Bahn frei für Wahlcomputer in Hessen. Wenige Tage vor der Landtagswahl am 27. Januar wies der hessische Staatsgerichtshof einen Antrag auf einstweilige Verfügung vom Chaos Computer Club ab. In acht hessischen Kommunen können die Wähler ihre Stimme nun an Wahlgeräten abgeben. Der Student Christopher Harth hat für eine Examensarbeit die Diskussion um Wahlgeräte untersucht. politik-digital.de sprach mit ihm über die Sicherheit von Wahlcomputern.

politik-digital.de: Der hessische Staatsgerichtshof hat dem Einsatz von Wahlgeräten
kurz vor der Wahl zugestimmt. Der Chaos Computer Club (CCC) schreibt aus diesem Anlass von einem „schwarzen Tag für die Demokratie in
Hessen."
Sehen Sie die Stimmabgabe per Wahlcomputer genauso kritisch?

Christopher
Harth: Ich bin nicht der Meinung, dass dies ein schwarzer Tag für
die Demokratie in Hessen ist. Denn ich glaube nicht, dass durch die
Verwendung von elektronischen Wahlgeräten die Wahlrechtsgrundsätze – allgemeine, unmittelbare, freie,
gleiche und geheime Wahl – eingeschränkt werden. Wenn ich über
die Demokratie argumentiere, heißt das ja, dass diese
Grundsätze eingeschränkt würden, wenn ich an Geräten
wähle. Ich finde, das ist nicht der Fall.  

Die
Stimmabgabe bei Wahlen ist in der Demokratie ein zentraler Akt, da
sich darüber die Legislative und die Exekutive legitimieren.
Folglich hat auch die Stimmabgabe jeden einzelnen Bürgers eine
große Bedeutung. Damit man diesen Wahlakt nicht angreifbar
macht und damit der Wähler diesen Akt nicht in Frage stellen
kann, ist es wichtig, dass die Wahlgrundsätze eingehalten werden
– egal, ob bei Wahlen mit elektrischen Wahlgeräten oder bei
Papierwahlen. Ich bin aber der Meinung, dass es durch den Einsatz von
Wahlgeräten zu keiner Einschränkung der Wahlgrundsätze
kommt.

Weiterhin
bin ich nicht überrascht, dass Wahlgeräte nun zugelassen
sind. Ich habe das in dieser Weise erwartet. Und ich sehe darin auch
kein Problem: Ich schätze die Sicherheit von Wahlgeräten so
hoch ein wie die Sicherheit von Papierwahlen. Bei beiden Versionen
gibt es die Möglichkeit zu manipulieren, wenn man das
tatsächlich möchte.

Wie
funktioniert denn eine Wahl über Wahlmaschinen genau?

Das
Wählen funktioniert ganz ähnlich wie bei einer Wahl mit
Stift und Papier: Man geht ins Wahllokal, muss sich dort ausweisen
und wird im Wählerverzeichnis abgehakt. Der Wahlvorstand muss
das Wahlgerät dann zunächst freischalten.

Dem
Gerät liegt eine Folientastatur auf. Diese Folientastatur
besteht aus 1.116 Folientasten. Die Bedienfläche muss im Vorfeld
programmiert werden. Unter der Folie liegt sozusagen der Stimmzettel,
wie man ihn von der Papierwahl her kennt.

Der
Wähler macht sein Kreuzchen statt mit einem Stift nun dadurch,
dass er auf eine Taste drückt. Wenn man sich verwählt hat,
hat man die Möglichkeit zur Korrektur. Der Vorteil der Geräte:
Man kann nicht mehr unbewusst ungültig wählen. Das Gerät
weist nämlich auf Fehler hin. Der Wähler kann nur noch
bewusst eine ungültige Stimme abgeben, dafür gibt es eine
spezielle Taste.

Wenn
der Wähler sich sicher ist, das Richtige eingegeben zu haben,
drückt er auf die Taste „Stimmabgabe". Das Gerät zeigt
dann die gewählte Partei an, zum Beispiel: „Sie haben SPD
gewählt." Anschließend wird das Gerät automatisch
gesperrt, bis der Wahlvorstand es erneut freischaltet.

Es
gibt zwei verschiedene zugelassene Gerätetypen: ESD I und ESD
II. Das für Kommunalwahlen in Hessen zugelassene Wahlgerät
ESD II, besitzt im Unterschied zum Typ ESD I Leuchtdioden neben den
Tasten, die beim Kumulieren [Häufeln der Stimmen auf einen oder mehrere
Kandidaten, Anm. d. Red.] anzeigen, wie viele Stimmen einer Kandidatin oder Partei
gegeben wurden. In Hessen können wir die Stimmen kumulieren,
also jeder Person bis zu drei Stimmen geben.

Sie
schreiben in Ihrer Examensarbeit, dass bereits 2006 mehr als 15
Millionen Mal an elektronischen Wahlgeräten gewählt worden
ist. Kam es dabei zu Fehlern?

Ich
habe mit Kommunen gesprochen, die die Geräte einsetzen. Da war
die einhellige Meinung, dass alles sehr gut funktioniert.

Als
Argumente für einen Einsatz von Wahlmaschinen nannten die
Kommunen Zeit- und Kostenersparnis. Man müsse bei den
Kommunalwahlen auch die Rathäuser nicht für zwei oder drei
Tage schließen. Das ist in Hessen manchmal nötig, da wir
mit Kumulieren und Panaschieren ein recht kompliziertes Wahlsystem
haben und die Auszählung lange dauern kann. Zudem braucht man
weniger Wahlhelfer. Bei einigen Kommunen kommt noch hinzu, dass man
auch die Zahl der Wahlbezirke reduzieren könne, was wieder eine
Kostenersparnis darstellt.

Haben
Ihnen die Kommunen auch Kritikpunkte an den Wahlmaschinen genannt?

Die
Kritikpunkte der Kommunen, die die Wahlgeräte nicht einsetzen,
waren: 1. zu teuer in der Anschaffung und 2. zu unsicher. Wenn ich
mir in den letzten Tagen 20 Wahlgeräte angeschafft hätte,
wäre ich auch nicht so sicher gewesen, was passiert wäre,
hätte ich sie doch nicht einsetzen dürfen. Hätte ich
sie dann in den Keller gestellt?

Es
kam auch immer wieder die Frage: Ist das die Zukunft? Ist das
tatsächlich die Technologie? Oder haben wir in 20 Jahren
Internetwahl und die Wahlgeräte sind schon wieder von gestern?

Von
Kritikern der Wahlgeräte hört man, dass die Auszählung
der Stimmen nicht transparent genug sei. Wie nachprüfbar sind
die Ergebnisse der Wahlgeräte denn, wenn man keine menschlichen
Auszähler zum Vergleich hat?

Das
ist genau der Punkt: Gerade das Beispiel in Langen hat gezeigt, dass
die Handauszählung anfälliger ist [Die hessische Kommune
Langen führte genau wie sieben andere Kommunen am 9. Januar eine Testwahl mit Wahlhelfern und
Wahlcomputern durch. Bei der Stimmzettel-Auszählung per Hand gab es
Unstimmigkeiten, da Stimmzettel falsch zugeordnet wurden. Anm. d.
Red.].

Der
Nachteil bei den Wahlgeräten: Der Wähler hat am Ende nichts
in der Hand. Er muss sich darauf verlassen, dass das Gerät
funktioniert. Und er muss sich darauf verlassen, dass die Anzeige
stimmt. Der Knackpunkt ist: Es kann nicht überprüft werden,
was im Inneren des Wahlcomputers mit der Stimme passiert. Es gibt ja
keinen Ausdruck, auf dem steht „Sie haben jetzt diese Partei
gewählt".

Was
passieren kann: Jemand kann die Wahl manipulieren, indem er Wochen
vorher die so genannten Eeproms [Erasable
Programmable Read-Only Memory,
elektrisch löschbarer, programmierbarer Nur-Lese-Speicher,
Anm. d. Red.] – die Chips, die auf den Speichermodulen sitzen –
austauscht, umprogrammiert und das nach der Wahl wieder rückgängig
macht. Das kann man im Nachhinein nicht mehr überprüfen.

Es
geht dabei nicht darum, dass jemand von außen, also ein Wähler,
die Wahl manipuliert. In einem Video vom Chaos Computer Club kann man
zwar sehen, wie sich die Eeproms in 60 Sekunden austauschen lassen.
Doch dafür muss man die Rückseite der Wahlgeräte
öffnen – die Geräte stehen aber mit der Rückseite
zum Wahlvorstand.

Die
Gefahr ist vielmehr darin zu sehen, dass ein Innentäter die Wahl
manipulieren kann. Das Gegenargument, was diesen Aspekt für mich
wieder etwas relativiert: Ein Innentäter, also z. B. jemand aus
dem Rathaus, muss mit der Wahl zu tun haben. Dieser könnte somit
genauso die Papierstimmzettel manipulieren. Gerade bei der Briefwahl
gäbe es zahlreiche Manipulationsmöglichkeiten. Wenn jemand
die Wahl wirklich manipulieren möchte, macht er das sowieso,
egal ob mit Wahlgeräten oder mit Stimmzetteln.

Ein
weiterer Kritikpunkt an den Wahlgeräten ist die Speicherung der
Daten. Kann man denn vom Protokoll der elektronischen Stimmabgabe
darauf schließen, wer was gewählt hat?

Dazu
müssten wir genau wissen, wie die Geräte technisch
funktionieren. Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie man eine
Stimme dem Wähler zuordnen kann.

Der
Chaos Computer Club hat getestet, dass die elektromagnetische
Abstrahlung der Wahlcomputer mit entsprechenden Empfängern
ausgelesen werden können, wenn man vor dem Wahllokal steht. So
könne man sehen, wer gerade in diesem Moment welche Stimme
abgibt. Kann man sicher. Die Frage ist nur: Wer macht das? Den Nutzen
sehe ich nicht.

Liest
man Artikel über Wahlgeräte, erhält man den Eindruck,
dass ihr Einsatz allgemein sehr negativ gesehen wird. Woher kommt die
öffentliche Skepsis? Ist das die Angst vor allem Unbekannten?

Genau
das war auch mein erster Eindruck. Vor allem die Artikel im Internet
sind alle sehr kritisch. Man findet selten einen positiven Beitrag,
wie zum Beispiel den von meinem Dozenten Christoph Bieber und
Christian Marx bei Telepolis – der aber auch
die entsprechenden Kommentare bekam.

Charakteristisch
ist ja, woher diese negativen Artikel kommen: oft von heise.de oder
aus dem Umkreis des CCC.

Auf
der Internetseite des Herstellers wahlsysteme.de – was man
natürlich auch kritisch sehen muss, dort stehen dann nur die
positiven Berichte – finden sich, u.a. über die Testwahl in
Langen, auch einige neutralere Artikel.

Christopher Harth studiert an der
Universität Gießen Lehramt für Gymnasien mit den
Fächern Mathematik und Sozialkunde. Für seine Examensarbeit
führte er Interviews mit Wahlleitern aus hessischen Kommunen,
Constanze Kurz vom Chaos Computer Club und der Vertreiberfirma der
Wahlmaschinen, der HSG Wahlsysteme.

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