(Artikel) Terroristen nutzen das Internet als "Fernuniversität und Trainingscamp", sagt Bundesinnenminister Schäuble (CDU). Seine Warnung ist auch als Kampfansage zu verstehen. Anfang 2007 nahm eine neue Internet-Spezialeinheit ihre Arbeit auf und die gemeinsame Antiterrordatei der Behörden ist beschlossene Sache.

 

In den Monaten nach den Anschlägen vom 11. September 2001 reagierte die amerikanische Öffentlichkeit erschrocken und empört auf Berichte, dass Hinweise im bürokratischen Dickicht der Sicherheitsbehörden verloren gingen, bevor die Flugzeuge in die Türme des World-Trade-Centers stürzten. Das am 30. November 2006 vom Bundestag verabschiedete und als
Antiterrordatei bekannte Gemeinsame-Dateien-Gesetz soll sicherstellen, dass den deutschen Behörden ein ähnliches "Versagen" erspart bleibt. Durch die Vernetzung ihrer Datenbestände können die beteiligten Nachrichtendienste und Polizeibehörden in Bund und Ländern zukünftig ihre Informationen über verdächtige Personen und Organisationen schneller und effektiver austauschen.

Die deutschen Innenminister haben für ihren Einsatz für die Antiterrordatei im vergangenen Oktober den unrühmlichen "
Big-Brother-Award" erhalten. Diesen Negativpreis bekommt, wer die Privatsphäre anderer verletzt und Dritten persönliche Daten zugänglich macht. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, hat sich vehement gegen die Einführung einer sogenannten "Volltextdatei" eingesetzt, in der alle gespeicherten Informationen automatisch für alle beteiligten Behörden einzusehen wären. Sein Einsatz war nicht umsonst, denn die neue Antiterrordatei ist als "Indexdatei" konzipiert, bei der lediglich die Grunddaten verdächtiger Personen wie Name, Anschrift oder Geburtsdatum angezeigt werden. Weitere Informationen sollen dagegen nur nach einer begründeten Anfrage offen gelegt werden.

Zusätzliche Daten sollen nicht gesammelt werden. Die Antiterrordatei zeigt aber, über welche schiere Menge an Informationen der Staat bereits verfügt. Kritiker befürchten, dass Bürger sehr schnell ins Visier der Behörden gelangen könnten – wenn sie zum Beispiel einen flüchtigen Kontakt zu einem Terrorverdächtigen haben. Der Austausch von sensiblen und privaten Daten ist auch bei Nachrichtendienstlern auf Widerspruch gestoßen. Die Spione befürchten, dass Polizisten Zugang zu Geheimdienstinformationen bekommen – dass also vertrauliche Informationen unkontrolliert verbreitet werden.

Der amerikanische Sicherheitsexperte
Bruce Schneier hat die Frage nach dem Nutzen der Daten gestellt. Allein ein ungebremstes Anhäufen von Daten werde Terrorakte kaum verhindern, so Schneier. Auch der Anschlag auf das World Trade Center habe sich nicht vorhersagen lassen. Im Vorfeld wären die vielen Warnsignale wohl auch in einer gut geführten Antiterrordatei in einer Masse von falschen Alarmmeldungen untergegangen, so Schneier.

Die neuen Online-Jäger

Neben dem Beschluss zur Einführung der Antiterrordatei verbuchte Bundesinnenminister Schäuble im November 2006 einen zweiten Erfolg. Der Haushaltsausschuss des Bundestages bewilligte insgesamt 132 Millionen Euro für Schäubles "Programm zur Stärkung der inneren Sicherheit". Damit war auch die Finanzierung der Internet-Spezialeinheit "Internet Monitoring und Analysestelle" (IMAS) gesichert. Rund fünfzig Mitarbeiter überwachen seit Anfang Januar extremistische Websites und versuchen, Transparenz in islamistische Netzwerke zu bringen. Außerdem sollen sie Hetzpropaganda und Anleitungen zum Bombenbau im Netz aufspüren.

Mit der neuen Spezialeinheit sollen bisherige Überwachungsversuche durch den Verfassungsschutz, den Bundesnachrichtendienst (BND) und das Bundeskriminalamt (BKA) gebündelt werden – also eine ähnliche Strategie wie bei der Antiterrordatei. Die IMAS ist innerhalb des Gemeinsamen Terror-Abwehr-Zentrums von Polizei und Geheimdiensten (GTAZ) in Berlin angesiedelt und soll mit modernster Technik ausgerüstet werden. Islamwissenschaftler, Übersetzer und technische Spezialisten sollen die Einheit verstärken.

Im Gegensatz zur Antiterrordatei gab es kaum grundsätzliche Kritik angesichts der Einrichtung der IMAS-Spezialeinheit. Insider zweifeln allerdings daran, dass die neue Dienststelle tatsächlich etwas gegen terroristische und extremistische Umtriebe im Netz ausrichten kann. So hält der Informatiker
Amir Alsbih, der als legaler Hacker unter anderem für das Landeskriminalamt Baden-Württemberg arbeitete, das Internet für schlichtweg zu groß und zu vielfältig für eine effektive Überwachung. Eine verschärfte Internetkontrolle sei letztlich "Ressourcenverschwendung", so Alsbih. Tatsächlich ist die internationale Rechtslage unklar und die Profis hinter extremistischen Internetseiten sind technisch zu beschlagen und flexibel.

Die Äußerungen verantwortlicher Politiker und Beamter deuten jedoch darauf hin, dass es zunächst vor allem darum gehen soll, die Aktivitäten auf einschlägigen Internetseiten zu beobachten und zu analysieren. Dies hält auch der Al-Qaida-Experte
Guido Steinberg von der
Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik für den richtigen Weg. Die Dschihad-Seiten sind Steinberg zufolge "häufig unsere einzige Quelle für Änderungen in Ideologie und Strategie der Gruppen, was Rückschlüsse auf potentielle Anschlagsziele liefern kann."