl- und Mehrzahl-Konstruktionen erschweren die Nutzung von Tag-Sammlungen, aber auch die Sortierung nach verschiedenen Sprachen. Eine systematische Verschlagwortung von Inhalten mit immer gleichen Schlagwörtern, wie sie die Fachleute in den Bibliotheken anwenden, schafft hier Abhilfe. Das setzt aber eine entsprechende Ausbildung und Disziplin bei den Anwendern voraus. Die systematische Verschlagwortung erfordert Fachleute und ist damit für eine breite Anwendung unbrauchbar. Das Problem der fehlenden Eindeutigkeit von Tags und der daraus resultierenden Unübersichtlichkeit ist bekannt. Möglicherweise wird es in Zukunft Lösungen oder zumindest Verbesserungsmöglichkeiten geben. Bisher stellen diese Alltagsprobleme für Anwender und Software-Entwickler noch eine große Herausforderung dar.
Wenn Spam-Firmen das Tagging für sich entdecken, könnten bei einer Suche sehr schnell unsinnige Ergebnisse ganz oben in den Listen erscheinen. Die neuen Tags würden dann schnell nutzlos.
Tagging repräsentiert einen neuen Weg, Information online zu organisieren und zu finden. Es wird die traditionellen Web-Suchen, wie sie von Yahoo und Google angeboten werden, bereichern. Tagging wird Google voraussichtlich nicht ersetzen, aber einige Nutzer werden sich vielleicht stärker der Suche mit Schlagwörtern zuwenden und weniger häufig die bestehenden Suchmaschinen benutzen. Die “Big Player” zeigen inzwischen ein erhebliches Interesse an dem Thema Tagging. So hat Yahoo die kleinen Web-2.0-Unternehmen Flickr und del.icio.us gekauft. Auch Google beschäftigt sich bereits mit dem Thema, so könnten Schlagwörter bei der Verbesserung der Suchergebnisse helfen und Benutzern zugleich alternative Suchanfragen anbieten.