Einfache Lösungen für komplexe Probleme? Genau so präsentiert sich die AfD auf Tiktok und scheint hierbei überaus erfolgreich zu sein, insbesondere bei Jugendlichen.
Die vom Verfassungsschutz beobachtete Partei verzeichnet die höchste Follower-Anzahl und Likes im Vergleich zu allen anderen etablierten Parteien auf der Plattform. Expert*innen führen den Erfolg der AfD bei den vergangenen Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg auch auf die Social-Media-Präsenz zurück. Nun stellt sich die Frage, wie etablierte Parteien diesem Erfolg entgegentreten und junge Wähler*innen zukünftig besser erreichen können.
Es ist bekannt, dass der TikTok-Algorithmus gezielt Inhalte auswählt und vorschlägt, die für die Nutzerinnen emotional ansprechend sind. Dabei lernt der Algorithmus aus dem Verhalten der Nutzer:innen. Jedes Video auf der For You Page (FYP) wird auf Grundlage der individuellen Interaktionen vorgeschlagen, also Likes, Kommentare, geteilte Inhalte und die Verweildauer bei bestimmten Videos. Emotional aufgeladene oder polarisierende Inhalte ziehen in der Regel mehr Interaktionen an, da sie oft starke Reaktionen hervorrufen – sei es Zustimmung oder Widerspruch. Das bevorzugt Inhalte, die populistische oder stark emotionale Botschaften vermitteln. Die AfD bedient genau diesen Mechanismus, mit ihrem populistischen Content.
Emotionale, politische Inhalte müssen aber nicht zwangsläufig auch populistisch sein. Die Linke-Abgeordnete Heidi Reichenick gestaltet auf ihrem TikTok-Kanal ihre Videos sehr abwechslungsreich und erzielt damit eine hohe Reichweite. Im Vergleich: Reichenick hat insgesamt über 222.000 Follower, während Maximilian Krah aus der AfD nur 66.000 Follower hat.
Reichenick startet ihre Videos oft mit Ausschnitten von AfD-Tiktok-Videos, um anschließend auf die dort gezeigten Pauschalisierungen oder auch Sündenbock-Argumentationen hinzuweisen. Die Linken-Politikerin hat dabei öfters eine große Portion Wut im Bauch und weist emotional daraufhin, dass die AfD gesellschaftliche Probleme unzulässig vereinfacht oder Randgruppen vorurteilsbehaftet an den Pranger stellt. Der Slogan der AfD “Sei schlau, wähl blau” wird ironisch mit dem Betrunkenen-Dasein gleichgesetzt. Somit wären diejenigen, die die AfD wählen, gewissermaßen nicht bei Sinnen. Zusätzlich integriert sie in einigen Videos Meme-Inhalte, wodurch der Content ironisch und humorvoll ein jüngeres Publikum durchaus anspricht.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Johannes Steiniger setzt sich ebenfalls auf seinem TikTok-Kanal mit AfD-Videos auseinander, um zu belegen, wie inkompetent die AfD sich mit politischen Themen beschäftigt. Einem Video von Maximilian Krah, der dort die Erfolgsbilanz des türkischen Präsidenten Erdogan lobt, entgegnet Steiniger, dass seit der Amtszeit Erdogans sowohl die Währung als auch die Wirtschaft in der Türkei eingebrochen sind und das Land unter einer hohen Arbeitslosenquote leidet. So versucht er aufzuzeigen, wie politisch inkompetent die AfD politische Sachverhalte beurteilt.
Die Tiktok-Videos des SPD-Bundesabgeordneten Robin Mesarosch sind hingegen länger und textlastiger. Das besondere an den Videos ist, er spricht in seinen Beiträgen in Metaphern und lässt seine Auftritte wie Poetry-Slams wirken. Mesarosch versucht seinen Zuschauer*innen durch emotionale Appelle und lebensnahen Erfahrungen auf Augenhöhe zu begegnen und gleichzeitig über zentrale politische Themen aufzuklären. Genauso wie Steiniger versucht er die Nähe der AfD zu rechtspopulistischen Parteien, die in nicht-liberalen Demokratien an der Macht sind und als das Vorbild der Partei dienen, aufzuzeigen und nennt hierfür z.B. Ungarn.
Der 31jährige Tim Achtermeyer, Landesvorsitzender der Grünen in Nordrhein-Westfalen, integriert ebenso wie Reichenick und Steiniger Memes, Film- oder Interviewausschnitte, die zurzeit in den Sozialen Medien viral gehen, in seine Videos, um durch den kreativen Schnitt eine größere Reichweite zu erzielen. Dabei bedient er sich vieler Jungendwörter oder Anglizismen, um jüngere Wähler*innen anzusprechen. Humorvoll und ironisch hinterfragt er die Aussagen von AfD-Abgeordneten wie z.B. die Abschaffung von Regenbogenflaggen an Gebäuden und ob solche Aktionen wirklich ein Schritt zur Verbesserung des Landes seien. Sein Account enthält überdies auch einige seiner emotionalen Reden im NRW-Landtag . Dabei stellt er sich wütend gegen die Behauptung, dass ein Problem des Landes der Islam sei und erwähnt hierfür Leistungen muslimischer Einwanderer.
Die hier aufgeführten Beispiele machen deutlich, dass es durchaus erfolgreiche TikTok-Kanäle gibt, die sich mit der AfD und ihren populistischen Argumentationen auseinandersetzen. Auch andere Abgeordnete der jeweiligen Parteien sollten zukünftig diesen Beispielen folgen. Eine wichtige Strategie könnte es sein, dass sich politisch demokratische Akteurinnen und Akteure stärker vernetzen, um diesen populistischen Aktionen der AfD und ihren Unterstützer*innen etwas entgegenzusetzen. Diese Strategie arbeiten Daniel Ziblatt und Steven Levitsky in Ihrem Buch How Democracies Die heraus, nämlich, dass die Zusammenarbeit unterschiedlicher politischer Lager eine zentrale Methode zur Bekämpfung von autokratischen Tendenzen ist. So könnte eine stärkere überparteiliche Zusammenarbeit von Parteien und Politiker*innen in Social Media Kanälen zukünftig helfen, die Reichweite gegenüber der AfD zu erhöhen, aber auch die Organisation von Events oder auch Demonstrationen gegen rechts zu optimieren.
Das oft genannte Zusammenrücken in schweren Zeiten, Flagge zeigen gegen Hass und Hetze, sollte sich auch auf den Social Media Plattformen zeigen. Tim Achtermeyer, Robin Mesarosch, Johannes Steiniger und Heidi Reichenick sind momentan vielleicht nur Leuchttürme ihrer Parteien im Kampf auf TikTok gegen die AfD.Aber sie setzen konstruktiv etwas dem Populismus entgegen. Es braucht aber in Zukunft mehr als solche Einzelkämpfer*innen, nämlich eine Strategie aller politisch Engagierten für die Demokratie. Auch oder besonders auf den Social Media Plattformen dieser Welt.
Text: CC-BY-SA 3.0
Foto von Solen Feyissa auf Unsplash