Die Anzahl der Politiker-Podcasts wächst weiter: Seit dem 6. Januar sendet nun auch Christian Wulff seine eigenen Videobotschaften ins Netz. Muss das sein?, fragt sich politik-digital.de-Autor Sebastian Dörfler.
„Think different“, hat sich da wohl die Niedersächsische Staatskanzlei gedacht: Denn die Podcasts von Herrn Wulff können nur im Quick-Time-Format gestreamt werden. Überwindet man diese technische Hürde durch das Herunterladen des Videos, darf man bald einen Jingle hören, der an die Glanzzeiten der Band „Pur“ erinnert: „Du bist und bleibst mein Lieblingsland.“ Schließlich hält der Ministerpräsident inmitten von zehn kleinen Sternsingern einen Monolog über Toleranz und bürgerliches Engagement: „Ohne den Einsatz vieler ist diese Gesellschaft nicht wirklich lebensfähig.“
Beteiligung unerwünscht
Die Beteiligung vieler ist jedoch zumindest auf dieser Seite nicht vorgesehen. Der Podcast rangiert im gleichen Menüpunkt wie die „Autogrammkarte“, die einem der Minister auf Wunsch zusendet. Das Höchstmaß an „Interaktion“ findet sich da noch in der Reportage "Ständig Auf Achse. Unterwegs mit dem Niedersächsischen Ministerpräsidenten". Darin darf der Leser neben einem übertrieben Technik-affinen Herrn Wulff im Auto Platz nehmen, und erfährt, dass er eigentlich nur noch von 160 Zeichen regiert wird:
„Autobahn 2, 8.55 Uhr, kurz vor Wolfsburg: Wulff liest auf seinem Handy E-Mails und die eine oder andere SMS. Flink fliegen seine Finger über die Tastatur. Er regiert das Bundesland per SMS aus dem Auto heraus. Staatssekretäre, Minister und Mitarbeiter der Staatskanzlei – alle schicken ihm SMS. Und Wulff beantwortet die Kurzmitteilungen, so schnell es eben geht. Immer wieder ruft er an diesem Morgen Angela Merkel an – doch das Handy der Kanzlerin ist dauerbesetzt.“
Wahrscheinlich hat ihr Herr Wulff dann eine SMS geschrieben.
"Liebe Nutzer des Internets"
Noch immer ist der Netzmensch für viele Politiker eine seltsame, nicht ernst zu nehmende Spezies. Man kommt sich vor, als habe man einen ansteckende Krankheit, wenn man von Herrn Wulff mit „Liebe Podcast-Nutzer“ angesprochen wird. Bei Frau Merkel hieß es am Anfang sogar noch: „Liebe Nutzer des Internets“. Wie könnten diese Berührungsängste abgebaut werden?
Zum Beispiel, indem man das Netz nicht nur als einen weiteren PR-Kanal nutzt, sondern an den Umgang mit Politik im Internet die gleichen Anforderungen stellt und es nicht mehr als ein Paralleluniversum versteht. Denn Politik ist im Internet ohne die Beteiligung vieler genauso wenig „lebensfähig“ wie die Gesellschaft. Solange die einzige Möglichkeit zur Mitwirkung jedoch das „Gästebuch“ in der Rubrik „Service“ bleibt, sendet Herr Wulff seine Podcasts weiterhin ins Abenteuerland.