Der UN-Informationsgipfel steht vor der Tür und die beteiligten Gruppen können sich auf keine gemeinsame Linie einigen. Wer kämpft gegen wen und warum ist es so schwer, Informationsfreiheit zu definieren? Nicole Hänel gibt einen Überblick über die strittigen Punkte und die Streiter.
Vom 10. bis 12. Dezember diesen Jahres findet in Genf der
World Summit on the Information Society (WSIS) statt – zu deutsch: Weltgipfel zur Informationsgesellschaft. Ziel des Gipfels ist es, ein gemeinsames Verständnis und Richtlinien für die Informationsgesellschaft zu entwickeln.
Der einzige UN-Weltgipfel diesen Jahres fristete bisher ein Außenseiterdasein. Die Öffentlichkeit war für das Thema “Informationsgesellschaft” nicht zu begeistern und so wurden Themen wie “Informationsfreiheit” oder “Wissen und Besitz” nur in Insiderkreisen und unter Experten diskutiert. Nun aber ist alles anders. Denn seit der letzten Vorbereitungskonferenz finden auch die Medien immer mehr Gefallen am Gipfel.
Vorbereitungskonferenz als Hindernislauf
Wenn eine vorbereitende Sitzung (PrepCom) zum UNO-Gipfel als “Kindergarten” und Formulierungen in der dort verfassten Deklaration als
“Blablaisierung” bezeichnet werden, ist klar, dass diese Konferenz nicht ohne Schwierigkeiten beendet wurde. Die bisher dritte PrepCom wurde ohne Ergebnis ausgesetzt. Weitere Konferenzen für den Zeitraum vom 10. – 14. November und 7. – 9. Dezember hat WSIS-Präsident Adama Samassekou den Delegierten verordnet. Diese konnten sich bisher auf keine Endfassung der Deklaration einigen, die jedoch als Grundlage für den Gipfel im Dezember gebraucht wird.
Der freie Zugang zu Informationen über das Internet in jedem Staat soll während der PrepComs im November und Dezember noch einmal diskutiert werden. Das selbe gilt für die Verwaltung des Internet und die Aufhebung der sogenannten “Digitalen Spaltung”. Dahinter steht der Gedanke, eine Kommunikationsstruktur in Entwicklungsländern einzurichten. Zum Beispiel mit Open Source-Software könnte diese Staaten der Zugang zur Netzwelt und zu weiteren Bereichen der internationalen Politik und Wirtschaft erleichtert werden.
Wer muckt gegen wen auf? – Und warum?
Der Ausgang dieser Konferenz zeigt, wie viel Brisanz das im Dezember zu behandelnde Gebiet “Informationsgesellschaft” beinhaltet. Gestritten wird nicht nur zwischen den verschiedenen beteiligten Gruppen, bestehend aus Regierungsvertretern, der Wirtschaft und nichtstaatlichen Organisationen (NGO’s), sondern auch untereinander.
Der freie Zugang zu Informationen, Aufhebung der “digitalen Spaltung” und ihre Finanzierung stoßen vor allem bei den Regierungs-Delegierten der Entwicklungs- und Schwellenländer (G21), unter Federführung von China, Indien und Brasilien auf starken Widerstand. Sie sperren sich dagegen, die Entwicklung einer freien Informationsgesellschaft zivilgesellschaftlichen Gruppierungen zu überlassen. Denn das bedeutet für die Regierungen einen Teil ihres Einflusses in Menschenrechtsfragen und freier Meinungsäußerung an die Bevölkerung abzutreten, oder zumindest ihre Vorgehensweisen transparenter zu gestalten. Gegen die Einführung freier Software in Entwicklungsländern sprechen sich vor allem die Vertreter der Wirtschaft aus, die einen Einbruch des Softwaremarktes in diesen Ländern befürchten. Georg Greve, Präsident der
Free Software Foundation Europe und Vertreter des zivilgesellschaftlichen WSIS Koordinierungskreises in der deutschen Regierungsdelegation, sieht diese Gefahr allerdings nicht. Der
Markt in den Entwicklungsländern für die Softwareunternehmen sei finanziell ohnehin uninteressant, gab er in einer gemeinsamen Pressemitteilung des WSIS-Koordinierungskreises zu bedenken.
Vertreter der Zivilgesellschaft werden untergebuttert
Einen Blick sollte man auf das Verhältnis zwischen zivilgesellschaftlichen und staatlichen Vertretern werfen, da dieses zu den größten Spannungen innerhalb der Vorbereitung des Gipfels geführt hat.
Die nichtstaatlichen Organisationen, die auf diesem Gipfel erstmals die Möglichkeit besitzen, aktiv an der Ausarbeitung der Deklaration mitzuwirken, sehen ihren Einfluss schwinden. Da es jedem Arbeitsgruppenleiter, der immer einer Regierungsdelegation angehört, frei steht, zivilgesellschaftliche Vertreter zuzulassen oder auszuschließen, können sich die NGO’s nicht über die Rolle des Zaungastes hinaus entwickeln. Sie haben zwar Mitspracherechte, die letztendliche Entscheidungsgewalt liegt aber immer in den Händen der Regierungsvertreter. Von den über 31 eingebrachten Vorschlägen fanden nur drei ihren Weg in die vorläufige Deklaration. Die NGO’s haben daher ein
eigenständiges Gegenpapier angekündigt. Die nichtstaatlichen Organisationen sehen eine Hauptgefahr in der zu starken Vereinfachung des Deklarationstextes.
Des lieben Friedens willen werden vermutlich viele Passagen der Deklaration allgemein gehalten, damit alle Delegierten sie spätestens während der nächsten Vorbereitungskonferenz bewilligen. Der Veranstalter des Gipfels, die ITU (Verwaltungsrat der Internationalen Fernmeldeunion), staatliche Vertreter aus ärmeren Ländern und Vertreter diverser zivilgesellschaftlicher Institutionen haben bereits angekündigt, dass sie zur anberaumten Konferenz aus Geldmangel in abgespeckter Zahl erscheinen müssen. Eine weitere Vorbereitungssitzung kommt deshalb nicht in Frage.
Aussicht auf Erfolg?
Die Zeichen auf eine erfolgreiche vierte PrepCom stehen schlecht. Zu viele Themen wurde bisher nur halbherzig diskutiert, zu viele Delegierte sehen ihre Meinung in der vorläufigen Deklaration kaum vertreten. Aber die Zeit drängt. Bis spätestens Mitte November muss ein Konsens gefunden werden, trotz der seit PrepCom drei leicht vergifteten Atmosphäre.
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