politik-digital sprach mit dol2day-Betreiber Andreas Hauser darüber, ob das Politiksimulations-Spiel der CDU
www.wahlkreis300.de zum ernstzunehmenden Konkurrenten wird.

 

politik-digital: dol2day ist der "Marktführer" im Bereich Politiksimulationen im Internet. Fühlt sich die Redaktion geehrt, dass die Idee nun prominent in den Wahlkampf der
CDU integriert worden ist?

Andreas Hauser: Die starke Anlehnung des Wahlkreis300 an der Idee von
dol2day bestätigt sicherlich das von uns bereits vor zwei Jahren erstellte Konzept einer Internetdemokratie. Allerdings sind wir stark verwundert, dass die CDU scheinbar keine Kosten und Mühen gescheut hat, um eine parteipolitische Variante zu kreieren. Besonders die Neutralität der redaktionelle Betreuung ist für die praktische Umsetzung einer Internetdemokratie zwingend erforderlich und in diesem Fall nicht gegeben.

politik-digital: Inwiefern hat sich wahlkreis300.de an der dol2day-Umgebung orientiert bzw. welche Unterschiede weist wahlkreis300.de zur Plattform von dol2day auf?

Andreas Hauser: Wahlkreis300.de hat die grundlegende Eigenschaften von dol2day übernommen. Der Funktionsumfang ist zwar nicht mit dol2day zu vergleichen, die grundlegenden Strukturen sind aber nahezu identisch. Insofern hätten wir uns sicherlich gefreut, wenn Frau Dr. Merkel auf der
CeBIT zumindest einen Hinweis auf den Ideengeber gegeben hätte.

Der entscheidende Unterschied zwischen dol2day und dem Wahlkreis300 ist der Umgang mit der politischen Neutralität. Der Gedanke einer Internetdemokratie zeichnet sich dadurch aus, dass viele unterschiedliche Meinungen aufeinander treffen und über Parteigrenzen hinweg Entscheidungen getroffen werden. Durch die Betreuung seitens der CDU wird sich Wahlkreis300.de den Vorwurf gefallen lassen müssen, diese Neutralität nicht wahren zu können.

politik-digital: Um das Projekt scheint ein juristischer Streit zwischen den Parteien auszubrechen. Grund dafür ist die unerlaubte Verwendung von Parteilogos und die Besetzung parteipolitischer Positionen in der virtuellen Wahlkampfumgebung. Gibt es ähnliche Probleme auch bei dol2day?

Andreas Hauser: Es gab zu Beginn des Projektes vor fast zwei Jahren eine vergleichbare Diskussion mit einer Bundestagspartei bzgl. des Namens ihres virtuellen Pendants. Mit der Feststellung, dass dol2day keinerlei politische Richtung bevorzugt und durch die Unterstützung von dol2day Mitglieder wurde das Problem aber einvernehmlich gelöst.

politik-digital: Der Server von wahlkreis300.de ist seit der Eröffnung der Plattform beinahe öfter offline als online. Woran könnte das liegen?

Andreas Hauser: Das Wahlkreis300.de Team kämpft nun offenbar mit all den Kinderkrankheiten aus denen dol2day bereits herausgewachsen ist. Ich könnte mir vorstellen, dass die verantwortlichen Personen die zahlreichen Probleme technischer und insbesondere organisatorischer Art unterschätzt haben, die sich bei einem solch komplexen System zwangsläufig ergeben. Außerdem gibt es zur Zeit keinerlei Maßnahmen, die dem Missbrauch durch Nutzer des Angebotes vorbeugen.

politik-digital: Die CDU begreift wahlkreis300.de als "politisches Bildungsangebot" für Jung- und Erstwähler. Was kann man dort lernen?

Andreas Hauser: Plattformen wie dol2day bieten politisch interessierten Menschen und natürlich auch den Jungwählern die Möglichkeit, sich spielerisch der Politik zu nähern und die Funktionsweise einer Demokratie kennen zu lernen. Besonders wichtig ist es, sich eine eigene Meinung zu bilden und diese auch nach außen vertreten zu können. Solche Plattformen sind die einzige und beste Möglichkeit, sich mit den unterschiedlichsten Meinungen auseinander zu setzten und andere Denkweisen kennen zu lernen. Die Meinungsvielfalt könnte allerdings in der parteipolitischen Betreuung von Wahlkreis300.de ihre Grenzen finden.

politik-digital: Haben die dol2day-Mitspieler das Projekt bereits wahr genommen und wie beurteilt die Community das Angebot?

Andreas Hauser: Unsere Benutzer haben wahlkreis300.de sehr schnell wahrgenommen und eine lebhafte Diskussion darüber entfacht. Negativ stößt den Mitgliedern insbesondere auf, dass es sich um keine unabhängige Instanz handelt die den Wahlkreis300 zur Verfügung stellt. Hinzu kommen zur Zeit die Serverprobleme und der im Vergleich zu dol2day geringere Funktionsumfang.

politik-digital: Was bedeutet die Popularität von wahlkreis300.de für dol2day? Wird es eine Abwanderung von dol2day-Spielern in Richtung wahlkreis300.de geben, weil man dort enger an die "richtige" Politik angekoppelt ist?

Andreas Hauser: Dass das Angebot an eine "richtige" Partei gekoppelt ist, ist sicher mehr ein Nachteil, denn ein Vorteil. Genau so werten es zumindest die dol2day-Mitglieder und befürchten eine starke Beeinflussung der Wahlkreis300-Mitglieder durch die CDU.

Da der "User-Strom" in beide Seiten fließt, gibt es bei uns keine Befürchtung, dass Mitglieder abwandern werden. Durch die zusätzliche Publicity richten wir uns eher auf einen Mitgliederzuwachs ein.

Erschienen am 21.03.2002