Über 100.000 Besuche in zwei Monaten, mehr als 12.000 Einträge und Kommentare, ausführliche Presseberichterstattung – ich-gehe-nicht-hin.de war aus Sicht von politik-digital.de ein voller Erfolg. Bei dem Projekt konnten Nichtwähler Ihre Gründe für eine geplante Nicht-Teilnahme an der Bundestagswahl 2005 darlegen, die Nutzer hatten die Möglichkeit, die Begründungen zu kommentieren. Die Texte können auch weiterhin
eingesehen werden.

Die Texte der Nutzer machen nachdenklich, irritieren und fordern oft zum Widerspruch auf: Auf ich-gehe-nicht-hin.de war ein gehöriges Maß an Desillusionierung mit und Entfremdung vom politischen System zu spüren. Gleichzeitig beweisen die Nutzer, dass auch Nichtwähler politisch denken und handeln – allerdings aus ihrer Analyse andere Schlüsse ziehen als ein großer Teil der Wahlberechtigten. Die Nichtwahl wird oft beschrieben als die Wahl

zwischen “Pest und Cholera”, man sei “nicht mehr bereit, das kleinere Übel zu wählen”. Viele Nutzer forderten mehr Mittel der direkten Demokratie wie “Volksentscheide” oder “Volksbegehren”, da sie sich durch een Urnengang alle vier Jahre als zu machtlos empfinden. Keine guten Noten erhält dabei der Wahlkampf der Parteien – zu oberflächlich, von konkreten Aussagen zurückschreckend, inhaltliche Unterschiede verwischend, finden viele Nutzer. Doch auch für die Darstellung differenzierter und persönlicher Beweggründe, nicht an der Wahl teilzunehmen, wurde die Website genutzt.

Die hohen Nutzerzahlen sagen daher wenig darüber aus, was die Möglichkeit, den Nichtwählern mit der Website eine Stimme gegeben zu haben, wirklich bewirkt hat. Unser Ziel war es nicht, zum Nichtwählen aufzufordern. Wir wollten unter Beweis stellen, dass es einen großen Bedarf gibt, kritisch über Politik, Wahlen und die Nichtteilnahme zu diskutieren – auf Augenhöhe, gleichberechtigt, offen und durchaus auch ungeschminkt. Eigentlich müssten aus unserer Sicht die demokratischen Institutionen solche Angebote unterbreiten, und nicht der Verein pol-di.net mit seinen bescheidenen Mitteln. Für eine solche Nutzung des Internets tritt
pol-di.net seit Jahren ein.

Die Website wurde nun “kalt” gestellt – weitere Einträge und Kommentare sind nicht möglich, da das Moderieren und Betreuen der Website im Wahlkampf ein Fulltime-Job für uns war, den wir leider nicht weiter leisten können. Einzig die “Beiträge vergleichen”-Funktion ist noch aktiv – helfen Sie uns bei der geplanten
Auswertung der Ergebnisse. In unserem
politik-digital.de-Newsletter können Sie sich zudem über Aktuelles informieren lassen. Alle Kommentare und die die Presseschau sind weiterhin
verfügbar.

Je länger das Projekt andauerte, desto deutlicher wurde, dass eine

Auswertung Ihrer Beiträge unbedingt nötig ist, um aus den Texten lernen zu können: Wieso wenden sich Menschen von politischen Geschehen ab? Wie kann man für mehr Akzeptanz des parlamentarischen Systems sorgen? Und: Welche Dialogangebote müssen von den politischen Institutionen angeboten werden?

Wir werden uns in den nächsten Wochen bemühen, finanzielle Unterstützer für eine fundierte wissenschaftilche Auswertung der Ergebnisse zu finden. Gespräche mit Stiftungen und Organisationen sind geplant. Hinweise auf mögliche Unterstützer nehmen wir gerne entgegen.

Wir hoffen, mit dem Projekt aufgezeigt zu haben, wie politische Kultur

aussehen könnte, wenn neue Wege beschritte würden. Unsere Forderung bleibt: Das Internet sollte zur dialogischen Gesprächsaufnahme zwischen Bürgern und politischen Institutionen besser genutzt werden. Gerade die kommunikativen und partizipativen Möglichkeiten der gar nicht mehr so “neuen” Medien müssen

endlich für mehr “eDemocracy” genutzt werden. Auch wenn Online-Kommunikation niemals das persönliche Gespräch ersetzen wird, ist es doch ein exzellentes Mittel, um miteinander ins Gespräch zu kommen und neue Formen des Austausches zu erproben.