(Kommentar) Die Rechte der Kreativen sind in Gefahr. Der zweite Korb der geplanten Urheberrechtsnovelle beschäftigt sich mit Nutzungsrechten, Privatkopien und Vergütungsregelen für die Urheber. Ein Kommentar von Wolfgang Schimmel von der Initiative Urheberrecht.
Seit 2001 gilt die EU-Richtlinie zur „Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft“. Die notwendigen Anpassungen des deutschen Urheberrechts an diese Richtlinie, die die frühere Justizministerin Däubler-Gmelin als „Korb 1“ auf den Weg brachte, sind seit 2003 in Kraft. Jetzt berät der Bundestag einen urheberrechtlichen „Korb 2“, mit dem die amtierende Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) den „Standort Deutschland“ fit für die „Informationsgesellschaft“ machen will.
Dazu gehört es nach Auffassung der Justizministerin, wichtige Regelungen zum Schutz der Urheber zu beseitigen und ihre Einkommensmöglichkeiten grob zu beschneiden. Gewinner sollen die Verwerter – also etwa Verlage oder Sender – und vor allem die Geräteindustrie sein.
Neue Technik? Pech gehabt!
Was passiert da? Derzeit dürfen Urheber laut Gesetz ihre Werke nur für Verwertungsformen anbieten, die technisch bekannt sind wie – heute! – etwa CDs, Internet, Hörbücher. Rechte für „unbekannte Nutzungsarten“ dürfen sie nicht einräumen. Diese Schutznorm, die leider für ausübende Künstler nicht gilt, macht Sinn: Über Dinge und technische Entwicklungen, von denen man– noch – keine Ahnung hat und haben kann, sollte man keine Verträge abschließen. Die Konsequenz passt allerdings einigen Verwerterunternehmen nicht: Für das, was an neuen Nutzungsarten entstehen wird oder (z.B. ab 1995 im Internet) bereits entstanden ist, liegen die Rechte bei den Urhebern und müssen nachträglich erworben – sprich: bezahlt – werden. Das soll sich laut Gesetzentwurf zum „2. Korb“ gründlich ändern. In Zukunft soll es erlaubt sein, Urhebern auch Rechte für unbekannte Nutzungsarten „abzukaufen“; das wird natürlich sofort in die Verträge übernommen und so den Urhebern, die zumeist praktisch keinen Verhandlungsspielraum haben, aufgedrückt. Es soll aber noch schlimmer kommen: Die Rechte für früher unbekannte Nutzungsarten würden nach dem Entwurf rückwirkend bis 1966 den Urhebern entzogen und den Verwerterunternehmen, mit denen sie Verträge über die bekannten Nutzungsarten abgeschlossen haben, zugewiesen. Es ist zu befürchten, dass dies entschädigungslos geschieht, weil absehbar weder das im Entwurf vorgesehene Widerspruchsrecht greifen, noch der besondere Vergütungsanspruch durchsetzbar sein wird.
Vergütung hat sich auskopiert
Auch die Einnahmen der Urheber und ausübenden Künstler sollen gekappt werden: „Eine deutliche Begrenzung der Vergütungsbeträge“ ist – auch wenn die Justizministerin anderes behauptet – ausdrücklich Ziel des Entwurfs. Es geht um die Vergütung für Privatkopien, die mit dem Kaufpreis von Geräten (z.B. Fotokopierer) oder Leermedien (z.B. DVD-Rohlinge) erhoben wird. Die bisher in einer Anlage zum Gesetz festgeschriebenen Vergütungen sollen künftig zwischen Geräteindustrie und den Urhebern – vertreten durch ihre Verwertungsgesellschaften – ausgehandelt werden. Eigentlich eine gute Idee, um zu vermeiden, dass – wie geschehen – durch Untätigkeit des Gesetzgebers die Vergütungen über mehr als zwanzig Jahre hinweg vom Kaufkraftverlust entwertet werden. Allerdings hat die Justizministerin etwas eigenwillige Vorstellungen von einem „angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen aller Beteiligten“. Die Urheberseite soll nämlich nicht frei verhandeln dürfen und auf keinen Fall zu viel bekommen: Höchstens fünf Prozent vom Gerätepreis darf die Vergütung für alle mit dem Gerät (z.B. DVD-Brenner, MP3-Player, Festplattenrekorder) hergestellten Kopien urheberrechtlich geschützter Vorlagen (Filme, Musik, Bilder, Texte) betragen. Höchstens! Für Geräte, die auch für andere Zwecke eingesetzt werden können (z.B. Drucker für die Ausgabe von Briefen), muss nach den Vorstellungen der Ministerin die Vergütung noch niedriger liegen.
Damit zwingt der Entwurf die Urheberseite, die Vergütungen buchstäblich in den Keller zu verhandeln. Die Preise für kopiertaugliche Geräte wie Scanner, Brenner, PCs befinden sich seit Jahren im Sturzflug. Außerdem werden einige Geräte (z.B. Kopierer, Drucker) ganz offenkundig zu Schnäppchenpreisen angeboten, weil die Hersteller erst mit den – bisher nicht vergütungspflichtigen – Verbrauchsmaterialen (Toner, Tinte) Reibach machen, indem sie dafür mitunter mehr verlangen als für komplette Drucker.
Von einer Mindestvergütung für die Millionen kopierter Werke und Produktionen findet sich nichts im Entwurf. Diese Pläne der Bundesregierung schwächen das kreative Potenzial in Deutschland rechtlich und wirtschaftlich.
Mittlerweile haben im Rechtsausschuss des Bundestags drei Anhörungen zu diesem Entwurf stattgefunden. Die Fragen der Abgeordneten an die Sachverständigen lassen hoffen, dass das Parlament den Angriff auf die Rechte der Kreativen mit der gebotenen Kritik betrachtet.