Am 1. Januar 2005 wird der neue Radiosender Motor FM auf der Berliner Frequenz 106,8 auf Sendung gehen. Der Kopf dahinter: Tim Renner, ehemaliger Chef des Musikgiganten Universal Deutschland. Das Businessmodell dahinter: Die Hörer sollen die Musik, die gerade im Radio läuft, kostenpflichtig aus dem Internet downloaden können. Derzeit hat die Internetplattform motor.de nach Angaben der Betreiber bis zu 15.000 Visits am Tag, den 14-tägigen Newsletter erhalten 35.000 Nutzer. politik-digital.de sprach mit Renner über die Zukunft des Online-Radios, über sein Businessmodell und über die Verzahnung des hauseigenen Labels „Motor“ mit dem geplanten Radiosender


politik-digital.de:
Herr Renner, was würden Sie sagen, wenn das Label „Universal“ eine der seltenen Radiofrequenzen beantragt und dann auch bekommt? Wäre die Gefahr gegeben, dass Universal den Radiosender nutzt, um eigene Produkte zu verkaufen?

Tim Renner: Nicht wirklich, weil ich annehmen würde, dass Universal sich vorher eingehend genug mit Radio beschäftigen würde um zu wissen, dass das Medium nicht funktioniert, wenn man es zum Promotionkanal der eigenen Musik degradiert. Auch bei Viva hat das die Musikwirtschaft schnell begreifen müssen: Es war da mitnichten so, dass die Gesellschafter, also die Labels, dort anrufen konnten um zu sagen „nimm dieses und jenes auf die Rotation.“

politik-digital.de: „Motor“ hat gerade eine Frequenz bekommen, die 106,8, auf der ab 1.1.2005 der Sender „Motor FM“ senden wird. Ist das nicht das gleiche? Schließlich ist auch „Motor“ ein Label.

Tim Renner: Motor starten wir wieder komplett neu. Wir haben uns den
Namen „Motor“ gesichert, aber leider nicht die Künstler die früher dort veröffentlicht haben. Das neue Motor hat gerade mal drei Gruppen unter Vertrag. Später werden es vielleicht sieben sein. Davon kann man kein Radio-programm machen, das ist viel zu wenig. Motor wird also Motor FM nicht nutzen, um die eigene Musik zu spielen. Unser Ziel ist, das zu spielen, was wirklich interessant ist.

politik-digital.de: Laut Selbstbeschreibung sieht sich Motor Music als “Die Guten”. Worauf gründet sich so ein Selbstbild? Motor = Underground?

Tim Renner: Das Selbstbewusstsein, erwächst aus der Schwäche des Marktes: Es gibt jede Menge Stagnation, allgemeines Verharren, allgemeine Angst, sich überhaupt zu bewegen. Und Motor ist hoffentlich frech genug, alles zu riskieren. Zudem haben wir alle Erfahrung in diesem Bereich, Erfahrung als Major und als Indie. Was wir wollen ist: Etwas in Bewegung bringen. Deshalb sind wir „die Guten“.

politik-digital.de: Wer bei Motor Musik kaufen und downloaden will, wird seit dem 1. Dezember zum Musikportal musicload von T-Online weitergeleitet. Nich gerade ein kleiner Player, mit dem Sie da gerade kooperieren. Wie verträgt sich das mit dem propagierten Motor-Image, dass man die kleinen und deutschen und Newcomer-Bands fördern will?

Tim Renner: Da wir grosse Systeme kennen, haben wir vor ihnen auch in der Kooperation keine Angst. In der Off-Air-Phase testen wir Musicload, ob das dann auch der dauerhafte Partner für Motor FM sein wird, muss sich zeigen. Fest steht, einer muss die Aufgabe des Download-Providers erfüllen. Möglichst ist das jemand, der die Musik von den Majors bereits lizensiert hat. Ich denke, auf Dauer wird Motor, um seinen eigenen Ansprüchen gerecht zu werden, immer eine Mischung von Partnern haben müssen: Einen großen Player, der die Lizenzen der vier Majors mitbringt, und kleine Player, mit denen die Indies selbständig agieren können. Motor kann nicht ignorieren, wenn eine wichtige Independent-Platte bei einem Major rauskommt. Das ist einer der Knackpunkte, die wir organisiert bekommen müssen.

politik-digital.de: Mit welchem Major werden Sie denn in Zukunft zusammenarbeiten?

Tim Renner: Wir werden mit dem Major Player im Downloadmarkt zusammenarbeiten, der sich am ehesten bereit zahlt … äh!… zeigt … (das war jetzt ein echter freudscher Versprecher) auch Grundkosten zu übernehmen, die man ja einfach hat.

politik-digital.de: Sie haben gesagt man braucht im Moment noch die analoge Welt, um die digitale zu forcieren. Worauf fokussieren Sie sich den nun tatsächlich?

Tim Renner: Wir planen zweigleisig, aber wir marschieren mit voller Wucht mit dem analogen Fuß voran. Wir glauben zwar daran, dass man sich über absehbare Zeit mit Downloads finanzieren kann und sind auf dem Weg dahin. Bis es so weit ist, braucht man aber einen analogen Transmissionsriemen, um es digital zu schaffen. Derzeit haben wir in Deutschland noch nicht genug bezahlte Downloads, die ein nur auf diesen Bereich bezogenes Business erlauben. Um da Schwung reinzubringen, muss man eben analog sehr stark sein – von dort aus muss man dann den digitalen Markt erschließen. Wir wären auch mit unseren Kräften überfordert, rein auf die digitale Schiene zu setzen. Gerade in der Anfangsphase werden wir noch nicht alles liefern können.

politik-digital.de: Heißt das, der Internetbereich bleibt zunächst nur eine Option? Im Moment soll der terrestrische Sender aufgebaut werden?

Tim Renner: Der terrestische Sender definiert den Inhalt und ohne den machen die Funktionen des Netz wenig Sinn. Ja, insofern ist das der richtige Eindruck. Erst muß man Energie haben, dass der Sender überhaupt sendet und ein spannendes Programm macht. Dann kannst du an die Optimierung der Möglichkeiten gehen, die du im Internet hast. Es ist eben nicht so, das du dich von heute auf morgen über das Internet finanzieren können wirst. Erstmal muß ich deine Aufmerksamkeit als Verbraucher bekommen. Das geht nur, indem ich ein Programm hinlege, das richtig gut ist und das die Hörer mitlaufen lassen, während sie am PC sitzen. Zuerst muss der Inhalt stimmen, dann kommt die technische Komponente. Da werden sicher noch sehr viele Kämpfe ausgetragen werden müssen. Denn auf Dauer ist nur eine Lösung befriedigend, bei der wir die Musik, die für uns interessant ist, auf einer Plattform vereinigen können. Die Preisgestaltung muss stimmen, die technischen Standards müssen stimmen und die Relevanz muss stimmen.

politik-digital.de: Was meinen sie mit Relevanz?

Tim Renner: Also, politik-digital.de zum Beispiel ist ja fast schon ein konservativer Ansatz: Ihr interessiert Euch erst mal für die Inhalte, dann erst für die Verbreitung in der Fläche. Das ist, glaube ich, der richtige Ansatz, weil er für Relevanz und Glaubwürdigkeit sorgt. So geht Motor FM auch vor. Am besten wäre, wenn Motor FM eine Stärke entwickelt, dass auch die Majors nicht darum herum kommen, zu sagen, dass ihre Independent-Musik bei uns gespielt werden muss, um relevant zu sein. Dadurch würde man ja eine gewisse Unantastbarkeit bekommen.

politik-digital.de: Es gibt ja grob gesagt drei Formen des Internet-Radio: Die, die ihr Programm einfach live im Netz mitlaufen lassen; die, die ein zeitversetztes Hören einzelner Sendezeiten erlauben. Und dann gibt es noch Sender, die ein interaktives Eingreifen in den Programmverlauf – also auch das Anspielen einzelner Lieder – erlauben. Welchen Weg wird Motor FM im Internet wählen?

Tim Renner: Erstmal werden wir im Internet das Programm live streamen. Fragen, wie der Konsument selbst das Programm verengen oder interaktiv darauf reagieren kann, sind nicht vertagt, aber sie sind auf der Tagesordnung nicht auf den ersten beiden Plätzen.

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zweiten Teil des Interviews mit Tim Renner