(Artikel) Wo Menschen ihr Zusammenleben organisieren müssen, findet Politik statt. Auch in Computerspielen, bei denen die Spieler im Internet gegeneinander antreten. Ein Blick in das soziale Innenleben von Online-Multiplayer-Spielen.

 

Alle 53 Länder Afrikas sind heute digital vernetzt. Seit 1999 hat sich die Zahl der Internetnutzer von etwa 1,14 Millionen auf etwa 6,31 Millionen im Jahr 2002 erhöht. Auch wenn das bei einer Einwohnerzahl von etwa 750 Millionen Menschen wenig erscheinen mag – die Quote steigt beständig. Allein 80 Prozent der Nutzer sitzen in Südafrika.

Aber forciert das Internet die Demokratisierung? Welche Konsequenzen hat die Verbreitung der Digitalisierung? Und vor allem: Welche Hindernisse stehen dem Internet entgegen?

Der Zusammenhang von Politik und Internet ist nicht von der Hand zu weisen. Das Internet ist ein entscheidender Demokratisierungsfaktor unter zahlreichen anderen. Allerdings kommt dem Internet immer stärker die Bedeutung eines „Grundbedürfnisses“ (Kofi Annan) und „Menschenrechts“ (Nelson Mandela) zu. Bei zahlreichen afrikanischen Gipfeln und Abkommen gehört das Internet und andere Kommunikationsmedien inzwischen wie selbstverständlich zur Agenda. So auch beim ersten gemeinsame Gipfel Afrikas und der Europäischen Union im Jahr 2000 in Ruanda: Ein wichtiges Ergebnis war, dass die Akteure die Rolle der NGOs für die Entwicklung des Internets stärkten und anerkannten, dass das Internet einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung von Frieden und Demokratie in Afrika hat.

Das Grundproblem: Ein gewisses Bildungslevel ist Voraussetzung für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit diesem Medium. Die Kluft zwischen Arm und Reich, Informationselite und bildungsfernen Schichten wächst, die so genannte digitale Spaltung ist unübersehbar. Am wichtigsten scheint, das Internet für Universitäten und Bibliothekssysteme zugänglich zu machen. In Sierra Leone haben sich beispielsweise Bildungs- und Trainingsprogramme etabliert, die ausschließlich auf Lern-, Lehr- und Forschungsmaterialien basieren, die online verfügbar sind. Gezielte Fortbildungsmaßnahmen gehören mittlerweile in fast allen afrikanischen Staaten zur Tagesordnung, denn alle Beteiligten wissen: Know-How produziert gleichzeitig einen Bedarf an der Nutzung dieses IuK-Mediums. Die Folge: Entwicklungsländer überspringen analoge Techniken und gehen gleich zu den digitalen Medien über. Auf diese Weise finden sie Anschluss an unabhängige Informationsquellen und können auf ortsunabhängige und effektive Kommunikation bauen: beides Grundvoraussetzungen dafür, am globalen aber auch nationalen Geschehen teilzuhaben.

Unabhängige Informationen und Netzwerkbildung

Die politische Partizipation via Internet nimmt längst konkrete Formen an, wie allein die zahlreichen
Telecenter in ländlichen Gegenden Afrikas zeigen. Telecenter sind im Prinzip Internetcafés mitten im Nichts, Radio und Satellitentechniken sind meist die Basis dieser innovativen Projekte. Eines steht in
Manguzi einer entlegenen Region im Nordosten Südafrikas, eine Anlaufstelle für die verstreute Bevölkerung, Emails zu verschicken, im Internet zu surfen, Kontakt zur Welt zu halten. Ein Schreibservice für Analphabeten gehört in der Regel auch dazu. Ob in Manguzi, im Senegal oder im Rest Afrikas: Viele Bürger sind bereit, Dutzende Kilometer bis zum nächsten Telecenter zu laufen, um ins Internet zu kommen. Allein dieser Hype um die Telecenter ist ein Indiz dafür, dass das Internet als Kommunikationsmedium das existierende Kommunikationsvakuum auch für Normalbürger füllen und unabhängige Informationen bereitstellen kann: Sie sind auf die gesteuerten Meldungen der Regierungen nicht mehr angewiesen.

In westlichen Demokratien schafft es das Internet kaum, diejenigen zu mobilisieren, die sich ohnehin nicht beteiligen, und stärkt eher die Partizipation derer, die schon aktiv sind. In Afrika ist das anders. Interessengruppen haben per Internet bereits erfolgreichen Handlungsdruck auf Regierungen ausgeübt. Das Internet hat so die Demokratisierung auf dem Kontinent trotz diktatorischer Politik begünstigt. Politisches Interesse und politische Beteiligung ist in den meisten afrikanischen Staaten generell groß, wie entwicklungspolitische Experten wie Richard Vengroff oder Michael Magala seit Jahren argumentieren. Ein mögliches Indiz für die hohe Qualität der entstehenden Demokratien. Einer voranschreitenden digitalen Spaltung innerhalb der Gesellschaften lässt sich mit einfachen Mitteln entgegenwirken: Wem Internetzugang und Know-How günstig zur Verfügung stehen, der kann vielseitige Informationen akquirieren und eigene Präferenzen auf die politische Agenda befördern.

Der Weg aus der Marginalisierung

Kriegerische Konflikte, autoritäre militärische Kräfte, die auf die Regierung einwirken, Einschränkungen des Rechts auf Opposition und Beeinträchtigung von Wahlen und gerichtlicher Unabhängigkeit sowie Korruption hemmen Demokratisierung. Telekommunikationsmonopole sind zusätzliche Hindernisse. Energieversorgungsdefizite bewirken, darüber hinaus, dass weite Teile der ländlichen Bevölkerung vom auf Telekommunikation basierenden Fortschritt ausgeschlossen bleiben. Die Folge: Die betroffenen Landesteile werden noch mehr benachteiligt und bleiben technologisch rückständig.

Allerdings stehen nach wie vor einige Regierungen – wie beispielsweise in Benin – der Förderung des Internets und entsprechenden Bildungsmaßnahmen gleichgültig gegenüber. Diese Aufgabe müssen derzeit noch in erster Linie NGOs bewältigen. Ihre Plädoyers für das Internet, für den interaktiven Informationsfluss und das Diskurspotential einer Mehrparteiendemokratie verhallen weitgehend ungehört. Aber es gibt Ausnahmen. Die senegalesische Regierung will den Internetzugang für die breite Masse der Bevölkerung möglichst günstig gestalten und respektiert die in der Verfassung festgeschriebenen Rechte der Meinungs- und Pressefreiheit in der Praxis. In Nigeria wird das Internet als erleichternder Faktor individueller Freiheit, der Presse- sowie Meinungsfreiheit und der demokratischen Entwicklung des Landes bewertet und von der Regierung anerkannt. Zugleich streben diese Länder einen deliberativen politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess an, der über die Teilnahme an Wahlen hinausgeht. Sie wissen, dass sie gerade via Internet wieder an fortgeschrittenere Staaten Anschluss finden können. Beim Blick auf Afrika ist klar: Politische Strukturen stehen derzeit unter Anpassungsdruck, das wissen die Befürworter wie auch die Gegner der Digitalisierung. Aber letztendlich geht es um nichts weniger als einen Weg aus der Marginalisierung.