(Artikel) Was hat es denn nun mit dieser viel zitierten Social Software wirklich auf sich? Was verbirgt sich hinter den gehypten Fassaden? Und was davon ist tatsächlich bedeutsam und von neuer Qualität?

 

In der deutschsprachigen
Wikipedia heißt es: „Als Soziale Software (englisch Social Software) werden (Software-)Systeme bezeichnet, die die menschliche Kommunikation, Interaktion und Zusammenarbeit unterstützen. […] Den Systemen ist gemein, dass sie Aufbau und Pflege Sozialer Netzwerke und von Communities unterstützen und weitgehend mittels Selbstorganisation funktionieren.“ Allein an dieser Beschreibung lässt sich schon ersehen, dass der Begriff „Social Software“ einigen Interpretationsspielraum bietet. Was dieser Definition wohl auf jeden Fall noch hinzuzufügen wäre, ist, dass es bei Social Software eben in erster Linie um internet- bzw. web-basierte Software geht.

Jan Schmidt findet, Social Software sollte man stets zweckgebunden betrachten: sei es (persönliches) Informationsmanagement, Beziehungsmanagement oder Identitätsmanagement. In anderen Worten: Die Software ermöglicht es, online verfügbare Informationen zu finden, zu bewerten und zu verwalten, Kontakte zu anderen abzubilden, zu pflegen und neu zu knüpfen wie auch sich selbst im Internet darzustellen. Besonders wichtig in diesem Zusammenhang: Zum Charakter von Social Software gehört auch, Zugang zu (Teil-)Öffentlichkeiten zu ermöglichen – eben das macht die neue Qualität des Tools aus. Virtuelle Communities und soziale Netzwerke entstehen.

Ein Konzept, das recht stark verankert ist, ist das so genannte Bottom-up-Prinzip. Der so genannte „Grassroots-Journalismus“ ist das beste Beispiel dafür: Viele "unabhängige" News-Ersteller publizieren Nachrichten, die dann wiederum von vielen anderen rezipiert werden, die so genannte Blogosphäre ist dafür paradigmatisch. Der jeweilige Nutzer hat viel Spielraum, wie er mit der jeweiligen Software umgehen und was er damit erreichen möchte. So sind Social-Software-Anwendungen und -Dienste in der Regel auch recht „offen“ gestaltet. Kurz: Das „Walled Garden“-Modell gehört der Vergangenheit an, der Schwerpunkt liegt vielmehr auf der Öffnung in Richtung Nutzer oder der Konkurrenz.

Im Websten nichts Neues

Obwohl der Begriff eigentlich erst seit etwa vier Jahren eine verstärkte Verwendung und Anziehungskraft findet, also im Grunde noch relativ jung ist, sind die prinzipiellen Ideen und Konzepte, die dahinter stehen, genau genommen nicht so neu. So hat bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Vannevar Bush mit seinen Vorstellungen und Ideen, Dinge wie das Web und vor allem erstaunlicherweise auch schon zu dieser Zeit konzeptuell in gewisser Weise die heutige Wikipedia vorweggenommen. Bei ihm heißt sie allerdings „Memex“ und ist im Prinzip eine mechanische Maschine, erfüllt aber zumindest theoretisch das, was man eben heute an der Wikipedia sehen kann. Also eine Enzyklopädie bzw. Sammlung von Wissen, an der sozusagen viele Menschen kollaborativ arbeiten können. Auch Doug Engelbart hat sich mit seinem Forschungsteam in den 1960er Jahren (also um die 20 bis 30 Jahre vor Erfindung des Web von Tim Berners-Lee am CERN in der Schweiz) unter anderem stark mit computer- bzw. netzwerkunterstützten Systemen für kollaboratives Arbeiten auseinander gesetzt. Sie entwickelten mit dem so genannten „Journal“ eine Applikation, die grundsätzlich bereits das vorweggenommen hat, was heute als Weblogs bekannt ist. Ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung Web ist das
Xanadu-System von Ted Nelson. Allerdings ist dieses auch noch stärker darauf ausgerichtet, dass dessen Nutzer gewissermaßen sowohl Konsumenten als auch Produzenten sind – und Informationen konsumieren wie auch publizieren können.

Das war auch der Grundgedanke von Tim Berners-Lee, als er Ende der 1980er das Web „erfand“. Er wollte von Anfang an etwas wie ein „Read/Write Web“. Folglich begrüßt er auch jetzt die jüngere Entwicklung des Web im Zuge von immer größerem Aufkommen von Social Software, insbesondere Weblogs und Wikis. Er spricht sogar davon, dass das Web nun zu seinen Wurzeln zurückkehren würde.

Und so geht’s weiter



So schwammig der Begriff an sich ist, so unklar ist auch, wie und wohin sich Social Software entwickeln wird. Nur eines ist klar: Sie wird wohl nicht einfach so von der Bühne verschwinden. Sie ist eine Art Manifestation einer sich im Umbruch befindenden Gesellschaft, einer Gesellschaft die sich mit modernen Informations- und Kommunikationstechnologien immer mehr in Richtung einer Wissensgesellschaft weiterentwickelt. Mitunter ist von einer „heimlichen Medienrevolution“ die Rede, manche Wissenschaftler sprechen sogar davon, dass sich ein globaler Superorganismus entwickelt, eine Art Netzwerkgesellschaft, das Recht auf Kommunikation rangiert da schon mal als Menschenrecht. Egal was kommt – die Fantasie blüht schon jetzt, von
düster bis
positiv scheint alles denkbar.

Gekürzte Fassung einer Seminararbeit von Robert Thurnher.