Nachhaltige Informationstechnologie – damit beschäftigt sich die Fachkonferenz Sustainable-IT
am 17. und 18. Oktober in der Berliner Kalkscheune. politik-digital.de sprach mit Organisator Andreas Gebhard von der newthinking store GmbH über stromfressende Computer und die Energiebilanz von Google.

 

politik-digital.de: Im Vergleich zur
Stahlindustrie oder zum Flugverkehr gilt Informationstechnologie
(IT) als sauber. Wir dreckig und ressourcenfressend ist die Branche
denn?

Andreas Gebhard: Jeder, der schon einmal ein kaputtes
Notebook oder ein kaputtes Handy gehabt hat – und ich denke,
das ist jeder – sieht, dass hunderte von Komponenten in so
einem Gerät sind. Das kommt natürlich irgendwoher, das
muss irgendwo hin, das muss betrieben werden. Und dem möchten
wir nachspüren: Wie schmutzig diese Industrie eigentlich ist.
Da geht es auch um Arbeitsbedingungen – also wie die Komponenten
hergestellt werden – die Stoffströme, um Energieverbrauch,
um soziale Aspekte und Gerechtigkeit. Das Ziel des Kongresses Sustainable-IT
ist eine Bestandsaufnahme. Ein Beispiel: Eine Google-Anfrage entspricht
einer Stunde Energiesparbirnen-Leuchten. Oder: Wenn man 365 Tage
im Jahr seinen Second-Life-Avatar nutzen würde, dann verbraucht
der genauso viel Energie wie man selber – mit allen Reisen.
Das würde bedeuten, wenn jeder einen Second-Life-Avatar hätte,
würde man den Energieverbrauch weltweit verdoppelt. Was natürlich
in Anbetracht verschiedenster Klima und Umwelteinflüsse eine
dramatische Katastrophe wäre. Das sind praktische Beispiele,
über die sich die Leute, die sich im Internet bewegen, noch
keine Gedanken gemacht haben.
Man steht da relativ am Anfang. Es ist immer noch eine sehr junge
Industrie, auch wenn es die digitale Revolution schon einige Jahre
gibt. Von daher hat sie ein weißes Image. Das wollen wir nicht
beflecken, aber wir wollen röntgen und schauen: Was ist da
eigentlich Thema?

Neue Anwendungen brauchen mehr Rechenleistung, mehr Kapazität
und erfordern neue Geräte, die wiederum neue Ressourcen verbrauchen
und mehr Elektroschrott produzieren. Wie kommt man aus dieser Falle
wieder raus?

Das ist eine gute Frage. Erstmals braucht man natürlich aufgeklärte
Ingenieure, die sich diesem Thema von Anfang an widmen. Und natürlich
Unternehmer und Unternehmen, die das Thema auch für wichtig
halten. Aber ich wäre stinkreich, wenn ich diese Antwort jetzt
schon geben könnte.

Kann der einzelne Anwender etwas tun?

Definitiv. Allein schon in der Wahl der IT-Komponenten hat man
sehr viele Möglichkeiten, die sich auch im Geldbeutel bemerkbar
machen. Es gibt mittlerweile Computer, die für den Hausgebrauch
nutzbar sind, und die dramatisch weniger Strom verbrauchen. Es gibt
einige Geräte, die auch auf ökologische Herstellung achten,
es gibt Zertifizierungen. Das Bewusstsein wird immer größer.
Wir haben ja mit Verwunderung gesehen, wie schnell die Automobilindustrie
innerhalb von einem Sommer zur grünsten Industrie der Welt
werden wollte. So weit ist man in der IT-Branche noch nicht, dass
man wirklich genau sehen kann, dieser Rechner verbraucht soundsoviel
Energie und dann abwägen, ob man ihn kauft oder nicht. Aber
da wollen wir natürlich hin, dass man den Verbraucher enabled.

Diese Buzzworte IT und Nachhaltigkeit – Ihr schreibt
auf eurer Internetseite zum Kongress „Megatrends“ –
werden seit Jahren diskutiert. Wir wollt Ihr es schaffen, dass der
Kongress mehr bringt, als Diskussionen zu führen?

Es ist in dieser provokanten Formulierung ja schon enthalten: Wenn
man Megatrends hat, ist es nicht zwingend, dass diese auch verzahnt
sind und dass sie etwas miteinander zu tun haben. Ich kann mich
noch sehr gut daran erinnern, dass die Fragen des Klimaschutzes
in deutschen Volksparteien auch eher noch im Munde geführt
wurden, als dass wirklich gehandelt wurde. Da ist auch erst in den
letzten Jahren etwas passiert. Ich glaube, wen man openminded ist
und sich umschaut, was alles unter dieses Thema fällt, dann
remixen wir diese Themenfelder mit einem ganz neuen Blickwinkel.
Ich glaube, dass das eine bisher noch nicht dagewesene Art von Konferenz
ist, weil wir so viele Facetten abdecken. Es kann nur in Dialogform
laufen. Die Teilnehmer und die Referenten haben sich etwas zu erzählen.
Ich glaube, da kommen Leute zusammen, die auf ihren Feldern Kapazitäten
sind, aber bisher noch nicht miteinander zu tun hatten. Und das
ist eine enormer Mehrwert, wenn es gelingen könnte, einen längerfristigen
Diskurs und eine Behandlung des Themas zu machen.

Auf der Konferenz sollen ja auch Praxisbeispiele vorgestellt
werden. Welches findest Du besonders spannend?

Das spannendeste, was es im Moment gibt, sind die Computer, die
mit so massiv wenig Energie auskommen. Wie zum Beispiel beim One-Laptop-per-Child-Gerät
. Da geht es darum, Computerinfrastruktur aufzubauen, wenn
keine flächendeckende Energieversorgung vorhanden ist. Das
ist natürlich super. Das hat so viele soziale, energiepolitische,
wirtschaftliche Implikationen, das finde ich extrem spannend.

Ihr zielt mit der Konferenz ja auch auf die Punkte Demokratie
und Governance ab. Was hat das mit Nachhaltigkeit in der IT-Branche
zu tun?

Nehmen wir einmal den Fall an, dass eine Bundesregierung beschließt
ab dem Jahr 2010 Grenzwerte für den Energieverbrauch von IT-Produkten
in der öffentlichen Verwaltung einzuführen. Dann sieht
man es sofort: Es hat Auswirkungen auf die Hardware und die Stoffe,
die in diesen Geräten verbaut werden und auf die Energiebilanz.

Vielen Dank für das Gespräch.

Die interdisziplinäre Fachkonferenz Sustainable-IT will „über
die Auswirkungen von modernen Informations- und Kommunikationstechnologien
auf die natürlichen Ressourcen“ diskutieren. Sie findet
am 17. und 18. Oktober in der Kalkscheune in Berlin-Mitte statt.
Das aktuelle Programm
kann man hier nachlesen.