In unserer Interviewserie stehen die Verantwortlichen aller deutschen
Parteien für Soziale Netzwerke im Bundestag Rede und Antwort. Was sind
die Visionen, Strategien und Hoffnungen, die das Web-2.0 im Wahlkampf zu bieten hat? Die Fragen stellte Patrick Brauckmann.

Nachfolgend das Interview mit Sebastian Reichel, Projektbereichsleiter "Online-Wahlkampf" der SPD.

Sebastian Reichelpolitik-digital.de: Herr Reichel, Sie sind bei der SPD verantwortlich für das partei-eigene Social Network „meineSPD.net“. Welche Aufgaben verbinden sich noch mit Ihrer Tätigkeit?

Sebastian Reichel: In meinen Aufgabenbereich fallen alle organisatorischen und konzeptionellen Fragestellungen rund um die digitalen Medien.

politik-digital.de: Wie ist das Network historisch entstanden? Wer hatte wann die Idee dazu?

Die SPD hat das Internet immer als aktives Medium verstanden. Daraus resultierten Projekte wie die Online Campaigning Teams (2002) und die Rote Wahlmannschaft (2005). Zwischen 2001 und 2007 hat der SPD-Parteivorstand zudem sehr erfolgreich mit einem eher statischen Mitgliedernetz, SPD-Online gearbeitet. meineSPD.net entstand 2007 in Zusammenarbeit mit der SPÖ. Wir haben campa.at, die bereits funktionierende Community der SPÖ, adaptiert und auf unsere Bedürfnisse weiterentwickelt.

politik-digital.de: Wie lange gibt es meineSPD.net schon und wie viele Mitglieder sind registriert?

meineSPD.net wurde im Oktober 2007 gelauncht. Derzeit sind dort knapp 30.000 Nutzer registriert. In diesem Jahr haben wir das Angebot zudem durch eine öffentliche, niedrigschwellige Mobilisierungsplattform ergänzt. Auf www.wahlkampf09.de kann man mit wenig zeitlichem Aufwand in den Wahlkampf einsteigen, mitmachen und so Frank-Walter Steinmeier und die SPD unterstützen. Dort sind derzeit über 11.000 Nutzer registriert. In meineSPD.net findet dann die Vernetzung derjenigen statt, die tiefer einsteigen wollen.

politik-digital.de: Wie hoch ist die Zahl der Posts pro Mitglied? Greifen Sie zudem die Debatten im Network für die Partei in irgendeiner Weise auf?

Die Diskussionen in den Foren werden von uns verfolgt und intern aufbereitet. Die Ergebnisse der „Programmwerkstatt“ fanden Eingang in die Programmdiskussion.

politik-digital.de: Wo steht das Social Network strategisch im Wahlkampf? Wie würden Sie ihre Zielgruppe im Netz definieren?

Angebote wie wahlkampf09.de und meineSPD.net sind Scharniere zwischen der Onlinekampagne und dem Wahlkampf vor Ort. Wir wollen an die Orte, wo die Wählerinnen und Wähler sind. Also sowohl in die Fußgängerzonen und vor den Supermarkt, aber eben auch in die sozialen Netzwerke im Internet. Auf unseren eigenen Plattformen motivieren wir unsere Anhänger, diese Wege mitzugehen und unsere Angebote als Sprungbretter für eigene Aktionen zu nutzen. Wir richten uns an all diejenigen, die Politik und Personal der SPD unterstützen und voran bringen wollen, egal ob als haupt- oder ehrenamtliche Funktionäre, als Mitglieder, als Unterstützer, Sympathisanten oder als Unentschlossene.

politik-digital.de: Welche Strategie verfolgen Sie bei kritischen Beiträgen im Network?

In den Nutzungsbedingungen haben wir einen Kodex aufgestellt. Nur so lässt sich sicher stellen, dass alle Beteiligten einen konstruktiven, sachlichen Mehrwert aus dem Angebot ziehen können.

politik-digital.de: Welchen Grund gibt es Ihrer Meinung nach, dass sich jemand ausgerechnet bei meineSPD.net anmeldet und nicht über studiVZ, facebook oder XING geht – etablierte Netzwerke, in denen die meisten User schon aktiv sind.

Facebook, XING, studiVZ sind Netzwerke mit verschiedenen Zielgruppen und verschiedenen Ausrichtungen. Da reiht sich meineSPD.net als Plattform der SPD ein. Ich vermute, dass die meisten Ihrer Leser bereits in mehreren Netzwerken aktiv sind. In XING, um Geschäftskontakte zu koordinieren. In facebook und studiVZ, um ein eher privates Netzwerk zu pflegen. wahlkampf09.de und meineSPD.net dient der Vernetzung von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten. Hier wird man zukünftig als erstes mit exklusiven Informationen aus der Nordkurve versorgt und hier wollen wir dann auch die Aktiven für die Arbeit in den Wahlkreisen für die heiße Wahlkampfphase ansprechen.

Parteiarbeit endet allerdings nicht an den Grenzen der eigenen Plattformen. Wir organisieren uns darüber hinaus natürlich auch in externen sozialen Netzwerken, zum Beispiel mit den Profilen von Frank-Walter Steinmeier bei facebook oder studiVZ. Wichtig ist, dass wir diese Angebote und Aktivitäten miteinander verzahnen.

politik-digital.de: Information, Kommunikation, Partizipation: Ordnen Sie bitte diese drei Begriffe in den Kontext ihres Network ein.

Das Internet insgesamt ist ein Medium, in dem die drei genannten Begriffe ineinander greifen. Information, Kommunikation und Partizipation laufen an allen Ecken und Enden des Netzes. Unsere Mitglieder, die politischen Entscheidungsträger und die Funktionsträger der SPD nehmen überall Impulse auf und setzen Impulse. Das hat in Gänze natürlich auch Einfluss auf den Politikprozess.

Für unsere Seiten gilt: Wir informieren auf all unseren Plattformen. Der Mehrwert von wahlkampf09.de und meineSPD.net liegt zweifelsohne im Bereich Organisation von Kommunikation. Information und Kommunikation sind wiederum Grundlage für Partizipation und dazu leisten unsere Angebote natürlich einen Beitrag. Sie können, einfacher als bisher, auf verschiedenen Ebenen der Partei an den politischen Prozessen teilhaben und Interessen organisieren. Ein Netzwerk wie meineSPD.net ersetzt jedoch nicht das Engagement vor Ort und in den Gremien der Partei oder in anderen politischen Organisationen. Wir machen bewusst keine Partizipationsversprechen, die wir nicht einhalten können.

politik-digital.de: Welche Rolle spielen die Spitzenkandidaten und deren Team im Network – engagieren die sich selbst?

Frank-Walter Steinmeier und Martin Schulz sind natürlich in die Konzeptionierung ihrer Auftritte eingebunden. In bestimmte Aktionen, wie zum Beispiel den Jovoto-Wettbewerb, bei dem wir ein Signet für Steinmeier gesucht haben, war Frank-Walter Steinmeier auch persönlich engagiert und involviert. Weitergehende Konzepte für das persönliche Engagement werden kommen, die halten wir uns natürlich noch offen.

politik-digital.de: Viele Community-User waren aufgebracht, als im letzten Jahr einige Nutzer und eine Gruppe von meineSPD.net gesperrt wurden. Wie kam es dazu?

Die angesprochene Gruppe verstieß gegen die oben genannten Nutzungsbedingungen.

politik-digital.de: Wenn Sie den Anteil an interner und externer Kommunikation über ihr Social Network in Prozent angeben müssten, wie sähe die Verteilung dann aus? Woran machen Sie das fest?

Wenn Sie die Teilung von interner und externer Kommunikation an der Parteimitgliedschaft fest machen: Der überwiegende Teil der in meineSPD.net registrierten Nutzer sind Parteimitglieder.

politik-digital.de: Wofür nutzen Sie selbst das partei-eigene Netzwerk und wie häufig posten Sie Beiträge?

Es wird niemanden überraschen, wenn ich sage, dass soziale Netzwerke insgesamt zu meiner täglichen Arbeit dazugehören. So auch meineSPD.net, welches ich z.B. nutze, um Kontakt zu Internetverantwortlichen der Partei zu halten.

politik-digital.de: Ihre Vision für Ihr Social Network im Wahlkampf 2009:

Eine Vision braucht man da nicht, die großen Linien zeichnen sich ja bereits ab. Wir haben mit wahlkampf09.de ein Format gefunden, welches informativ einerseits und mobilisierend andererseits wirkt. Das werden wir weiter ausbauen und wir werden damit arbeiten. Die darunter liegende Community wird zukünftig etwas „gestrafft“ und übersichtlicher gestaltet sein. Als Organisationsplattform ein unerlässliches Instrument. Interessant und visionär wäre eine Fragestellung, die über den 27. September 2009 hinaus geht: Wie sieht die Regierungskommunikation im Internet aus, wenn Frank-Walter Steinmeier Bundeskanzler ist?