(Artikel) Ende Januar lief in Berlin die 20.
transmediale, das größte deutsche Festival für digitale Kunst und den kreativen Einsatz von digitalen Medien. Die Szene ist nicht in den weltberühmten Museen vertreten, sucht aber Anerkennung. Ein Blick auf aktuelle Entwicklungen und Trends.

Obwohl das Genre des Festivals nach zwei Jahrzehnten transmediale nicht neu ist, ist es ständig in Bewegung. Es ändert sich gemeinsam mit den digitalen Medien – deshalb das transmediale-Motto: „unfinish!“. Das Digitale zeichnet sich schließlich durch seine Unfertigkeit aus. Die ist gekennzeichnet durch die stetige Abfolge von neuen Versionen, mit fortlaufenden und sich stes erhöhenden Nummern wie 1.0, 2.0 und so weiter. „Dem digitalen Medium ist die Reproduzierbarkeit und die Veränderbarkeit eingeschrieben“, sagt Andreas Broeckmann, künstlerischer Leiter der transmediale. Viele Arbeiten bleiben so „stets Projekt“ und kommen nie zu einem Ende – es entstehen schlicht immer neue, aufeinander folgende Versionen.

Streben nach Weltruhm

Doch in dieser Unvollkommenheit liegt auch die Chance auf ständige Weiterentwicklung. Setzt man Beendetes noch mal in den Zustand der Unfertigkeit zurück, kann etwas Neues, Besseres, zumindest aber Unerwartetes entstehen. Diese Unfertigkeit und der Wille zur ständigen Weiterentwicklung lassen sich auch auf die Digitalkunstszene übertragen. Die Szene genießt zwar noch nicht den gleichen Stellenwert wie die anerkannte und in klassischen Museen ausgestellte White-Cube-Kunst mit ihren spektakulären Millionendeals und weltbekannten Galerien. Aber sie hat den Anspruch, eine gleichrangige Anerkennung zu erreichen. Die Diskussionen darüber werden auch auf der transmediale geführt.

Doch bis die Angleichung der Verhältnisse geschafft ist, dienen Festivals wie die transmediale oder die weitaus größere und etwas ältere ars electronica in Linz als Schauplätze der digitalen Gestaltung. Und das trotz aller Schwierigkeiten bereits seit über zwei Jahrzehnten. Schwierigkeiten bestehen gerade in finanzieller Hinsicht – ohne die staatliche Kulturförderung sähe es vielerorts mau aus.

Computer und Körper

Die transmediale bringt zahlreiche Erweiterungen, Updates und Ideen und befasst sich mit den Chancen, die im Unfertigen liegen. So profitiert die Szene vor allem von der Verfügbarkeit der Technik und widmet sich gerne dem Physical Computing. Die direkte Arbeit mit Code und Elektronik ist en vogue. Man muß es ja nicht gleich auf die Spitze treiben wie der Medienkünstler
Stelarc, der mit einem künstlich gezüchteten dritten Ohr auf seinem Arm die Erweiterung seines Körpers vorantreibt.

Bereits die Betrachtung medialer Wirkungen, wie sie
Liu Wei deutlich macht, kann erstaunlich sein. Der Künstler zeigt am Beispiel des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens, dass die heutige Generation in China nichts weiß von Ereignissen, die nicht in den Medien stattfinden – schließlich wurde das Massaker in der staatlich kontrollierten Presse verschwiegen. Und wenn jemand doch etwas weiß, schweigt er in Liu Weis Arbeit: Dem chinesischen Individuum sind die repressiven Folgen der medialen Wirkung bekannt.

Der beständige Wandel, dargestellt auch in
Antoine Schmitts Werk „still living“, begleitet uns in der digitalen Welt, ob wir wollen oder nicht. Und alle Hoffnung auf Beständigkeit ist letztlich vergebens: Schmitt nutzt die Symbole reiner Information: altbekannte Balken-, Kurven- und Tortendiagramme. Diese hält er permanent in Bewegung, so dass man sie nicht lesen kann. Informationsweitergabe, der Urzweck dieser Darstellungsform, wird so unmöglich.

Warten auf das nächste Update

Die Informationen verändern sich ständig und kommen zu keinem Ende. Ein mögliches Motiv für die Diskussion, die der Medientheoretiker Friedrich Kittler auf der transmediale führen will. Er widmet sich dem Thema des Nicht-Beendens und fragt nach der Bedeutung der Endlosschleife, einem Prozeß, der nie fertig ist, der immer neue Versionen produziert und zwangsläufig nur äußeren Einflüssen erliegen kann.

Digitale Medienkunst ist nie fertig. Sie ist damit Symbol für den gesamten digitalen Raum, in dem nichts beständig ist – außer der nie enden wollenden Veränderung. Das nächste Update wartet schon.