(Artikel) Für Musiker werden Social-Network-Websites wie MySpace immer interessanter – vor allem für solche ohne Plattenvertrag. Die Seiten werden zur zweiten Bühne, sogar etablierte Plattenlabels stöbern dort mittlerweile nach hoffnungsvollen Talenten.

 

Bands wie die
Arctic Monkeys,
Lilly Allen,
Gnarls Barkley oder
Panic! at the Disco haben vorgemacht, wie man mit Hilfe eines MySpace-Accounts einen Plattenvertrag bekommt. Ebenso die weniger talentierte
Grup Tekkan, deren Lied „Du bist mein Sonnenlicht“ im März 2006 durch YouTube zunächst zur Lachnummer und dann zum Verkaufsschlager avancierte. Auch wenn sich derartige Erfolgsgeschichten nicht immer als wahr erwiesen haben, wie beispielsweise im Falle der britischen Künstlerin Lilly Allen, die bereits vor ihrer MySpace-Präsenz einen lukrativen Vertrag in der Tasche hatte, schaden sie nicht den Umsatzzahlen.

Melodischer Schrott und musikalische Perlen

Der Musikbereich war von Anfang an ein erklärter Schwerpunkt von MySpace. Die simple Idee von Mitbegründer Tom Andersen war es, Fans den direkten Kontakt mit ihren musikalischen Idolen zu ermöglichen. Mittlerweile zählt das Portal rund 130 Millionen registrierte User und hat es in den Club der
weltweit meistbesuchten Internetseiten geschafft. Verantwortlich für diesen immensen Erfolg dürfte sein, dass sich jeder kostenlos eine virtuelle Präsenz und damit eine Bühne schaffen kann. In Zeiten, in denen jeder ein Popstar sein möchte, hat MySpace damit den Nerv der zumeist jungendlichen Nutzer getroffen. Der geneigte User kann Bilder, Musik und Videos hochladen, ein Blog betreiben sowie durch so genanntes ‚adden’ von virtuellen Freunden ein Netzwerk ausbauen. Die Zähler der Besucher- und Freundeszahlen geben anschließend Auskunft über die Beliebtheit. Da viele Nutzer offenbar aus eben diesem Grund möglichst viele Freunde anhäufen, lauten die meistgeposteten Kommentare schlicht „Thanks for the add“. Zu den inhaltlichen Defiziten gesellen sich oftmals noch die ästhetischen. Auf vielen Seiten blinkt es hier und dort, Text und Bild überlappen sich und die Grundsätze des guten Geschmacks werden schlicht über Bord geworfen. Doch neben den negativen gibt es durchaus positive Aspekte an MySpace: Beim Eintauchen in die MySpace-Welt lassen sich einige musikalische Perlen entdecken. Zahllose durchaus talentierte Künstler bieten ihre Songs dazu umsonst zum Download an. Zudem hilft die Vernetzung gleichgesinnten Musikern miteinander in Kontakt zu treten. Für viele Bands ist die MySpace-Präsenz daher inzwischen wichtiger als die offizielle Homepage.

Aus dem Nichts zum Plattenvertrag

„Richtig geil!“ dürften auch die Berliner Trash-Hip-Hopper
Icke und Er MySpace finden. Die Geschichte des Duos entspricht dem modernen Internetmärchen. Sie stellten ihr selbstproduziertes Video zu ihrem Song „Richtig geil“ auf ihr MySpace-Profil. Innerhalb kürzester Zeit verbreitete es sich in der virtuellen Gemeinde. Mittlerweile zählt ihre Seite mehr als 140.000 Besucher. Da ließ auch das Interesse der Offline-Medienwelt nicht lange auf sich warten. Der Song läuft im Radio, das Video auf MTV, selbst in Sendungen wie „Titel Thesen Temperamente“ tauchten die beiden Spandauer auf. Mittlerweile sind Icke und Er beim Plattenlabel der Fantastischen Vier,
Four Music, untergekommen.

Für Bands ohne Plattenvertrag könnte sich MySpace bald im wörtlichen Sinne bezahlt machen. Wie MySpace-Mitbegründer Chris DeWolfe
ankündigte, plant das Unternehmen, Musikbörsen wie iTunes Konkurrenz zu machen. Rund drei Millionen registrierte Bands ohne Plattenvertrag sollen künftig selbst entscheiden, wie viel sie für den Download eines Songs auf ihrem Profil verlangen wollen. Ein kleiner, bisher nicht festgelegter Anteil soll dabei an das MySpace-Unternehmen fließen. Dies könnte ein lukratives Zubrot zu den Werbeeinnahmen werden, durch die sich MySpace bisher ausschließlich finanziert.

Von der virtuellen auf die reale Bühne

Auch in der Offline-Welt nutzen einige die Vermarktungspotenziale von MySpace. Seit kurzem holt der Berliner Club
Silverwings MySpace-Talente auf die Bühne. Auf der dazugehörigen Website
myspace-live.de kann man aus acht Bands seinen Favoriten wählen. Die drei meistgewählten Bands werden dann live im Club zu bestaunen sein. Besucher mit einem MySpace-Account zahlen dabei nur die Hälfte an Eintritt – vorausgesetzt sie haben den Veranstalter in ihre Top-Freundesliste aufgenommen. Was bei der Konzertveranstaltung noch plausibel erscheint, mutet bei den Kooperationspartnern der MySpace-Live-Seite etwas seltsam an. Hotels und Hostels gewähren MySpace-Nutzern bei
MySpace-Vacancy auf gleiche Weise Rabatt. Bei einem potenziellen Kundenkreis von mehr als 100 Millionen Usern bleibt abzuwarten, welche Formen der Crosspromotion in Zukunft noch auf die MySpace-Gemeinde zukommen.