Am heutigen Freitag wurde in Mainz der Koalitionsvertrag für die kommende Legislaturperiode von 2011 bis 2016 vorgestellt. Zukünftig werden sich die Sozialdemokraten unter Ministerpräsident Kurt Beck die Ministersessel mit den Grünen teilen müssen. politik-digital hat unter netzpolitischen Gesichtspunkten einen Blick in den Koalitionsvertrag geworfen.

Unter dem Motto „Den sozial-ökologischen Wandel gestalten“ haben sich die Verhandlungsdelegationen, angeführt von dem Ministerpräsidenten und SPD-Landeschef Beck sowie den beiden grünen Spitzenpolitikern Eveline Lemke und Daniel Köbler, nun geeinigt. Nachdem Meinungsverschiedenheiten über verkehrspolitische Großprojekte an Rhein und Mosel ausgeräumt wurden, soll die energiepolitische Ausrichtung des Landes in den kommenden fünf Jahren zum Schwerpunkt der Zusammenarbeit werden. Aber auch unter netz- und verbraucherschutzpolitischen Gesichtspunkten lohnt ein Blick in das gut 100 Seiten umfassende Papier.

Netzpolitik in der Koalitionsvereinbarung
Ab Seite 79 wird in dem Kapitel „Frei und sicher Leben“ unter der Überschrift „Informationsfreiheitsgesetz und Datenschutz“ umfangreich zu datenschutzrechtlichen Punkten Stellung genommen. Innenpolitisch relevant sind hier vor allem die in den Verhandlungen vereinbarte Novellierung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (POG) und das Ziel, die umstrittene Online-Überwachung einer externen wissenschaftlichen Evaluation zu unterziehen. Ein Punkt, bei dem sich die Grünen in den Verhandlungen durchgesetzt haben. Im folgenden 14. Kapitel mit der Überschrift "Medien- und Netzpolitik" werden von den Parteien der Ausbau des rheinland-pfälzischen Breitband-Netzes, eine verstärkte Schulung von Medienkompetenz bei (Kindergarten- und Vorschul-) Kindern und Jugendlichen sowie ein diskriminierungsfreier Zugang zum Internet angekündigt.

Die zukünftigen Koalitionäre halten zu dem letztgenannten Punkt auf Seite 91 fest: „Für die Freiheit der Information im Netz und den ungehinderten Transport von Daten ist es unerlässlich, die Neutralität des Netzes durch die Betreiber sicherzustellen. Die Gleichbehandlung von Daten im Sinne der Netzneutralität ist für uns hier ein wichtiges Ziel“. Zu den Zielen des bei weiten Teilen der Netzgemeinde kontrovers debattierten Jugendmedienschutzstaatsvertrages bekennen sich SPD und Bündnisgrüne zwar, erklären sich auf Seite 92 aber zugleich dazu bereit, sich einer Fortführung der Debatte mit den Kritikern des JMStV zu stellen.
Genauso wie im angrenzenden Bundesland Baden-Württemberg, wo die beiden Parteien – in umgekehrter Konstellation – vor einigen Tagen ebenfalls ihre Koalitionsvereinbarung vorgestellt haben, machen sich in Mainz die zukünftigen regierungstragenden Fraktionen bei der Bekämpfung von Internet-Kriminalität für den Grundsatz „Löschen statt Sperren“ stark.

Vertrag

Auch zum Thema Online-Bürgerbeteiligung ("eParticipation") wird in der ersten rot-grünen Koalitionsvereinbarung in der Geschichte des Bundeslandes Rheinland-Pfalz Stellung bezogen. So ist auf Seite 93 von der Schaffung eines Bürgerhaushalts und der Etablierung einer eParticipation-Plattform die Rede. Diese solle, so die Autoren weiter, „eine Kombination von Information, Konsultation und Partizipation der Bürgerinnen und Bürger“ möglich machen. Die Landesverwaltung im Südwesten soll beim Thema eGovernment weitere Fortschritte machen und in diesem Zusammenhang Dokumente und Antragsverfahren barrierefrei und „überwiegend elektronisch“ bereitstellen.
Erwähnenswert erscheint mit Blick auf die zukünftige rheinland-pfälzische IT-Infrastruktur darüber hinaus, dass die beiden Parteien sich in den kommenden fünf Jahren – „sofern fachliche Eignung, Wirtschaftlichkeit und Sicherheit dem nicht entgegenstehen“ – vermehrt um die Einführung von Open-Source-Softwareprogrammen in der Landesverwaltung bemühen wollen (vgl. S. 93 der Vereinbarung).

Am kommenden Wochenende müssen Sozialdemokraten und Bündnis90/Die Grünen das heute vorgestellte Vertragswerk noch auf ihren jeweiligen Landesparteitagen absegnen lassen. Die SPD war nach der Landtagswahl vom 27. März, bei der die Partei im Vergleich zum Urnengang von 2006 gut 10 Prozentpunkte eingebüßt hatte, nur knapp vor der CDU stärkste Fraktion geworden und auf einen Koalitionspartner angewiesen. Die Wiederwahl Kurt Becks, der bereits seit 1994 die Regierungsgeschäfte in der Mainzer Staatskanzlei führt, ist laut Presseberichten für den 18. Mai vorgesehen.