Im neuen Bundestag
sind die Zuständigkeiten für die Neuen Medien neu verteilt.
CDU/CSU-Opposition befürchtet eine
Zerstückelung der Multimediapolitik


Nach den Amtsantritt von Gerhard Schröder und seinem Kabinett sind die Kompetenzen für die Neue Medien
auf Ministeriums- und Bundestagsebene verteilt und die wichtigsten Posten neu besetzt worden. Wichtigste
Wende unter der Rot-Grün-Regierung: Multimedia ist jetzt vorrangig Wirtschaftsthema. So ist die
Zuständigkeit für das Feld der Informations- und Kommunikationstechnologie (IuK-Technik)
vom Bildungs-
und Forschungsministerium (BMBF)
in das "Bundeswirtschaftsministerium"
(BMWI) gewechselt. Als neuer parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium wird damit der
SPD-Medienpolitiker Siegmar Mosdorf zum zentralen Gestalter der Bonner Multimedia-Politik. Helfen werden
ihm dabei seine guten Kontakte zur Medienwirtschaft und das Know-how, das er sich als Vorsitzender der
Enquete-Kommission "Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft. Deutschlands Weg in die
Informationsgesellschaft" erworben hat. "Nachdem Stollmann als Kandidat für das Wirtschaftsministerium
ausgestiegen ist, heißt der Multimedia-Mann in der neuen Bundesregierung eindeutig Mosdorf", stellte
der Bildungspolitiker Matthias Berninger von Bündnis ‚90/ Die
Grünen Anfang November auf dem Multimedia-Kongreß "Hamburger Dialog" fest. Der Multimedia-Wirtschaft ist
diese Neuakzentuierung nur Recht. Alexander Felsenberg, Geschäftsführer des Deutschen Multimedia-Verbandes
(DMMV): "Unsere wichtigsten An-sprechpartner sitzen ohnehin im Wirtschafts- und Finanzministerium".
Bedauert wird diese Entwicklung jedoch in den eigenen Reihen. So wähnte sich der SPD-Bildungspolitiker
und bundespolitische Internet-Experte Jörg Tauss. schon arbeitslos.

"Ich würde es sehr
bedauern, wenn wir künftig Multimedia nur noch als Wirtschaftsfaktor diskutieren und andere Perspektiven
in der Gesellschaftspolitik vernachlässigen", erklärt er im politik-digital-Interview. Deshalb planen
Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) und ihr parlamentarischer Staatssekretär Wolf-Michael Catenhusen
(SPD) bereits die Gegenoffensive, um das Feld Multimedia nicht allein den Wirtschaftspolitikern in der
Schröder-Regierung zu überlassen. Im Auge haben Sie dabei insbesondere die von CDU-Amtsvorgänger Jürgen
Rüttgers mit Hilfe der Telekom gestartete und vielkritisierte Initiative "Schulen ans Netz".

Neben der Wirtschafts- und Bildungspolitik wird Multimedia in der neuen Regierung aber auch eine Angelegenheit
der Kulturpolitik. Michael Naumann, neuer Staatsminister für Kultur und Medien im Kanzleramt will sich neben
Buchpreisbindung, Holocaust-Denkmal und deut-schem Film künftig auch mit den Neuen Medien befassen. So
scheint das Kompetenzgerangel um die Multimediapolitik bereits vorprogrammiert.

Auch im Bundestag haben die Kulturpolitiker das Thema Neue Medien entdeckt. So wurde in letzter Minute
der Ausschuß für Kultur um den Bereich Medien erweitert. Zur Vorsitzenden dieses neuen
Ausschusses für
Kultur und Medien
wurde die SPD-Abgeordnete und Publizistin Dr. Elke Leonhard gewählt, zu ihrer CDU-Stellvertreterin
die ostdeutsche Diplombildhauerin Dr. Margarete Späte

Die übrige Besetzung des Ausschusses ist äußerst bunt und multimediale Kompetenz auf den ersten Blick rar.
So sitzt als Mitglied die ehemalige niedersächsische Umweltministerin Monika Griefhahn genauso im
Ausschuß wie Bundeskanzler a. D. Helmut Kohl als stellvertretendes CDU-Mitglied. Internet-Experte Tauss
erhielt zunächst keinen Platz in der parlamenta-rischen Entscheiderrunde, wird jetzt aber als
stellvertretendes Mitglied für eine SPD-Kollegin nachrücken.
Bei der ersten Ausschuß-Sitzung in der vorigen Woche hatte er aber schon Gelegenheit, die Arbeit
der Enquete-Kommission Neue Medien vorzustellen. Naumann hörte aufmerksam zu und würdigte die geleistete
Arbeit der Kommission, "muß aber was das Internet betrifft erst noch zum Jagen getragen werden", wie eine
Teilnehmerin der Runde gegenüber politik-digital berichtet.

Angesichts der geteilten Zuständigkeiten von Wirtschafts-, Kultur- und Bildungspolitik fürchtet die
CDU/CSU-Opposition eine "Zerstückelung in der
Medienpolitik"
, wie der CSU-Medienpolitiker Mayer formuliert. Aber auch in den Reihen der Regierungspartei
herrscht Unzufriedenheit über die mehrfache Kompetenzüberschneidung bei den Neuen Medien. Tauss:
"Sicher, ich hätte mir auch gewünscht, daß das an einer Stelle und in einer Person gebündelt ist.
So wie in den USA Al Gore als Vizepräsi-dent den Weg des Staates auf den information highway
politisch federführend gestaltet hat. Ein deutscher Al Gore ist aber noch nicht in Sicht."
In den Reihen von CDU/CSU und FDP-Fraktion wird deshalb bereits über die Einberufung einer
zweiten Enquete-Kommission für Neue Medien nachgedacht. "Das ist nur sinnvoll, um das,
was für im Abschlußbericht der letzten Enquetekommission angeregt haben, jetzt in der Phase
der Umsetzung parlamentarisch zu begleiten", erklärt der CDU-Medienpolitiker
Michael Meister
.

Das Engagement von CDU und FDP ist verständlich: "Eine Enquete-Kommision ist das klassische
Instrument der Opposition, um der Regierung Contra zu geben", merkt ein Regierungsparlamentarier an.
Da nach den parlamentarischen Spielregeln der nächste Kommissions-Vorsitzende ein CDU-Mann wäre,
bietet sich hier ein prestigeträchtiges Amt zur Profilierung. Ambitionen auf den Vorsitz einer
neuen Enquete weist CDU-Medienexperte Meister öffentlich von sich. Fraktionsintern soll aber
auch der CSU-Medienexperte Mayer Ansprüche auf den
Vorsitz angemeldet haben. Strittig ist jedoch noch, mit welchen Themen sich die neue Multimedia-Runde
im Bundestag befassen soll. Während Meister die Themenbreite der ersten Enquete-Kommission beibehalten
will, würde Mayer diesmal den Fokus stärker auf Fragen zur Datensicherheit legen. Gebremst wird
das Bestreben der beiden vom Fraktionsvize und ehemaligen Bildungsminister
Jürgen Rüttgers
Im Gegensatz zu Meister und Mayer ist Rüttgers als Stellvertreter Mitglied im Ausschuß für Kultur und Medien. So mahnt der
Ex-Zukunftsminister zur Besonnenheit: "Wir müssen uns erst einmal anschauen, was die neue
Regierung uns in den nächsten Wochen zum Thema Neue Medien präsentiert. Wenn da Lücken bestehen,
werden wir entsprechend reagieren."