Die SPD-Europaabgeordnete
Erika Mann über die Bedeutung
des Wassenaar-Abkommens und den Mangel an Multimedia-Kompetenz
in der Bonner Bundesregierung und die Notwendigkeit einer New Media-Task Force.
politik-digital: Haben sich mit dem Abkommen von Wassenaar die USA nun ein Kryptoverbot
durch die Hintertür in Europa erreicht?
Erika Mann: Nein, ganz sicher nicht. Das Abkommen von Wassenaar wird an dem Ziel
der EU die Verschlüsselung zuzulassen nichts ändern. Ich halte es dennoch
nicht für klug, daß Deutschland dieses Abkommen ohne große politische Debatte
unterschrieben hat. Dieses Abkommen hat unnötige Unsicherheit in der
digitalen Wirtschaft und bei den Bürgern gesorgt.
Ermutigende Signale kommen aus Frankreich. Frankreich hat am 29. Januar 99
Verschlüsselungstechnologien bis 128 Bit freigegeben.
politik-digital: Aber wie konnte es dann zu der Unterschrift in Wassenaar kommen?
Erika Mann: Die deutschen Vertreter in Wassenaar haben das Spiel der USA
offensichtlich nicht durchschaut. Letztlich haben wir es hier mit einem
generellen Problem zu tun. Das Thema Multimedia wird in der neuen rot-grünen
Regierung von zu vielen Stellen gleichzeitig bearbeitet. Oft wissen die
Verantwortlichen deshalb gar nicht, wie z.B. in diesem Fall auf dem Bereich
e-commerce, welche Auswirkungen das insgesamt haben kann, weil sie es wie
beispielsweise Innenminister Schily nur aus Sicherheitsperspektive sehen.
Es fehlt einfach jemand, der diese zahlreichen Kräfte und Initiativen in
der Kultur- und Medien, der Wirtschafts-, Bildungs- und letzlich auch in der
Innen- und Rechtspolitik koordiniert. Deshalb plädiere ich für die Schaffung
einer ressortübergreifenden Task-Force, in der die Experten aus allen relevanten
Bereichen zusammengefaßt sind. Damit verhindern wir nämlich, daß die
Bundesregierung zukünftig in Sachen Multimedia-Politik nicht nur reagiert,
sondern mit eigenen Konzepten und Initiativen die Multimedia-Politik auf
europäischer und internationaler Ebene aktiv mitgestaltet.
politik-digital: Bedeutet die deutsche Unterschrift unter das Abkommen denn nun wirklich eine
Gefährdung für den Multimedia Standort Deutschland, wie einige bereits befürchten?
Erika Mann: Nein, das ist völliger Unfug. Das sind bewußte Fehlinterpretationen des
Vertragstextes, die von bestimmten Kreisen aus nachvollziehbaren Gründen
gestreut werden. Denn wer das Abkommen genau liest, wird feststellen, das
Verschlüsselungstechnologien wie PGP weiterhin angeboten werden dürfen.
Restriktionen gibt es, soweit ich dies sehe, im Bereich Lizenzen, dies kann
problematisch genug sein.
politik-digital: Wird es dann zu einer Einigung zwischen USA und Europa kommen?
Erika Mann: Die USA werden festhalten, daß sie sich trotz des Wassenaar mit ihrer
Krypto-Verbotspolitik nicht werden durchsetzen können. Auch in ihren eigenen
Reihen gibt es mittlerweile ermutigende Stimmen, die für die Freigabe von
Verschlüsselungssoftware plädieren.
politik-digital: Was halten Sie von der Möglichkeit, den Bürgern über Verfahren wie P3P die
Möglichkeit zu geben, mit ihren Profildaten zu handeln?
Erika Mann: Warum nicht. Ich bin in dieser Frage noch zu keiner abschließenden
Bewertung gekommen, aber was spricht dagegen? Solange wir uns auf einen
Rahmen einigen und die Menschen nicht genötigt werden, intimste Angaben
über sich preiszugeben, um mit einem Internet-Anbieter ins Geschäft zu
kommen, ist dagegen eigentlich nichts einzuwenden. Hier müssen also
entsprechende Schutzmechanismen z.B. für Kinder klar definiert werde.
Das Interview mit Erika Mann führte Philipp Stradtmann.