(Artikel) Fahnder müssen sich nicht mehr undercover in Terrorgruppen einschleusen, um Informationen zu bekommen. Sie schmuggeln einfach ein Spionageprogramm in den Computer. Das Innenministerium will die Online-Durchsuchung von Festplatten per Gesetz erleichtern.

 

Derzeit
fragen Experten, ob der US-Geheimdienst
National Security Agency (NSA) eine geheime Hintertür zu Computern mit dem neuen Vista-Betriebssystem des Softwareherstellers Microsoft hat – schließlich halfen die Agenten beim Programmieren. Auch wenn Microsoft ein angebliches Spionage-Hintertürchen sofort dementierte: Die daraus entstandene Debatte zeigt, dass Nutzern ihre Privatsphäre beim heimischen Computer wichtig ist. Andererseits hat der Landtag von Nordrhein-Westfalen am 20. Dezember 2006 ohne viele Aufhebens die Online-Durchsuchung von Festplatten durch den Verfassungsschutz erlaubt.

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) will Fahndern ebenfalls per Gesetz erlauben, über das Internet mit Schnüffelprogrammen in private Computer einzudringen. Bisher war dies eine rechtliche Grauzone. Begründet wird die Gesetzesänderung mit der Bedrohung durch internationalen Terrorismus. Sie soll aber auch Straftaten wie Kinderpornographie verhindern und aufklären helfen.

Zur technischen Machbarkeit der Online-Durchsuchungen gibt es bisher allerdings nur vage Aussagen. Das Bundeskriminalamt (BKA) hat im vergangenen Jahr nach Angaben des Bundesinnenministeriums bereits Online-Durchsuchungen mit einer neuen Software durchgeführt. In der Schweiz soll nach Informationen der
Süddeutschen Zeitung sogar eine Spionagesoftware entwickelt worden sein, mit der sich Firewalls und Antivirenprogramme umgehen und Internettelefonate abhören lassen.

Unabhängig von den technischen Möglichkeiten stellt sich die Frage nach der Rechtmäßigkeit von staatlich sanktionierten Hacker-Attacken auf Privat-Computer. Die Befürworter der Praxis verweisen auf die Rechtslage bei der Überwachung von Briefen und Telefonaten. Ein Online-Zugriff der Behörden auf einen eingeschalteten Rechner ist in dieser Sichtweise nicht mit der Überwachung der geschützten Privatsphäre gleichzusetzen. Kritiker wie die Landesbeauftragte für den Datenschutz in Nordrhein-Westfalen, Bettina Sokol, bestehen dagegen darauf, dass die eigene Festplatte zum Kernbereich der privaten Lebensgestaltung gehöre. Und der sei vor staatlichem Zugriff geschützt, argumentiert Sokol.

Wie unklar die bisherige Rechtslage ist, zeigt schon die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 25. November 2006 (Az. 1 BGs 184/2006), die bis dahin tolerierten Online-Durchsuchungen durch das BKA zu stoppen. Neben der Opposition hat auch Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) die Pläne ihres Kabinettskollegen Schäuble kritisiert. Wenn der Bundesgerichtshof seine Entscheidung ändert oder der Bundestag Gesetzesänderungen vornimmt, werden trotz aller Kritik Online-Durchsuchungen zu einem legitimen Werkzeug der deutschen Sicherheitsbehörden.