Interview
mit Eckard Schindler, Manager bei KPMG Consulting und verantwortlich
für den Bereich eGovernment, über die Studie Verwaltung der
Zukunft – Status quo und Perspektiven für eGovernment 2000.


Die Zukunft der Verwaltungen heißt e(lectronic)Government. Der Begriff eGovernment steht für die Nutzung von netzbasierten
Technologien innerhalb einer Behörde, zwischen Behörden und mit den Abnehmern öffentlicher Dienstleistungen. e-Government
beinhaltet den Einsatz von Internet, Intranet, Extranet und Electronic Data Interchange (EDI).
Die KPMG, eine der weltweit größten Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, hat zu diesem Thema die
Studie"Verwaltung der Zukunft – Status quo und Perspektiven
für eGovernment 2000" veröffentlicht. Grundlage der Studie war eine Umfrage in den deutschen Bundes-, Landes- und
Kommunalverwaltungen. politik-digital hat den Autor der Studie, Eckard Schindler,
interviewt. Er ist Manager bei KPMG Consulting und verantwortlich für den Bereich eGovernment.

Eckard Schindler

politik-digital: Nach der Auswertung Ihrer Studie und vor dem Hintergrund der Erfahrungen,
die KPMG mit dem Thema hat: Kommt Bewegung in das deutsche eGovernment oder sind wir digitales Brachland?


Eckard Schindler: Die Verwaltungslandschaft bewegt sich schon. Die Kommunen waren dabei die ersten, die sich vor etwa
fünf Jahren mit dem Thema Internet beschäftigt haben. Das Thema kommt nunmehr auf allen Verwaltungsebenen in Bewegung.


politik-digital: Warum sind gerade die Kommunen bei diesem Thema so schnell aktiv?


Eckard Schindler: Weil die Kommunen am ehesten die Schnittstelle zu den Bürgern sind und die Bürger die Internettechnik
in den letzten Jahren mehr und mehr von ihrer Behörde eingefordert haben.


politik-digital: Könnten Sie uns erläutern, was für Vorteile das eGovernment den
Verwaltungen bringt und das vielleicht an einem typischen Verwaltungsvorgang erläutern.?


Eckard Schindler: Eine Zielrichtung ist, dem Bürger über das Internet Zugriff auf Verwaltungsleistungen zu ermöglichen,
beispielsweise einen Hochzeitstermin festzulegen oder sein Kraftfahrzeug anzumelden. Die Vision, wie sie in europäischen
Ländern wie England, Finnland und Österreich bereits sichtbar angegangen wird, ist, dass der Bürger irgendwann durch ein
Portal Zugriff auf alle Verwaltungsleistungen hat und er alle Schritte auf einmal erledigen kann, wenn er z.B. umzieht. Er
muss dann nicht erst die verschiedenen Ämter anlaufen. Dieses One-Stop-Government bringt dem Bürger klare zeitliche Vorteile.


politik-digital: Der zeitliche Vorteil für den Bürger liegt auf der Hand. Was ist der große
Vorteil für die Verwaltungen?


Eckard Schindler: Nehmen wir mal folgendes Beispiel aus einer Kommune. In einem Meldeamt können sich bestimmte
Einrichtungen nach einer Person erkundigen. Berlin bekommt beispielsweise Tausende Anfragen in einer Woche. Wenn es dazu eine
Datenbank im Internet gibt, in welche der gesuchte Name eingegeben wird und gleichzeitig die fällige Abfragegebühr über eine
sogenannte Smart Card (Chipkarte) erfolgt, braucht es niemanden mehr in der Verwaltung, der diese Prozesse abwickelt.


politik-digital: Negativ gesehen kostet diese Entwicklung dann wohl Arbeitsplätze?


Eckard Schindler: Ja, aber u.a. auf die Reduzierung von Personalkosten zielt die Modernisierung der Verwaltungen
ohnehin ab. Die Verwaltungen stehen immer noch unter einem hohen Finanzdruck.


politik-digital: Sie meinten vorhin, dass England, Finnland und Österreich auf dem Gebiet
eGovernment schon sehr weit sind. Wo würden Sie denn Deutschland einordnen?


Eckard Schindler: Ich denke, Deutschland befindet sich durchaus im Mittelfeld. Es gibt andere Länder, die schon vor
längerer Zeit erkannt haben, dass ein solches Thema Unterstützung seitens der Regierungen und seitens der Verwaltungsspitzen
bedarf. Solche Zielvorstellungen gibt es in Großbritannien, wo im Regierungsprogramm klar definiert ist, was bis 2002 über
Internet möglich sein soll, beispielsweise die Steuererklärung. Dieses Verankern auf den höchsten Führungsebenen ist in
Deutschland erst in den letzten Monaten zu erkennen gewesen. Aber auch bei uns wird etwas getan. Wir haben zum Beispiel mit
dem Bundesministerium des Inneren und unserem Technologiepartner Cisco Systems den Wettbewerb
"eGovernment in Bundes- und Landesverwaltungen" ausgerufen,
durch den Projekte gefördert werden sollen.


politik-digital: Welche Bedeutung hat Ihrer Ansicht nach das eGovernment für die
demokratischen Strukturen? Wird unsere Demokratie und ihr Verwaltungsapparat transparenter und pluraler oder nur
technokratischer?


Eckard Schindler: Er kann transparenter und pluraler werden, das ist aber nicht zwangsweise der Fall. Um das einmal zu
erläutern: Das Internet schafft die Möglichkeit, dass Prozesse partizipativer erfolgen. Das heißt, die Verwaltung und der
Bürger können sehr viel enger zusammenarbeiten. So werden in Zukunft stärker die Interessen vieler berücksichtigt. Die
Verantwortung kann stärker verteilt und nach unten gegeben werden. Auf der anderen Seite haben wir Themen wie digitale
Demokratie. Es gibt die Möglichkeit, online zu wählen. Experten erwarten, dass dadurch eine stärkere Aktivierung der Bürger
möglich ist.


politik-digital: Eine andere Frage: Warum denken Sie, dass sich die Verwaltungen mit dem
Einsatz von neuen Technologien schwerer tun als die Privatwirtschaft?


Eckard Schindler: Ich denke es sind drei Effekte. Es gibt den Wettbewerbsdruck nicht, der die Verwaltungen zwingt, die
neuen Technologien sehr viel schneller zu nutzen. Es gibt nur einen Finanzdruck, aber der wirkt mitunter eher kontraproduktiv,
weil dann nichts für Investitionen übrig bleibt. Ein anderer Effekt ist, dass es den Verwaltungen schwerer fällt,
qualifiziertes IT-Personal zu bekommen, da die Privatwirtschaft höhere Gehälter zu bieten hat. Der dritte Effekt ist, dass es
in den Verwaltungen seit gut zehn Jahren andere Modernisierungsthemen gibt. Sie beschäftigen sich beispielsweise mit der
Einführung neuer betriebswirtschaftlicher Steuerungsinstrumente, wie der Kosten- und Leistungsrechnung.

politik-digital: Was sind denn Ihrer Meinung nach die Hinderungsgründe für die Behörden,
eGovernment stärker oder überhaupt zu nutzen?

Eckard Schindler: Gerade die Führungsebene ist sich der Möglichkeiten noch nicht bewusst. Es kommt letztlich darauf
an, vor allem Prozesse durch Internettechnologien zu unterstützen. In der Privatwirtschaft, besonders in den USA, gibt es
auf oberster Ebene einen Chief Information Officer, der strategische Entscheidungen mitbeeinflusst. Dieser Chief hat dabei
zweifellos IT-Sachverstand. In der Verwaltung gibt es einen Referatsleiter IT, darüber einen Abteilungsleiter und dann z.B.
einen Staatssekretär. Wenn der IT-Referatsleiter etwas vorschlägt, hat das nicht das gleiche Gewicht, als wenn das eine
Person auf höchster Ebene tun würde. Außerdem gibt es noch viele ungelöste Fragen…

politik-digital: …der Sicherheitsgedanke zum Beispiel.

Eckard Schindler: …die digitale Signatur ist noch nicht umgesetzt, beim Thema Sicherheit gibt es die Unkenntnis, wie man
damit umzugehen hat. Der letzte Punkt ist im Augenblick, dass das Budget für die Modernisierung neu umverteilt werden muss.
Andere Projekte müssen zurückgestellt werden, um die gewonnenen Ressourcen für eGovernment zu nutzen.

politik-digital: Wie denken Sie, sollten die Mitarbeiter der Verwaltungen an eGovernment
herangeführt werden. In Ihrer Studie sprechen Sie von Pilotprojekten. Wie kann so ein Projekt konkret aussehen?

Eckard Schindler: Wir können uns gut vorstellen, dass allen Führungskräften, z.B. innerhalb eines Ressorts, über
Internet eine Schulung zum Thema "Internet und eGovernment" angeboten wird. Das ganze ist keine fixe Idee. Weltweit wurden
alle Mitarbeiter von KPMG Consulting in so einem eLearning-Projekt fortgebildet. So kann das große Hindernis des
Know-how-Defizites abgebaut werden, um so vor allem aus Sicht der Fachverantwortlichen Ideen für eGovernment-Anwendungen zu
entwickeln.
Ferner könnten in manchen Bereichen E-Business-Solutions auf den öffentlichen Aufgabenbereich übertragen werden. Z.B. nutzt
die Bundesschuldenverwaltung eBanking-Anwendungen zur Depotverwaltung. Ähnliche Solutions könnten z.B. zur Abwicklung der
BAFöG-Darlehen genutzt werden. Die Schwierigkeit für die Behörden ist, herauszufinden, was für sie wirklich sinnvoll ist und
wo schnelle Erfolge zu erzielen sind.

politik-digital: Wird die virtuelle Verwaltung den persönlichen Kundenkontakt vollständig
ersetzen oder wird dieser an bestimmten Punkten auch in Zukunft notwendig sein?

Eckard Schindler: Nein, den persönlichen Kontakt kann man nicht komplett ersetzen. Bestimmte Routinetätigkeiten wird
man über das Internet abwickeln, andere Angelegenheiten jedoch, bei der man ein gewisses Vertrauensverhältnis aufbauen muss,
wenn es um Subventionen und dergleichen geht, werden weiterhin persönlich getätigt. Die verschiedenen Altersgruppen werden
zudem das Internet unterschiedlich nutzen. So wird es nie eine Verwaltung geben, die alles über Internet abwickelt. Es wird
immer drei Möglichkeiten geben, mit der Verwaltung in Kontakt zu kommen: einmal das Internet und dann Call-Center und kleine
Bürger-Offices, bei denen man sich meldet, damit die Angelegenheiten dort von Dritten per Internet für einen erledigt werden.

politik-digital: Als abschließende Frage bitten wir Sie um eine Vision. Wo sehen Sie die
virtuelle Verwaltung durch eGovernment in drei Jahren, wo in zehn?

Eckard Schindler: Ich denke, in drei Jahren hat es einen Schub gegeben. Wir werden die digitale Signatur haben, so dass
viel mehr Transaktionen über das Internet abgewickelt werden. In den Verwaltungen selbst wird man viel stärker das Intranet
zum Wissenstransfer nutzen. In zehn Jahren werden die Technologien genutzt, um die behördenübergreifenden Prozesse zu
optimieren und das wird zu einer veränderten Verwaltungslandschaft geführt haben. Kommunen, Bund und Länder könnten stärker
verbunden sein. In zehn Jahren werden wir auch in Deutschland durch ein einziges Portal Zugriff auf viele Verwaltungsleistungen
haben.

politik-digital: Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview mit Eckard Schindler führte Arnd Herrmann